VON CLEMENS POKORNY | 02.12.2016 19:10
Reiches Land, marode Schulen
Bildung ist angeblich der einzige Rohstoff, über den Deutschland verfügt. Dennoch sind viele Erziehungsanstalten in einem schlechten bis unbrauchbaren Zustand. Rund 34 Milliarden Euro müssten in ganz Deutschland aufgewendet werden, um alle Sanierungsmaßnahmen zu bezahlen, die an unseren Schulen nötig sind. Doch die Bürokratie steht einer schnellen Lösung des Problems im Weg – und die Politik setzt die Sanierung der Schulen kaum einmal ganz oben auf die Agenda.
In die Klassenzimmer regnet ins herein, Dachplatten verfaulen, Toiletten werden monatelang nicht repariert und ganze Gebäudeteile müssen wegen Einsturzgefahr gesperrt werden: Viele deutsche Schulen sind in einem erbärmlichen Zustand. In Sonntagsreden wird immer wieder der Wert der Bildung als einziger nennenswerter Ressource unseres Landes beschworen – doch das Geld zur Sanierung maroder Erziehungsanstalten fehlt. Wie konnte es in einem Land mit der „Schwarzen Null“ im Haushalt so weit kommen?
Der Raum, in dem Schülerinnen und Schüler lernen, gilt neben Lehrkraft und Klassenkameraden als „dritter Pädagoge“. Er sollte ihren Bedürfnissen anzupassen sein und muss sie ebenso bergen wie frei lassen. Die Architektur von Schulen hat moderne pädagogische Konzepte zu berücksichtigen: Die typische rechteckige Form eines Klassenzimmers etwa forciert den veralteten Frontalunterricht geradezu. Der ganze Gebäudekomplex der Schule steht idealiter im „Dialog“ mit seiner Umgebung statt die jungen Menschen ängstlich von der Außenwelt abzuschirmen. Wohlfühlen kann man sich in architektonisch veralteten und sanierungsbedürftigen Bauten jedenfalls kaum.
Besonders schlimm sieht die Lage der Schulen in Berlin aus. Für das gesamte Bundesgebiet hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau kürzlich einen Sanierungsbedarf in Höhe von 34 Milliarden Euro ermittelt, davon entfallen ca. 5,5 Milliarden alleine auf Berlin. Dafür aufkommen müssten die Kommunen, die in aller Regel die Träger der Schulen sind. Doch anders als der Bund können viele Gemeinden bekanntlich keinen ausgeglichenen Haushalt vorweisen. Sie schieben die Schuld zudem teilweise auf die Länder, von denen sie – gemessen am Grundsatz, dass Bildung Ländersache ist – zu wenig finanzielle Unterstützung bekommen.
In Berlin sehen SPD, Linke und Grüne das Problem vor allem in Bürokratie und Kompetenzstreitigkeiten zwischen Land und Bezirken. Letztere sollen, wenn es nach der Linken geht, übergangen werden, indem das Land die Schulen einer landeseigenen GmbH überträgt, sie von der GmbH mietet und diese von den Mieteinnahmen die Sanierung bezahlt. Entnervte Eltern versuchen schon seit Jahren, das Problem in den Griff zu bekommen, indem sie Sanierungsmaßnahmen selbst und auf eigene Kosten durchführen. Auch dies scheitert immer wieder an bürokratischen Auflagen, etwa übertriebenen Vorschriften zum Brandschutz.
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In Jena hat man der Sanierung der Schulen bereits im Jahr 2001 oberste Priorität eingeräumt und alles verfügbare Geld zusammengekratzt, um die nötigen Maßnahmen in Höhe von ca. 100 Millionen Euro zu finanzieren. Heute befinden sich alle Jenaer Schulen in einem vorbildlichen Zustand. Dafür musste Jena allerdings vorerst auf ein Sportstadion und eine Messehalle verzichten.
Letztlich dürfte die Lösung des Sanierungsproblems auch außerhalb Jenas eine Frage der Prioritäten sein. Brauchen Schülerinnen und Schüler
schuleigene Tablets, wo sie heute ohnehin fast alle ein Smartphone besitzen? Und wozu gibt Deutschland Geld für die Raumfahrt aus und
schafft demnächst zwei neue Militär-U-Boote für eine Milliarde Euro an, während im Land Geld für Bildung, den einzigen bei uns relevanten Rohstoff, fehlt?
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