VON JASCHA SCHULZ | 07.10.2015 14:57

Das Leiden einsamer Kinder

Kinder leiden, wenn sie sich einsam fühlen. Doch was sind die Gründe für die Einsamkeit des Kindes? Liegt es an seinem Charakter oder sind es ‚Fehler‘ der Eltern, die für die fehlenden sozialen Kontakte verantwortlich sind? UNI.DE ist diesen Fragen auf den Grund gegangen und stellt Maßnahmen vor, wie einsamen Kindern geholfen werden kann.






Einsame Kinder brauchen Hilfe

Kinder leiden, wenn sie sich alleine fühlen. Sie werden schneller krank oder weisen ein gestörtes Essverhalten auf. Sie sind anfälliger für Depressionen und neigen des Öfteren zu Antriebslosigkeit, Konzentrationsproblemen und Schulangst.

Allerdings ist nicht jedes Kind einsam, das außerhalb der Schule oder des Kindergartens wenig soziale Kontakte besitzt. Es gibt einen Unterschied zwischen Kindern, die ausgegrenzt werden und sogenannten Eigenbrötlern. Letztere pflegen häufig einen für sie ausreichenden, guten Umgang mit der Kindergartengruppe/Schulklasse. In ihrer freien Zeit nehmen sie sich allerdings viel Zeit für sich selbst und ihre Interessen. Ein solches Verhaltensmuster wird häufig von introvertierten Kindern gezeigt. Diese benötigen weniger äußere Reize, um erfüllende Erlebnisse zu haben, als extrovertierte Kinder. Einzelne äußere Stimuli reichen bereits aus, um ihre reich-ausgestattete innere Phantasiewelt anzuregen. Bevor Eltern Maßnahmen ergreifen, ist es deshalb wichtig, erst einmal herauszufinden, ob das Kind tatsächlich unter den wenigen sozialen Kontakten leidet.

Aber wie kann das rausgefunden werden? Zunächst einmal sollte das Gespräch mit dem Kind gesucht werden. Anschließend kann vor allem das Gespräch mit Personen, die das Kind gut kennen, hilfreich sein. Hier sind insbesondere Betreuungspersonen wichtige Ansprechpartner, um herauszufinden, wie das Kind von der Gruppe akzeptiert wird.

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Häufige Gründe für die Einsamkeit

Warum ein Kind zum Außenseiter wird, ist eine der entscheidenden Fragen. Hierauf gibt es mehrere Antworten. Zum einen ist es möglich, dass Kindern die entsprechenden sozialen Kompetenzen fehlen. Wenn Kinder etwa schnell aggressiv werden, oder egoistisch handeln, dann ist das für andere Kinder ein Ausschlusskriterium, wenn es um die Wahl der Freundschaften geht. Hier kann ein Gespräch mit Betreuungspersonen und Eltern von anderen Kindern der Gruppe aufschlussreich sein, um das Sozialverhalten des eigenen Kindes aufzuarbeiten. Dies ist auch dringend notwendig, sollte das Kind gemobbt werden. Hier sind die Eltern des mobbenden Kindes und vor allem die Lehrpersonen gefragt, um entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Nicht selten sind es auch die Eltern, die das Außenseitertum ihres Kindes mitverursachen. Wenn Eltern selbst nur die nötigsten Kontakte pflegen, imitiert das Kind häufig dieses Verhalten. Deshalb sollten Eltern mit gutem Beispiel vorangehen und ihr soziales Leben nicht einschlafen lassen. Auch ist es wichtig, das Kind nicht zu sehr zu behüten. Wenn ein Elternteil rund um die Uhr das Kind in irgendeiner Form unterhält oder vereinnahmt, dann ist die Kontaktaufnahme zu anderen für das Kind häufig nicht möglich oder sie erscheint ihm nicht notwendig.

In den meisten Fällen sind die Gründe für die Einsamkeit des Kindes allerdings tiefergehend und bieten keine einfache Lösung. Natürlich gibt es Kinder, die keine Freunde finden, obwohl sie die nötigen sozialen Kompetenzen mitbringen und nett, höflich sowie rücksichtsvoll sind. Manchmal sind Kinder einfach nur anders. Diese Andersartigkeit hat nichts mit Verschrobenheit zu tun. Bereits der renommierte Soziologe Becker stellte in seinem Buch Outsiders fest, dass ein Verhalten genau dann abweichend ist, wenn es von anderen als abweichend beurteilt wird. So sind Hochbegabte oft einsam, da sie andere Interessen haben als Gleichaltrige: "Kinder mit hoher Intelligenz interessieren sich für andere Dinge als die meisten anderen Kinder. Und sie wirken oft altklug", ist die Einschätzung von, Kinderarzt und -psychotherapeut Dr. med. Rüdiger Posth. Was aber können Eltern in einem solchen Fall tun, um ihrem Kind das Leben zu erleichtern?

Tipps für Eltern

Zunächst ist es wichtig, das Kind nicht unter Druck zu setzen. Es sollte auf keinen Fall versucht werden, die Persönlichkeit des Kindes zu ändern. Auch die Aufforderung: „Dann verabrede dich doch mal!“ ist sinnlos und sorgt für Schuldgefühle bei dem Kind, wenn es ihr nicht Folge leistet. Stattdessen haben Eltern die Möglichkeit, eine Verabredung gemeinsam mit dem Kind anzugehen oder selbst zu initiieren und unangenehme Aufgaben wie die Kontaktaufnahme für das Kind zu erledigen.

Des Weiteren empfehlen nahezu sämtliche Experten, das Kind in einem sozialen Verein anzumelden. Dies hat zahlreiche Vorteile. Zum einen lernt das Kind einen neue Gruppe fernab der Schulklasse kennen und kann auf diese Weise einen Neuanfang starten. Häufig wird in Vereinen zudem ein Wir-Gefühl geschaffen, wenn man gemeinsam auf eine bestimmte Sache hinarbeitet. Durch dieses gemeinsame Erarbeiten und Erlernen von Dingen können auch soziale Kompetenzen besonders gut aufgearbeitet werden. Zusätzlich kann in einem sozialen Verein das Selbstwertgefühl gesteigert werden, wenn das Kind Spaß an der neuen Tätigkeit entwickelt. Fehlendes Selbstbewusstsein ist vor allem Schuld daran, dass sich Kinder in der Gesellschaft anderer unwohl fühlen. Nach Professor Armin Krenz vom Institut für angewandte Psychologie in Kiel ist ein positives Selbstkonzept die Grundlage für eine glückliche Kindheit und kann sogar das Fehlen sozialer Kontakte kompensieren. Das Kind darf deshalb unter keinen Umständen das Gefühl bekommen, dass es weniger wert oder gar seltsam ist, nur weil es keine Freunde findet.

Wenn die verschiedenen Maßnahmen nicht helfen, können die Kinder zum Beispiel in heilpädagogischen Tagesstätten Sozialverhalten lernen. Auch das Üben in therapeutischen Kleingruppen kann helfen. Als allerletzter Ausweg kann auch eine Kinderpsychotherapie hilfreich sein, um das Leiden des Kinds professionell aufzuarbeiten und Handlungswege aufzuzeigen.

Wenn ihr Kind einsam ist, besteht für Eltern außerdem die Möglichkeit, zunächst in einem Online-Forum anonym das Gespräch und die Hilfe von anderen zu suchen. Eine solche Möglichkeit bietet etwa die Internetseite Schnullerfamilie.de.