VON DAVID SEITZ | 24.05.2012 16:05

Udacity: Freie Bildung für alle, überall und zu jeder Zeit.

Kostenlose Bildung auf Universitätsniveau, mit persönlicher Betreuung, für jedermann per Internetanschluss zugänglich - sieht so die Lehre der Zukunft aus? Udacity, ein Projekt, initiiert von einem deutschen Ex-Stanford-Professor und Google-Street-View-Mitentwickler, sorgt aktuell für riesige Resonanz im Internet und zeigt, dass universitäre Bildung nicht zwangsläufig an einen Hörsaal und eine Power-Point Präsentation gekoppelt sein muss.

Bildung ohne Grenzen

Zugegeben, Vorlesungen ins Netz zu streamen ist keine neue Erfindung. Viele Universitäten weltweit filmen wichtige Veranstaltungen mittlerweile ab und machen sie online verfügbar. Doch mit seinem Projekt verfolgt Entwickler Sebastian Thrun eine andere Strategie. Er will, dass mit Udacity Kurse "für alle Menschen verfügbar werden, völlig unabhängig von Herkunft, Vermögen, Alter, Geschlecht." Das erklärte er kürzlich gegenüber ZEIT Online. Einzige Bedingung für den Zugang zum kostenlosen Bildungsangebot ist dabei ein Internetanschluss und eine eigene E-Mail Adresse.

Studieren wann und wo man will

Udacity entstand im vergangenen Jahr als kleines Bildungsexperiment. Thrun hielt eine beliebte Vorlesung über künstliche Intelligenz per Livestream im Netz ab und bot gleichzeitig an, jedem Zuschauer auch eine Abschlussprüfung zu ermöglichen. Die Resonanz war für den jungen Wissenschaftler überwältigend: 160.000 Teilnehmer meldeten sich an, 23.000 bestanden am Ende die Prüfung. Für den Stanford-Professor war das ein offenbarendes Moment. Eine Rückkehr in den Vorlsungssaal, in dem er "nur" einige hundert auserwählte Elite-Studenten erreichte, war für ihn von da an undenkbar. Sein Ideal: Bildung für alle.

Persönlicher Unterricht via Internet

Zusammen mit US-Koryphäe und Google-Entwickler Peter Norvig begann Thrun ein Konzept für eine Plattform zu entwickeln, mit der er das gelungene Internet-Experiment dauerhaft wiederholen und weiter optimieren konnte. Im Gegensatz zu abgefilmten Vorlesungen bietet Udacity heute interaktive Lerneinheiten, die speziell auf den Konsum via Internet zugeschnitten sind. Das Udacity-Team produziert die Videos für jede Sitzung vor, stellt den Kursteilnehmern Aufgaben, die in Echtzeit per Software korrigiert werden. Je nachdem ob eine Antwort der richtigen Lösung entspricht oder nicht, liefert Udacity dem Nutzer ein passendes Video. Bei richtiger Antwort wird die Übung fortgeführt, bei falscher Antwort erscheint eine genauere Erläuterung.

Logischerweise ist eine adäquate persönliche Betreuung von Seiten der Professoren bei Nutzerzahlen im 6-stelligen Bereich schlichtweg unmöglich. Im angeschlossenen Forum tummeln sich jedoch permanent Studenten mit ähnlichen Problemen und solche, die weiterhelfen können. So kompensiert man den Mangel an betreuenden Wissenschaftlern. Also doch: ein Stück persönlicher Unterricht via Internet. Aktuell bietet Udacity sieben Kurse an, darunter vor allem die Steckenpferde der Entwickler: Programmiersprachen lernen, eine Internet-Suchmaschine programmieren oder ein Roboter-Auto entwickeln. Der Vorteil am Unterricht für die Masse: Man sitzt mit vielen anderen Ahnungslosen in einem Boot, was eine grundlegend andere Heranführung an das Thema erfordert, als etwa im Vorlesungssaal unter allwissenden Informatik-Nerds.

Privatvermögen und ehrenamtliche Helfer

Mit zehn Wissenschaftlern und dutzenden ehrenamtlichen Helfern arbeiten Thrun und seine Kollegen aktuell daran, Udacity für möglichst viele Menschen auf der Welt zugänglich zu machen – einzig die flächendeckende Versorgung mit Internet steht dem großen Siegeszug noch im Weg. In 44 Sprachen sind die Kurse bereits verfügbar, Sponsoren und Privatvermögen bilden die finanzielle Basis für das visionäre Projekt. Die Vermittlung von besonders begabten Absolventen an große Unternehmen soll in Zukunft zum finanziellen Gerüst von Udacity ausgebaut werden. Die Chancen stehen gut, dass bald noch mehr Studenten rund um den Globus am interaktiven Unterricht von Udacity teilnehmen werden, denn universitäre Bürokratie braucht hier niemand – die Einschreibung ist kinderleicht. E-Mail Adresse angeben, Passwort festlegen und schon ist man Teil des momentan wohl ambitioniertesten Bildungsprojektes der Welt.