VON LISI WASMER
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10.01.2014 16:39
Proteste der Asylsuchenden in Israel
Von Böbrach im Bayerischen Wald bis nach Tel Aviv, Israel: Das Thema Asylrecht ist hoch aktuell, nicht nur in Niederbayern, auch in Vorderasien. Seit vergangenem Sonntag demonstrieren mehrere tausend Asylsuchende in Israel gegen das Vorgehen der Regierung. Ihre Anträge sollen individuell geprüft werden, das umstrittene Abschiebelager Cholot geschlossen werden. Die Betroffenen sind mit ihren Anliegen nicht allein. Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sowie die NRO „Hotline for Migrant Workers“ äußern sich kritisch zur israelischen Asylpolitik.
„We don’t choose to be refugees“, steht auf einem Transparent der Protestanten in Tel Aviv, wie sie ein Foto der Presseagentur Reuters zeigt. Seit Sonntag demonstrieren die Asylsuchenden in Israel gegen ein Gesetz, das es erlaubt, illegale Einwanderer ohne richterliche Untersuchung in Abschiebungslager zu schicken und ihnen den offiziellen Status als Asylsuchende verwehrt. Bereits am Sonntag fand ein Protestmarsch durch Tel Aviv statt, am Montag versammelten sich Demonstranten vor diversen ausländischen Botschaften.
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Der Stand der Dinge
Die Zahl in Israel lebender Asylsuchender wird auf knapp 50.000 geschätzt, wie die
Frankfurter Allgemeine Zeitung Sigal Rozen von der Hilfsorganisation „hotline for migrant workers“ zitiert. Den Hauptanteil machen hierbei Menschen aus Eritrea und dem Sudan aus. Der Polizei zufolge nahmen an der Sonntagsdemonstration rund 40 Prozent von ihnen teil, die Veranstalter sprechen gar von 30.000 Beteiligten. Anders als etwa im niederbayerischen Böbrach geht es diesen Menschen aber nicht um bessere Busverbindungen oder Handyempfang. Es geht viel essentieller vornehmlich um den Status als Flüchtling. Denn genau diesen verwehren die Zuständigen den meisten Einreisenden, die ohne Visum über die südliche Landesgrenze nach Israel gelangen.
Zwar werden die Asylsuchenden von den Behörden geduldet, nicht zuletzt, weil sie als günstige Arbeitskräfte vor allem in der Tourismusbranche gut gebraucht werden können; andererseits erhält kaum jemand den Status, der benötigt wird, Asyl tatsächlich zu erwerben. Inhaftierung als illegale Einwanderer und Abschiebung drohen täglich. An ein Anrecht auf etwaige Sozialleistungen ist gar nicht erst zu denken.
Der Hintergrund
Ursache für das harte Vorgehen gegen Asylsuchende sind Befürchtungen der israelischen Regierung, das Land leide (sozial wie auch wirtschaftlich) unter einer ökonomisch motivierten Einwandererflut und bezweifelt, dass es sich bei den Immigranten um politische oder etwa religiöse Flüchtlinge handeln könnte. Seit 2008 bewertet das Innenministerium des vorderasiatischen Staats den Status der Asylsuchenden (bis dahin war das zumindest teilweise Aufgabe der Hilfsorganisation UNHCR). Die Folgen sind augenscheinlich. Bereits vor 2008 war Israel nicht dafür bekannt, Asylsuchende als Asylbewerber anzuerkennen (seit seiner Gründung 1949 erhielten circa 160 Asylsuchende den Status), seit der Neuregelung vor sechs Jahren wurde die Schutzbedürftigkeit von exakt einem Asylsuchenden offiziell anerkannt, so der Förderverein Pro Asyl, der gemeinsam mit der NRO „hotline for migrant workers“ vor Kurzem einen
Bericht über das dortige Asylverfahren veröffentlichte.
Überhaupt wirkt alles wie ein unerfreuliches Wettrennen zwischen Regierung und Menschenrechtlern. Bis vor drei Jahren konnten Immigranten ohne Visum bis zu drei Jahre lang ohne richterliche Prüfung inhaftiert werden. Im September 2013 wurde das Gesetz vom Obersten Gericht in Jerusalem zwar gekippt, dafür werden die aufgegriffenen Asylsuchenden im Abschiebungslager Holot in der Negev-Wüste festgehalten. Eine tatsächliche Inhaftierung verstößt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und schon wieder gibt es einen Kniff auf Seiten der israelischen Behörden: Die „Insassen“ genießen tagsüber Freizügigkeit, allerdings müssen sie sich drei Mal täglich zu einer Art Fahnenappell rückmelden. Ein „Entkommen“ oder gar die Gelegenheit, sich Arbeit zu suchen, ist somit aufgrund der weiten Entfernungen unmöglich.
Das große Ganze
Das Verhalten der israelischen Regierung gegenüber den Asylsuchenden stößt international auf Kritik, nicht nur von Hilfsorganisationen, unter anderem auch in den deutschen Medien ist ein mindestens skeptischer Tonfall nicht zu überhören. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung verweist auf die Hotel- und Gastronomiebranche, die wie bereits erwähnt von den günstigen Arbeitskräften profitieren. Der im Zuge der Protestaktion ausgerufene „Streik“ der betroffenen Asylbewerber zeigt das Ausmaß ihrer Unterstützung für die Geschäftszweige: Der Zeitung zufolge erschienen gut 1.200 Afrikaner im beliebten Badeort Eilat nicht zur Arbeit, um Zimmer zu putzen oder in Restaurantküchen auszuhelfen. Diverse Quellen verweisen zudem darauf, dass eine Abschiebung der Einwanderer gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstieße, da die meisten der Immigranten in ihren Herkunftsländern Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt seien. Ein solches „refoulement“ ist international geächtet.
Indessen zeigt sich der israelische Ministerpräsident unbeeindruckt von den Protesten der Asylsuchenden. Das Nachrichtenportal „
n-tv.de“ zitiert ihn wie viele Tageszeitungen auch mit den Worten, die Aktionen seien zwecklos, die vermeintlichen Flüchtlinge schlicht illegale Einwanderer auf Arbeitssuche. Es scheint, als setze Israel seinen Kurs in Sachen Asylpolitik unbeirrt fort. Letztes Jahr wurden 2.006 Asylsuchende ausgewiesen. 2014 sollen es noch mehr werden. Es gibt sogar Spekulationen über ein Geheimabkommen mit Uganda, das einen Großteil der Flüchtlinge gegen eine israelische Geldzahlung aufnehmen soll, das Gerücht wurde inzwischen jedoch von der ugandischen Regierung dementiert.
Was bleibt sind die Menschen. Denn unabhängig von Genfer Konvention, politischen Spitzfindigkeiten und diplomatischen Irritationen führen sie ein Leben in einer existentiellen Grauzone – ohne Heimat, ohne Asyl.