VON CHARLOTTE MEYER | 12.10.2015 17:23

Spielzeugindustrie profitiert kräftig von Rollenklischees

Das „Gendermarketing“ hat sich in den letzten Jahren ausgebreitet. Die Spielzeugindustrie versucht dadurch, Umsatzeinbußen vorzubeugen. Für die Kinder heißt das vor allem: Blumen und Einhörner für Mädchen und Ritterschloss und Feuerwache für Jungs. Warum Kinder so leicht auf solches Spielzeug anspringen und was Kinder über Werbung denken, berichtet UNI.DE.





Spielzeughersteller: Gehen natürlichen Neigungen nach

Das Spielen hat eine wesentliche Bedeutung im Leben eines Kindes. Durch das Spielen können sich Kinder ausprobieren und Erfahrungen sammeln. Da liegt nahe, dass auch das Spielzeug dabei eine Rolle spielt. Kinder können bereits sehr früh anhand von Kommentaren, Blicken oder Gesten erkennen, welches Spielzeug für sie bestimmt ist und wie sie sich damit verhalten sollen. Aber gibt es bei Kindern ein natürliches Bedürfnis für eine bestimmte Art von Spielzeugen? Zum Beispiel bei Mädchen die Neigung zu Puppen und bei Jungen der Wille nach Spielzeugautos? Laut Susanne Wunderer, Expertin für geschlechtersensible Erziehung in Kindergärten, werden alle Kinder mit der gleichen Neugier geboren. Sie entwickeln sich dann in die Richtung, in die man sie ermuntert, weiterzugehen. Die Hersteller von Spielzeug allerdings sind da anderer Meinung. Aus ihrer Sicht kommen sie mit ihren Produkten natürlichen Neigungen von Kindern nach und befriedigen diese. Dementsprechend werden Mädchen mit Beautysalons und Shoppingcentern bedient und Jungs bekommen Ritterrüstungen und ferngesteuerte Autos. Das nennt sich „Gendermarketing“ und bedeutet nichts anderes als geschlechtsspezifisches Marketing. Gerade aus dem Bereich der Genderforschung gibt es bei dieser Art der Vermarktung einen großen Aufschrei: Man nimmt an, dass so konventionelle Rollenverteilung schon in den Köpfen der Kinder verfestigt wird.

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Keine bösen Absichten, nur Nischenbildung

Für die Hersteller dieser Spielzeuge hingegen ist vor allem eins wichtig: der Umsatz. Der ist aber gefährdet, denn in Europa hat die Spielwarenindustrie zu kämpfen. Die sinkende Geburtenrate und die Konkurrenz der Computerspiele und der Hersteller aus Asien macht ihr schwer zu schaffen. Eine Überlebensstrategie ist deshalb die Nischenbildung. Und genau zu diesem Zweck werden Beautysalons und Ritterburgen hergestellt. Das Angebot wird so weit wie möglich nach Interessens- und Altersgruppen aufgeteilt in die Kategorien Mädchen, Jungen, Kleinkind, Säugling, Vorschule, Teenager, und so weiter. Je mehr Unterteilungen es gibt, desto schneller und mehr wird aussortiert und nachgekauft mit wachsendem Alter der Kinder. Geschlechtsspezifisches Spielzeug macht bei diesen Kategorien rund 80 Prozent aus, so bestätigt es Axel Dammler vom Marktforschungsunternehmen iconkids & youth international research. Das hat damit zu tun, dass die Unternehmen keine Risiken eingehen wollen und auf die Produkte setzen, die sich am besten und stabilsten verkaufen lassen. Und dazu gehören bestimmte Farbcodes kombiniert mit Einhorn, Blume oder Actionheld. Und so sind die Topseller das Ritterschloss, die Feuerwehr und der Reiterhof. Für Kinder ist vor allem geschlechterspezifisches Spielzeug deswegen interessant, weil sie ansprechbar für einfache Zuordnungen sind und das Geschlecht als simples Unterscheidungsmerkmal sehr früh beherrschen, so der Jungenforscher und Psychologe Tim Rohrmann.

Werbung die Wurzel allen Übels?

Wenn nun aber die Barbies und Matchboxautos die Kinder in ihrer Entwicklung so unfrei machen, warum kaufen dann Eltern solches Spielzeug? Vielen fällt es schwer, den Kindern ihre Wünsche zu verweigern und komplett ablehnen sollte man diese wahrscheinlich auch nicht. Als Hauptursache für die Wünsche der Kinder wird meist die Werbung genannt. Insgesamt geben laut Kids-Verbraucheranalyse 71 Prozent der Sechs- bis Dreizehnjährigen zu Werbung eine positive Rückmeldung und meinen, dass Reklame ihnen zeigt, was sie sich wünschen. Allein für Werbung hat die Spielwarenindustrie 2014 315 Millionen ausgegeben, um ihre Kunden - die Kinder - zu locken. Doch nicht nur über die Eltern kommen Kinder an Spielzeug, sondern auch durch ihr eigenes Taschengeld. Laut der Aktion „Schufa macht Schule“ haben Kinder und Jugendliche in Deutschland heute mehr Taschengeld zur Verfügung als je zuvor. Laut einer Umfrage des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie sind das 269 Euro im Jahr pro Kind. Verbieten sollte man Kindern ihre Wünsche auf keinen Fall, aber wichtig ist, sich als Eltern über den Einfluss von Werbung und Spielzeugindustrie im Klaren zu sein und auf Abwechslung zu achten.