VON ANNABELLA MARTINZ
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01.07.2016 07:51
Langzeitreisen verblödet – nicht mit Fernstudium im Gepäck
Neben Amerika ist Australien das zweite Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Hier scheint jeden Tag die Sonne, die Menschen sind fröhlich und aufgeschlossen und der Stundenlohn ist herausragend gut. Für Backpacker und Working Holiday Maker ist es das Paradies schlechthin. Natürlich kommt es immer auf die eigene Einstellung an, welche Reiseroute gewählt wird und welche Leute man trifft. Der Grund, der mich nach Australien verschlagen hat, war die Entfernung zur Heimat Deutschland.
Eine rasante Entwicklung
„Get out of your comfort zone“ scheint ein neuer Trend zu sein. Genau diesem bin ich, eher unbewusst, damals gefolgt. In Deutschland hatte ich alles aufgegeben, meine Wohnung gekündigt, meine Möbel verkauft, ja sogar meine geliebten Fische an eine 12-Jährige abgegeben.
Nur mit einem Backpack bepackt, fing die Reise an, die mein Leben veränderte.
Anfangs war ich noch relativ schüchtern, ich traute mich nicht, auf andere Menschen zuzugehen, geschweige denn, mich einfach einer Gruppe anzuschließen. Mit der Zeit, nachdem ich realisierte, dass ich mich damit abfinden muss, alleine zu bleiben, wenn ich nicht meinen Mund öffne, überwand ich meine Schüchternheit und spazierte voller Tatendrang auf die größte Gruppe zu. „Was hast du zu verlieren?“ fragte ich mich permanent. „Im Prinzip kannst du nur dazugewinnen: Entweder du machst neue Bekanntschaften und das wäre toll, oder du triffst niemanden, hast es aber zumindest versucht. Und nebenbei bist du aus dir herausgegangen.“
Meinen Australien-Trip startete ich alleine. Doch innerhalb des 12 monatigen Aufenthalts war ich maximal 3 Wochen wirklich alleine unterwegs. Durch meine Offenheit und die Herzlichkeit, die die Australier einem entgegenbringen und die auf Backpacker abzufärben scheint, lernte ich unzählig viele Leute kennen. Insgesamt hatte ich neun verschiedene travelmates, die sich auf kürzere oder längere Zeit meiner Reise anschlossen.
Meine Entwicklung setzte sich fort. Als ich auf Jobsuche war, wurde ich beim Bewerbungsgespräch ziemlich nervös, da mein Englisch nun mal nur aus der Schulzeit stammte. Doch wieder sprach ich mir Mut zu. Ich wusste, dass ich für die Gastronomie geeignet bin, immerhin hatte ich in Deutschland 7 Jahre neben Schule und Studium gekellnert, doch meine Unsicherheit mit der Fremdsprache war nicht zu verbergen. Ich entschuldigte mich für mein schlechtes Englisch, woraufhin einer meiner Arbeitgeber meinte „Du sprichst besseres Englisch als manch ein Australier!“ Dieses Kompliment beruhigte mich ein wenig und schlussendlich bekam ich jeden Job, den ich mir gewünscht hatte.
Freiheit schnuppern
Unabhängigkeit, Freiheit, Ziellosigkeit – die großen Begriffe. Ich habe sie gelebt.
Fred, mein treuster Travelmate, ein Mitsubishi Stationwagon und ich lebten den Traum. In Perth, an der Westküste Australiens, war es Liebe auf den zweiten Blick und wir entschieden uns dafür, von nun an untrennbar zu sein. Ich schlief im Kofferraum – Fred wurde vom Vorgänger ausgebaut – auf einer Matratze, die mindestens genauso bequem war wie mein 1,40er Bett in München. Nur eben nicht so breit. Mit Camping-Ausrüstung bepackt, immer 30 Liter Wasservorrat sowie 50 Liter Benzin dabei, fuhren Fred und ich mitten hinein ins Nirgendwo. Teilweise fuhren wir stundenlang auf einer geraden Straße, rechts und links reine Dürre, der Blick ging bis hinaus an den Horizont. Kein Auto auf der Straße, kein Gegenverkehr. Nur ich, Fred und meine Musik.
Das war das erste Mal, dass ich das Gefühl der Unabhängigkeit spürte. Keine Verpflichtungen, keine Termine, kein Handy. Freiheit. Ich konnte denke was ich wollte, tun was ich wollte, ich konnte singen und schreien, wenn ich wollte oder einfach anhalten und schlafen. Egal um welche Tageszeit. Ich hatte keine Ziele und keinen Zeitdruck, sondern nur mich selbst. Sich mit sich selbst zu beschäftigen und seinen Gedanken freien Lauf zu lassen, kann manchmal ganz schön hart sein. Auch das muss gelernt werden.
Von Tag zu Tag wurde ich immer lockerer, bis ich schließlich tiefenentspannt war.
Ich hatte meinen inneren Frieden gefunden.
Studieren wann und wo man will
Ist ein Fernstudium wirklich so verlockend?
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Back to busy – but just a bit
Wir sind es von unserer Gesellschaft gewohnt, ständig mental stimuliert zu werden. Sei es durch die Nachrichten im Radio, Zeitungen, den Beruf oder das Studium. Wenn das alles wegfällt – ich hatte mittlerweile seit 9 Monaten keine Zeitung gelesen – kann das Entspannen auch ziemlich anstrengend werden. Es entsteht eine gewisse Leere im Kopf. Zwar ist es bei mir nie in Langeweile umgeschlagen, jedoch hatte ich mich doch nach einer mentalen Stimulation gesehnt. Die Arbeit in der Gastronomie ist zwar körperlich anstrengend, als geistige Herausforderung für eine Studierte kann man sie allerdings nicht sehen. Also wurde es Zeit, sich nach etwas Neuem umzusehen.
Ich hatte meinen Bachelor der Sozialwissenschaften in der Tasche und wollte in die Medienrichtung gehen. Also entschied ich mich für ein Fernstudium zur PR-Referentin an der Freien Journalistenschule Berlin. Durch schlechte Internetverbindung, fehlende Drucker oder Faxgeräte – ich befand mich mittlerweile in Alice Springs, dem Zentrum Australiens – kam es zu einigen Schwierigkeiten im Bewerbungsprozess. Doch schlussendlich hatte ich die Zusage und freute mich auf einen neuen Abschnitt meiner Reise.
Die Uni sandte mir die Hälfte der Unterlagen, die ich für das Studium benötigte, zu. Die gesamten Unterlagen hätten mehr als 3 Kilogramm gewogen und ich musste meinen Backpack ja schließlich tragen! „Wo sollen wir Ihnen denn die Unterlagen hinschicken?“ fragte mich eine Angestellte der Universität. Das war eine sehr gute Frage. Ich war ständig unterwegs und konnte nicht wissen, wo ich in 4 Wochen sein werde. Und an einem Ort für so eine lange Zeit zu bleiben, kam nicht infrage. Das wäre vergeudetet Zeit. „Bitte schicken Sie mir die Unterlagen nach Cairns.“ antwortete ich ihr. Mittlerweile war ich in Adelaide, im Süden Australiens, Cairns befindet sich fast an der Spitze der Ostküste. In Zahlen gesprochen: 3.227 km entfernt. Ob ich es in 4 Wochen dort hoch schafften würde, wusste ich nicht, doch ich hatte einen Ortsansässigen in einem kleinen Dorf kennengelernt, der mein Paket entgegennahm.
In Adelaide trennten sich Fred und meine Wege, der Abschied fiel schwer. Mit dem Flugzeug ging es 3 Wochen später dann nach Cairns. In dem Moment, als ich Fred verkaufte und ins Flugzeug stieg, tauschte ich meine Unabhängigkeit gegen den Wunsch nach mentaler Stimulation ein. Man muss Prioritäten setzen.
Der Vorteil an einem Fernstudium ist, dass man selbst entscheiden kann, in welchem Tempo man die Unterlagen bearbeitet. Es gibt keine Anwesenheitspflicht, keine Materialsammlung, die man sich für jeden Kurs zulegen muss und auch keinerlei Vorschriften, bis wann man ein Thema durchgearbeitet haben sollte. Zum Reisen ist es perfekt. Das Einzige, worauf man achten sollte ist, dass man ca. einmal im Monat eine Internetverbindung, einen Drucker und einen Scanner braucht. Das hört sich erst einmal komisch an, da es hier um ganz normale Gebrauchsgegenstände geht. Ich habe allerdings sogar in Australien, einem zivilisierten und kultivierten Land, erlebt, dass so manch ein Örtchen die Besagten nicht hat. Dabei spreche ich natürlich nicht von Melbourne und Sydney.
Durch das Studium hatte ich mir wieder Pflichten auferlegt. Und mit dem anerzogenen Pflichtbewusstsein kam das Gefühl des Drucks zurück. Anfangs war es sehr schwierig, mich selbst zu motivieren und die notwendige Konzentration für den Stoff aufzubringen. Ständig drifteten meine Gedanken ab, ich wurde durch andere Hostelbesucher abgelenkt oder beobachtete die Papageien, die sich zu mir gesellten. Allerdings hatte ich mir jeden einzelnen Kurs des Studiums selbst ausgesucht, weshalb ich nach und nach immer mehr Interesse kam und ich mich fast täglich an das Studium setzte.
Schlussendlich reiste ich mit dem Fernstudium im Gepäck nach Neuseeland, studierte an kristallklaren und tiefblauen Seen und legte mich mit meinen Materialien an den Pool auf Bali.
Durch das Fernstudium hatte ich eine mentale Stimulation dazugewonnen, konnte die „Lücke“ in meinem Lebenslauf, die durch das reine Reisen entstanden ist, schließen und genoss trotzdem weiterhin die Vorzüge des Reisens.