VON ALEXANDER STIEHLE
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29.05.2012 15:37
Die Macht der Gene
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – Ein metaphorisches Sprichwort, dass zutreffender ist, als man erwartet. Schon im Biologieunterricht lernen Schüler, dass die Gene ihrer Eltern für ihr Äußeres verantwortlich sind. Doch können auch Charaktereigenschaften vererbt werden?
Jede Körperzelle eines gesunden Menschen besitzt 46 Chromosomen. 23 vom Vater und 23 von der Mutter. Das Chromosom setzt sich aus einem langen Aminosäurefaden zusammen, der in Form einer fein verdrillten Doppelhelix im Zellkern liegt. Was aus uns wird, bestimmen die Gene, Ungefähr 25.000 Gene befinden sich auf den Chromosomen. Sie agieren quasi als Schalt- und Steuerzentrale in unserem Körper und bestimmen unser Aussehen, unsere Stoffwechselvorgänge und sogar unser Verhalten.
Der entscheidende Unterschied: Persönlichkeit
was macht uns so einzigartig?
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Doch was wird vererbt und was wird im Laufe des Lebens erlernt? Über diese Frage wird in der Forschung schon seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Die Zwillingsforschung hat auf diesem Gebiet schon einige Erkenntnisse zu Tage gefördert: Untersucht wurden zum Beispiel Persönlichkeitsmerkmale von eineiigen Zwillingen, die getrennt voneinander aufgewachsen sind. Also waren sie auch verschiedenen Umweltfaktoren ausgesetzt, was sie ja auch unterschiedlich formen könnte. Allerdings entwickeln eineiige Zwillinge trotzdem sehr oft ähnliche Persönlichkeitsstrukturen und Vorlieben – ein Hinweis dafür, dass auch Charaktereigenschaften vererbt werden können.
So konnte erstmals belegt werden, dass es einen genetischen Hinweis auf Großzügigkeit gibt. In einem
Experiment konnten sich Teilnehmer entscheiden, wie sie untereinander 100 Dollar aufteilen. Wenn der „Geschäftspartner“ mit dem Deal einverstanden war, so konnten beide den jeweiligen Betrag behalten. Lehnte der Partner jedoch ab, so gingen beide leer aus. Gentests ergaben schließlich, dass jene, die über eine bestimmte Variante des Gens
AVPR1a verfügten, durchschnittlich 50 Prozent großzügiger waren.
Impulsivität, Ruhelosigkeit, Neugierde, Risikobereitschaft – weitere Eigenschaften, die in Zusammenhang mit einem Gen stehen: das
DRD4 – Gen. Dieses Gen enthält die Bauanleitung für die Rezeptoren im Gehirn, die den Botenstoff Dopamin aufnehmen. Dopamin sorgt im Gehirn für das Belohnungsgefühl. Eine bestimmte Variante dieses Gens sorgt dafür, dass die Rezeptoren nicht mehr so stark auf das Dopamin reagieren. Menschen die dieses mutierte Gen besitzen neigen zu extremeren Verhaltensweisen, um so die gleiche Intensität des Belohnungsgefühls erreichen zu können, wie andere mit weniger starken Anreizen.
Eine andere
Studie sorgte für ordentlich Zündstoff: Wissenschaftler des renommierten
Karolinska – Instituts in Stockholm haben untersucht, ob Homosexualität vererbbar sei. Das Ergebnis: Genetische Faktoren sind bei Männern zu 35 Prozent, bei Frauen zu 18 Prozent mitbestimmend. Den größten Einfluss haben Umweltfaktoren. Bei der Studie wurden 3800 schwedische Zwillingspaare im Alter von 20 bis 47 Jahren gefragt, ob und mit wie vielen gleichgeschlechtlichen Partnern sie sexuellen Kontakt hatten. Es gibt aber kein spezielles „Schwulen-Gen“. Allerdings könnte das Zusammenspiel mehrerer Abschnitte im Erbgut mit Homosexualität in Verbindung stehen.
Gene spielen sicherlich eine große Rolle, wenn es um die rein körperlichen Merkmale eines Menschen geht. Wenn die Mutter blondes, der Vater hingegen schwarzes Haar hat, ist die Wahrscheinlichkeit äußerst hoch, dass auch die Nachkommen schwarzes Haar haben, weil dieses Merkmal dominant ist. Bei den Charaktereigenschaften kann man nicht eine so klare Aussage treffen. Die Gene sorgen sicherlich für das Fundament, wie sich ein Mensch später entwickelt, aber Erziehung und andere Umwelteinflüsse haben auch einen großen Einfluss.