VON CHARLOTTE MEYER | 05.10.2015 14:41

Welcome to Russia – Was auf dich zukommt, wenn du dort ein Auslandssemester anfängst

Die Probleme fangen meist schon auf dem Flughafen an. Wie komme ich zur Unterkunft? Wo bekomme ich Geld und Essen her? Wo finde ich Gleichgesinnte? Diese Fragen kommen bei jedem Auslandssemester früher oder später irgendwann auf. In Russland fällt als allererstes das nervigste an: Papierkram. Warum Romantik trügt und wie ein Gang zum Amt im größten Land der Welt aussieht, berichte ich hier für UNI.DE.




Organisatorisches schnell erledigt

Sankt-Petersburg ist eine Stadt, die einen sehr schnell willkommen heißt. Bei meiner Ankunft wusste ich sofort: In der Stadt werde ich mich wohlfühlen. Ein paar Spaziergänge über den Nevskij Prospekt und an den Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt vorbei waren für mich die perfekte Begrüßung für meine fünf Monate in der nördlichsten Millionenstadt der Welt. Nach den ersten paar Tagen Sightseeing kamen für mich dann allerdings auch die mehr alltäglichen Fragen auf: Wo ist der nächste Supermarkt und welche Lebensmittel brauche ich für den täglichen Bedarf? Wo kann ich Geld abheben und wie viel brauche ich eigentlich für einen Monat? Von Berlin aus hatte ich bereits eine WG gefunden und mein Mitbewohner war mir zum Glück gleich behilflich bei der Supermarktsuche. Diese ganzen organisatorischen Dinge waren alle kein Problem. Am meisten hat mich eigentlich die Frage bewegt, wie ich mein Leben und meinen Alltag in Russland so gestalten kann, dass ich glücklich bin.

Permafrost im Sommer – drei Wochen an der Uni von Jakutsk

Socializing und Papierkram

Meine Uni ist in diesem Zusammenhang sehr bemüht um ihre Studierenden. Kurz vor meiner Ankunft wurde ich gleich in Facebook-Gruppen zum Netzwerken eingeladen und eine Willkommenswoche wurde für alle ausländischen Studierenden organisiert. Es wurden Stadtführungen, Ausflüge und gemeinsame Abendessen veranstaltet, sowohl von der Uni, als auch von meiner Fakultät. Sehr viele Möglichkeiten also, um schnell Anschluss zu finden. Ich persönlich habe mich erst einmal auf Reisen begeben, um die vorlesungsfreie Zeit und das russische Visum für mich auszunutzen. Wichtig war dabei vor allen Dingen, dass ich mich dafür bei der Universität abmelde, weil dem russischen Staat nicht entgehen darf, wo und zu welchem Zweck sich Ausländer aufhalten. Bei touristischen Visa ist für diese Anmeldung zum Beispiel das Hotel oder die entsprechende Unterkunft zuständig. In meinem Fall ist es die Universität. Das heißt, innerhalb von sieben Werktagen nach Ankunft muss die Universität mich anmelden und falls ich die im Visum genannten Aufenthaltsorte verlasse, muss sie mich entsprechend abmelden. Das bedeutet auch viel Papierkram. Ich musste so mit Pass und Einreisebeleg zunächst zu einer Person, wo ich einen Antrag ausfüllen musste. Mit diesem Formular musste ich dann durch die ganze Stadt zum Hauptgebäude der Uni fahren, es dort abgeben, um dann einen Beleg zu erhalten, mit dem ich zwei Wochen später meine Registrierung abholen konnte. Mit dieser Registrierung wiederum muss ich dann wieder zurück zur ersten Person, damit diese mein Visum verlängern kann, das mir zunächst nicht für den gesamten Zeitraum, sondern nur für zwei Monate ausgestellt wurde. Von dieser Prozedur können wahrscheinlich viele ein Lied singen, die schon einmal in Russland gewesen sind. Sankt-Petersburg ist da keine Ausnahme.

Trügerische Romantik

Die Stadt hingegen hat viele Dinge zu bieten, die die bürokratischen Mühen schnell wieder wett machen. Sehr viele Sehenswürdigkeiten aus der Zarenzeit, Cafés, Nachtclubs, Museen – und natürlich das Meer. Wenn nachts um halb eins die Brücken aufgehen und die bereits wartenden Ausflugsschiffe und Frachter passieren, kommt man sich schon wie in einem anderen Jahrhundert vor. Was zwar sehr romantisch ist, kann allerdings zum schon trügerischen Hindernis werden. Ganz nüchtern betrachtet ist nämlich zu dieser Zeit der Straßenverkehr unterbrochen und auch die U-Bahnen machen um halb eins dicht – auch am Wochenende. Für eine von Mobilität verwöhnte Berlinerin ist das eine bittere Pille. Das heißt nämlich, ausgehen entweder bis halb eins oder sechs Uhr morgens – also ganz oder gar nicht. Die romantische Vorstellung, eine WG auf einer Insel zu haben, hat sich so schnell als ziemlich unpraktisch erwiesen. Immerhin eine gute Übung zur Disziplin. Die Frage ist dann nur im Moment für mich: Disziplin für was eigentlich? Von der Uni gibt es noch keine konkrete Meldung, wann unser Lehrbetrieb eigentlich los geht, wie die Prüfungen aussehen und wann Semestergebühren überwiesen werden müssen. Aber ich nehme an, dass der Stress früher oder später ohnehin noch losgehen wird. Bis dahin genieße ich noch ein wenig die freie Zeit und wer weiß, vielleicht gehe ich mich bald wieder bei der Universität abmelden, um mich noch ein wenig auf die Socken zu machen.