VON JOACHIM SCHEUERER | 13.12.2013 16:14

Harte Arbeit für kleinen Lohn – die geringe Vergütung des Pflegepersonals in Deutschland

Eltern und Menschen, die Angehörige zu pflegen haben, wissen, wie erfüllend aber auch wie nervenaufreibend sich dies gestalten kann. Die physische und psychische Belastung ist mitunter enorm. Um diesen Herausforderungen angemessen und stabil begegnen zu können, bedarf es verschiedener Ausgleichsmöglichkeiten, die eine Regeneration und Kompensation der Kräfte ermöglichen, vor allem aber auch schlicht und einfach Geld. Sichere und adäquate finanzielle Mittel sind eine wichtige Voraussetzung, um einer anspruchsvollen Betreuerfunktion gerecht werden zu können. Umso mehr, wenn die Rolle der Pflegerin und des Pflegers zum Beruf wird und das Arbeitspensum ansteigt. Einer Studie der TU Berlin zufolge ist eine Pflegekraft in Deutschland im Durchschnitt für 10 Patienten zuständig. Im Gehalt des Pflegepersonals spiegelt sich diese starke Inanspruchnahme jedoch häufig nicht wider. Dies geht zu Lasten sowohl der betreuenden als auch der betreuten Menschen.


Im Juli 2012 legte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung eine Studie zur Situation des Pflegepersonals in Deutschland vor, die eine klare, anhaltende Diskrepanz zwischen der Bezahlung und der hohen Arbeitsbelastung im Pflegesektor aufzeigt.

Lohndumping: viel Arbeit für wenig Geld

Zwar werden Berufsanfänger in der Pflege entgegen aller Klischees mit 1000 Euro im dritten Ausbildungsjahr und einem durchschnittlichen Anfangsgehalt von 2100 Euro Brutto relativ gut entlohnt. Auf lange Sicht gesehen, haben Pflegerinnen und Pfleger jedoch keine Aussicht auf nennenswerte Lohnerhöhungen, weshalb die Ausübung des Pflegeberufs im Schnitt auf acht Jahre begrenzt ist.

Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen liegt bei 2.412 Euro, wobei das Gehalt je nach Beruf variiert. Ein/e Helfer/in in der Krankenpflege verdient ca. 1.850 Euro, eine Operationsschwester dagegen 3.130 Euro. Dabei erhalten Frauen im Schnitt nochmal 12 Prozent weniger Lohn als Männer, befristet Beschäftigte wiederum weniger als unbefristet Beschäftigte und Beschäftigte in den neuen Bundesländern nochmals 19 Prozent weniger als westdeutsche Pflegerinnen und Pfleger. Eine langjährige Berufserfahrung und die Beschäftigung in einem Betrieb mit Tarifbindung sind wiederum ein Garant für eine bessere Vergütung. Allgemein fällt die Zufriedenheit mit dem Lohn in der WSI-Studie jedoch gering aus.

Die geringe Attraktivität und der Mangel an Aufstiegschancen führen bisweilen zu erheblichen Engpässen, denen versucht wird mithilfe von ausländischem Pflegepersonal oder Zeitarbeitern zu begegnen. Gleichzeitig wird mit zunehmendem Erfolg versucht das Berufsbild des Pflegers durch die Einführung akademischer Ausbildungsmöglichkeiten aufzuwerten. Andernorts, beispielsweise in Spanien, Schweden, Großbritannien oder den USA ist die universitäre Ausbildung von Pflegekräften schon seit längerem Usus. Bedenken gegenüber akademisch qualifizierten Pflegerinnen und Pflegern kommen unter anderem von Seiten der Kliniken aufgrund der drohenden höheren Lohnforderungen, sowie von Seiten der Ärzteschaft, die zum Teil ihre Autorität gefährdet sieht.

Dennoch ist eine Anhebung der Gehälter und des gesellschaftlichen Ansehens des Pflegeberufs notwendig und ein Gebot der Vernunft. Jeder, der bereits in irgendeiner Weise mit der Betreuung eines oder mehrerer Menschen betraut war, weiß wie komplex, anspruchsvoll und stressig dies sein kann. Die Ansprüche der Pflegekräfte ernst zu nehmen, heißt zudem auch die Ansprüche der Gepflegten, egal ob es Babys, Kinder, alte Menschen, physisch oder psychisch Kranke sind, wahrzunehmen und anzuerkennen. Denn auch wenn man es oft vergisst, geht es dabei letztendlich um uns selbst. Wir alle waren einmal, oder sind es vielleicht, oder werden eines Tages wieder pflegebedürftig sein. Und dann wollen wir doch auch in guten und engagierten Händen sein, oder?