VON CLEMENS POKORNY | 27.09.2016 15:53

Mehr Flexibilität im Bachelor

Die zuständigen hochschulpolitischen Gremien in Deutschland haben beschlossen, dass das Studium mit dem Ziel des Bachelor- (BA) und Mastertitels (MA) den Studierenden mehr Spielräume lassen soll. Auch die Vergleichbarkeit der Studiengänge könnte sich erhöhen. Diese Nachbesserungen an der Europäischen Studienreform sind überfällig – doch an den Universitäten und Hochschulen müsste sich noch viel mehr ändern.




Probleme des BA/MA-Systems

Lebst du noch oder studierst du schon? Seit 1999 haben in immer mehr Studiengängen die Studierenden nicht mehr nur die angeblich beste Zeit ihres Lebens, sondern auch die stressigste: Prüfungen können nicht mehr beliebig oft wiederholt werden; schriftliche Arbeiten müssen bis zu einem unverrückbaren Termin abgegeben werden; Veranstaltungen können nicht mehr nach Interesse und Neigung ausgewählt werden, sondern nur noch in einem engen Rahmen, den der jeweilige Studiengang vorgibt; und wer die Regelstudienzeit um mehr als zwei Semester überzieht, dem droht vielerorts die Exmatrikulation, sodass kaum Zeit mehr für Praktika und Auslandssemester bleibt. Gegen den Bologna-Prozess erhob sich von Anfang an viel Kritik von Seiten der Studierenden, Dozierenden und auch der Wirtschaft, die nur zu 47% mit den Bachelor-Absolventen und Absolventinnen zufrieden ist. Dabei sollte die Reform eigentlich einen mittlerweile 48 Staaten umfassenden Europäischen Hochschulraum zum Wohle der Studierenden schaffen und das internationale Studieren erleichtern, also für mehr Mobilität sorgen.

Erste Verbesserungen schon 2009

Ab 2009 wurden von den zuständigen Gremien, der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Verbesserungen in Lehre und Mobilität initiiert, die von den Universitäten und Hochschulen auch weitgehend umgesetzt wurden. Wer zum Beispiel nach seinem Bachelor in Saarbrücken den Master in Berlin machen will, kann seither zuversichtlicher sein, dass seine bisherigen Studienleistungen am neuen Studienort voll anerkannt werden. Das Gleiche gilt für Studienleistungen, die während eines Auslandssemesters erbracht wurden, aber in Deutschland angerechnet werden sollen.

Geplante Änderungen

Dieses Jahr wurden nun weitere Maßnahmen vorgestellt, die auch in anderer Hinsicht für mehr Flexibilität sorgen sollen. Damit den Studierenden besonders am Anfang Zeit und Muße gegeben wird, sich am Studienort einzuleben, können in Zukunft die Noten der ersten beiden Semester in einem Studiengang durch die Bewertung „bestanden“ oder „nicht bestanden“ ersetzt werden. Im Bachelor und Master zählen, anders als in alten Studiengängen, alle Zensuren, die während des Studiums gemacht werden, bereits zur Abschlussnote. Zudem sollen Studierende, die während ihres Studiums sich bereits sicher sind, mit dem Master abschließen, also nicht nach bereits drei Jahren berufstätig werden zu wollen, den Bachelor auslassen und ihr Studium ohne Bachelorprüfung fortsetzen können. Damit wäre der studentischen Forderung „Jeder Bachelor muss auch ein Master werden dürfen“ genüge getan. Heute dagegen werden nur die besten Bachelor-Absolventen (wenn auch de facto oft die große Mehrheit von ihnen) zum Masterstudium zugelassen. Da die geplante Alternative sicherlich nicht an allen Universitäten und Hochschulen sofort verwirklicht werden dürfte, bleibt das Bachelor-Zeugnis aber relevant. Daher ist angedacht, darin zusätzlich zur Abschlussnote den Durchschnitt des gesamten Jahrgangs oder wenigstens den Anteil der Notenstufen („sehr gut“ bis „ausreichend“) an allen Abschlüssen im jeweiligen Fach anzugeben. Dadurch würde auch dem Problem vorgebeugt, dass viele Universitäten und Hochschulen ihren eigenen Bachelor-Studenten die Einser hinterherwerfen, um ihnen die Master-Studienplätze zu sichern. Schließlich könnte auch die bisher feste Regelstudienzeit von zehn Semestern bis zum Master gelockert werden.

Promovieren – Sinnvoll oder nicht?

Grenzen der aktuellen Reformvorhaben

Damit würde freilich ein „Erfolg“ des Bologna-Prozesses gefährdet: die Reduzierung der Studienzeit bis zum erfolgreichen Abschluss von 13,4 Semestern für das Diplom (1998) auf 10,8 für den Master nach dem Bachelor (2012). Auf jeden Fall würden viele Studierenden von den Erleichterungen im Studium profitieren, befand sich doch bereits im Jahr 2014 die überwältigende Mehrheit, nämlich drei Viertel, der damals 2,7 Millionen Studenten in einem Bachelor- oder Masterstudium. Ob sich die Quote von 28% Studienabbüchen im Bachelor durch die geplanten Maßnahmen senken lässt, bleibt allerdings fraglich: Erstens hängt von den Universitäten und Hochschulen selbst ab, inwieweit und wie schnell sie die Beschlüsse von KMK und HRK umsetzen. Und zweitens rühren die hohen Zahlen der Studienabbrüche auch daher, dass derzeit viele junge Menschen ein Studium aufnehmen, die dafür gar nicht geeignet sind – Flexibilität hin oder her. Eine echte Reform des BA/MA-Systems müsste schließlich auch die Verschulung vor allem in Form der Modularisierung aufbrechen. Ist sie für die internationale Vergleichbarkeit der Studiengänge und Abschlüsse wirklich eine unabdingbare Voraussetzung?