VON MICHAEL BLUM | 10.04.2017 12:31

Stammzellspende gegen Blutkrebs – wie geht das? Eine Spenderin der DKMS im Interview

Jedes Jahr erkranken alleine in Deutschland über 10.000 Menschen an Leukämie. Seit der Einführung der Stammzellentransplantation haben sich aber die Behandlungsmöglichkeiten und damit die Heilungschancen der Betroffenen erheblich verbessert. Eine große Schwierigkeit bei der Transplantation besteht darin, dass Spender/-in und Empfänger/-in genetisch möglichst ähnlich sein müssen. Trotz einer internationalen Spenderkartei wird in jedem siebten Fall kein geeignetes Transplantat gefunden.


Um die Chancen auf eine erfolgreiche Stammzellenspende zu erhöhen, versucht die DKMS seit nunmehr 25 Jahren die genetischen Daten möglichst vieler Spendewilliger möglichst flächendeckend zu sammeln. Mit inzwischen mehr als sieben Millionen Registrierten gehört die DKMS mittlerweile zu den wichtigsten Organisationen in diesem Bereich. Häufig ist es lediglich mangelnde Information der Bevölkerung über den genauen Ablauf von Registrierung bis hin zur Spende, die Menschen davon abhält, sich selbst dafür bereit zu erklären.

Um zu zeigen, wie so eine Stammzellspende abläuft, hat UNI.DE mit Sara gesprochen, die sich im Juni 2016 im Rahmen einer Informationsveranstaltung an ihrer Hochschule registrieren ließ und im Januar 2017 dann auch Stammzellen spenden konnte.

UNI.DE: Sara, du bist Stammzellenspenderin bei der DKMS. Wie bist du darauf gekommen, dich in die Kartei aufnehmen zu lassen? Spontan bei der Registrierungsaktion an deiner Uni?

Sara: Ich wusste vorher schon, dass es die Organisation gibt aber habe mich nicht damit beschäftigt. Letztendlich war es dann so, dass jemand der selber schon gespendet hatte, in einem E-Mail Verteiler auf die Registrierungsaktion aufmerksam gemacht und genau erklärt hat, worum es dabei ging. Wofür das ist und warum es wichtig ist zu spenden. Da dachte ich einfach, das sollte ich tun und bin hingegangen.

UNI.DE: Und wie lief die Registrierungsaktion dann ab?

Sara: Man hat dort einen Fragebogen ausgefüllt, bzw. Fragen über persönliche Daten, gesundheitlichen Zustand, vorherige Erkrankungen oder ähnliches beantwortet. Man wurde auch schon über die beiden Entnahmeverfahren aufgeklärt, hat sich dabei aber zu nichts verpflichtet. Zuerst bekam ich diese Wattestäbchen, die am Inneren der Wange gerieben werden mussten und das war es dann erstmal. Ich hatte noch die Möglichkeit zur Spende, also zur finanziellen Unterstützung, weil ja jede Registrierung 40 Euro kostet, aber das war natürlich auch nicht verpflichtend.

UNI.DE: Musstest du dich zur Registrierung überreden lassen?

Sara: Nein, weil es einfach so wichtig ist, dass sich möglichst viele Leute dafür registrieren lassen, da es ja so unwahrscheinlich ist, tatsächlich einen genetischen Zwilling zu finden. Und der Aufwand dafür ist ja auch sehr gering.

UNI.DE: Kannst du kurz erklären, was es mit der Typisierung bei bzw. nach der Registrierung auf sich hat?

Sara: Nach der Registrierung wird die auf den Wattestäbchen hinterlassene DNA untersucht. Auf der DNA liegt ein bestimmter Teil, der für das Immunsystem wichtig ist und von dem dann eben abhängt, ob Patient und Spender zusammenpassen. Sobald dieser Teil der DNA untersucht wurde, wird man der Datei hinzugefügt und steht gleich auch als Spender zur Verfügung.

UNI.DE: Einige Monate nach der Registrierung bist du ja Spenderin geworden. Wie war das für dich, als es dann „ernst wurde“?

Sara: Mir war von Anfang an klar, dass ich nun auch spenden würde. Aber es war schon ein sehr komisches Gefühl, weil ich auf einmal wusste, dass jetzt irgendwo auf der Welt ein Leben von mir abhängt. Und gerade weil das so schnell nach meiner Registrierung passierte, empfand ich auch Dankbarkeit darüber, dass ich mich gerade rechtzeitig habe registrieren lassen. Ich vermute, dass mein Empfänger schon länger krank gewesen war und nach einem Spender gesucht hatte. Es war auf jeden Fall sehr spannend.

UNI.DE: Wie lief die Spende ab? Musstest du in ein Krankenhaus gehen?

Sara: Genau. Es gibt nur wenige Standorte die das überhaupt machen, bei mir war es Frankfurt. Ich habe Stammzellentnahme durchführen lassen, daneben gibt ja noch eine operative Methode. Für die Stammzellentnahme war es so, dass ich mir während fünf Tagen vorher das Stammzellen vermehrende Mittel (G-CSF) spritzen musste, damit sich meine eigenen Stammzellen vermehren. Dabei sind dann – da wurde ich aber auch schon vorgewarnt – grippeähnlichen Symptome aufgetreten. Am Tag der Spende selber bin ich in die Klinik gefahren und wurde nochmal von dem Arzt auf mein Wohlbefinden untersucht und dann ging es eigentlich auch schon los. Man wird einfach an eine Maschine angeschlossen, ähnlich wie bei einer Dialyse: Aus dem einen Arm wird das Blut abgenommen, dann die Stammzellen abgesondert und bei dem anderen Arm kommt das restliche Blut wieder zurück.

Danach ging es mir dann sehr schnell wieder besser, weil die Symptome sofort wieder weg waren.

Als Dankeschön habe ich ein Buch und später noch einen Geschenkekorb mit Feinkostartikeln bekommen, das war eine schöne Überraschung.

UNI.DE: War das alles so, wie du es dir vorgestellt hast?

Sara: Also im Prinzip liegt man da ja nur rum :-) Aber es muss dazu gesagt werden, dass man im Vorherein auch enorm viel über den Ablauf aufgeklärt wird. Es treten beispielsweise während der Entnahme Nebenwirkungen auf, Kribbeln im Gesicht oder in den Fingerspitzen, ich glaube, weil man Kalziummangel hat, aber darauf wurde man eben vorbereitet. Bei mir war es so, dass sich alle unheimlich lieb um mich gekümmert haben - man wird nie allein gelassen. Klar hatte ich ein mulmiges Gefühl, als ich diese Maschine gesehen habe, die ist schon einigermaßen beeindruckend, aber im Endeffekt ist das ja nicht wichtig.

UNI.DE: Weißt du, wer die Empfängerin deiner Spende war und was aus ihr geworden ist? Ist es dir bzw. ihr zum Beispiel wichtig, Kontakt aufzubauen, oder ist das eher egal?

Sara: Ich hatte das Glück, dass die Empfängerin aus Dänemark kommt, das heißt, wir dürfen für die nächsten zwei Jahre unbegrenzt anonymen Kontakt haben, was nicht in allen Ländern gleich gehandhabt wird. Ich habe ihr zwei, drei Wochen nach der Spende geschrieben und sie hat mir tatsächlich geantwortet. Sie hat mir dann mitgeteilt, dass sie zu dem Zeitpunkt, an dem sie mir den Brief geschrieben hat, nur noch wenige Tage warten musste, bis sie wieder nach Hause durfte. Die Aufnahme war demnach also erfolgreich, wobei aber gesagt werden muss, dass trotzdem noch nicht alle Gefahr gebannt ist, denn es ist ja schon ein langer Heilungsprozess. Man kann aber – glaube ich – über die DKMS nach drei, sechs und zwölf Monaten nochmal Informationen über die Patientin einholen; die DKMS erkundigt sich dann an der zuständigen Klinik und hält einen, sofern man das möchte, auf dem aktuellen Stand.

UNI.DE: Würdest du das wieder machen?

Sara: Ja, auf jeden Fall, weil es so wenig Aufwand bedeutet. Man wird von der DKMS und später auch vor Ort unheimlich gut betreut. Und ich selber hatte nur wenige Beschwerden und wenn, dann welche, die sich leicht beheben ließen. Und wenn ich daran denke, was der Mensch dort auf der anderen Seite durchmacht, dann verblasst das alles einfach. Ich persönlich sehe überhaupt keinen Grund, warum ich das nicht noch einmal machen sollte.

UNI.DE: Kommt es überhaupt vor, dass man zweimal spenden kann?

Sara: Es ist so, dass ich jetzt zwei Jahre lang für diese Patientin bereitgehalten werde, falls sie nochmal Stammzellen braucht. Oder ich könnte ihr auch, wenn wieder Krebsverdacht besteht, Leukozyten spenden, was dann sogar noch weniger Aufwand bedeutet. Nach diesen zwei Jahren kann ich mich dann entscheiden, ob ich mich wieder in diesen weltweiten Suchverlauf eintragen lassen möchte oder nicht. Ich weiß, dass man insgesamt im Leben viermal spenden kann. Zweimal über die Stammzellen und zweimal operativ.

UNI.DE: Würdest du die operative Spende auch durchführen lassen?

Sara: Ja! Wenn es sein muss, dann ja.

UNI.DE: Hast du auch selbst schon mal aktiv an der Organisation einer Registrierungsaktion teilgenommen?

Sara: Nein, bisher nicht, weil das ja auch ein bisschen mehr Aufwand bedeutet, als es sich jetzt so anhört. Ich hatte an der Uni nochmal nachgefragt, ob dieses Jahr eine neue Registrierungsaktion möglich wäre, weil ja auch gezielt junge Leute gesucht werden. Aber sie meinten, das sei noch zu früh, da die letzte erste ein Jahr her sei. Derzeit versuche ich aber an meiner alten Schule, wo ich mein Abitur gemacht habe, durchzusetzen, dass die DKMS hinkommen und informieren darf. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass man sich auch direkt bei der DKMS registrieren lassen kann, da solche Registrierungsaktionen auch nicht ständig stattfinden. Es wird einem dann per Post dasselbe Set zugeschickt, dass bei den Aktionen vor Ort auch verwendet wird.

UNI.DE: Vielen Dank, Sara, für dieses Gespräch.

Die angesprochenen Registrierungsaktionen an Hochschulen oder anderen Bildungseinrichtungen sind deswegen so wichtig, weil für die Spende bevorzugt junge Menschen gesucht werden, da diesem Personenkreis die Spende gesundheitlich leichter fällt und auf lange Sicht auch eine häufigere Spende eher in Frage kommt. Für die Mithilfe dabei bekommt man übrigens eine Bescheinigung über das ehrenamtliche Engagement, was ja bei Bewerbungen für Jobs oder Stipendien immer einen guten Eindruck macht.

Mehr über Registrierungsaktionen an Hochschulen und wie diese organisiert werden können, bietet die DKMS auf ihrer Website. Dort finden sich auch Informationen darüber, wie man sich unabhängig von Registrierungsaktionen online für die Stammzellspende registrieren lassen kann.