VON MAXIMILIAN REICHLIN | 16.01.2014 17:35

Sozialtourismus – Von neuen und alten Grenzen

Der umstrittene „Sozialtourismus“ geht in den letzten Wochen quer durch die Medien. Vor allem die CSU-Kampagne „Wer betrügt, fliegt“ gegen die Zuwanderung von unqualifizierten Arbeitskräften aus Bulgarien und Rumänien hat politisch für einiges Aufsehen gesorgt. Durch das Programm soll Migranten der Zugang zum deutschen Sozialhilfesystem künftig erschwert werden. An einem solchen Thema verbrennt man sich jedoch, gerade in Deutschland, schnell die Finger. Schon wird Seehofer und Co. rechte Meinungsmache und Populismus vorgeworfen. UNI.DE informiert über die Debatte.


Hintergrund der Diskussion: Zum neuen Jahr wurde der europäische Arbeitsmarkt für Bulgaren und Rumänen vollständig geöffnet. Migranten aus diesen Ländern können nun in EU-Staaten, auch ohne Arbeitserlaubnis, auf Jobsuche gehen, so auch in Deutschland. Alleine in Deutschland werden nun bis zu 180.000 Zuwanderer erwartet. Das Problem, das vor allem die CSU dahinter vermutet: Wer sich in Deutschland als arbeitssuchend meldet, hat, ebenso wie jeder deutsche Bürger, ein gewisses Anrecht auf die hiesige Sozialhilfe. Schon ist von Armutsmigration und Sozialtourismus die Rede.

Armut - Alltag in Deutschland

Kaum haben sich auf dem Arbeitsmarkt die Grenzen verflüchtigt, wird nun also wieder über ihre Schließung debattiert. Die CSU startete eine Kampagne, mit der Migranten der Zugang zur deutschen Sozialhilfe erschwert werden soll. Das erscheint grundsätzlich sinnvoll, auch wenn der Slogan der Kampagne, „Wer betrügt, fliegt“ einen leisen Hauch des altbekannten „Die klau'n unsere Jobs“ hat. Die Sorge jedoch, dass qualifizierte Kräfte aus dem Ausland auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen, ist verschwunden. Eine Umfrage der Infratest dimap ergab, dass mittlerweile 68 Prozent aller deutschen Staatsbürger der Meinung sind, dass die deutsche Wirtschaft auch ausländische Fachkräfte braucht, um erfolgreich zu bleiben. Mittlerweile beschränkt sich die Angst nur noch auf unqualifizierte „Sozialschmarotzer“.

Die Angst erscheint verständlich. Immerhin, wenn eine Welle von bulgarischen und rumänischen Einwanderern, die, so die Meinung der CSU, in Deutschland kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, Sozialhilfe beansprucht, muss dieser Mehraufwand finanziert werden. Bedeutet das weniger HartzIV für deutsche Empfänger? Oder eine Steuererhöhung? Die Antwort lautet: Jein. Die Bundesagentur für Arbeit konstatiert immerhin: „Sowohl die Arbeitslosenquote als auch die Zahl der Kindergeldempfänger unter den Bulgaren und Rumänen liegt unter dem deutschen Bevölkerungsdurchschnitt.“ Der BA-Vorstand Heinrich Alt sehe daher nur „punktuell Anzeichen für eine Armutszuwanderung.“

Auch die SPD warnt davor, das Thema zum Massenproblem aufzubauschen: „Wir haben es nicht mit einer flächendeckenden Herausforderung zu tun. Die Schwierigkeiten konzentrieren sich auf etwa ein Dutzend große Städte.“ Auf keinen Fall dürfe der Eindruck erweckt werden, dass alle Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien Armutszuwanderer oder Sozialbetrüger seien. Die CSU verteidigt indes ihre Kampagne und legt sich dafür sogar mit der EU-Kommission in Brüssel an. Diese dürfe „vor lauter Solidarität den europäischen Gedanken nicht überstrapazieren“ sagte der Vorsitzende der CSU-Gruppe im EU-Parlament Markus Ferber im Gespräch mit Spiegel Online. Dass der CSU für solche Aussagen rechter Stimmenfang vorgeworfen wird, kann zumindest Horst Seehofer nicht verstehen, das Gegenteil sei der Fall: Der „beste Schutz gegen rechtsradikale Dumpfbacken“ sei, „die Probleme zu lösen, auf denen diese Leute ihr Süppchen kochen“ sagte er im Gespräch mit der BILD-Zeitung.