VON MAXIMILIAN REICHLIN | 26.10.2016 13:35

Atlantik-Brücke e.V. - Die böse Macht hinter dem deutschen Journalismus?

Der Verein Atlantik-Brücke ist ein Elitenetzwerk aus Vertreterinnen und Vertretern der Politik, Wirtschaft und der Medien. Oft und gerne werfen Verschwörungstheorien den Verein mit den sagenumwobenen Bilderberg-Konferenzen in einen Topf und werfen den Mitgliedern vor, ausschließlich amerikanische Interessen zu vertreten und einen gefährlichen Einfluss auf die deutsche Medienlandschaft zu haben. Ich wollte mich zu Beginn diesen oft undifferenzierten Anschuldigungen nicht anschließen, kann aber nicht verhehlen, dass ich im Laufe meiner Recherche skeptisch geworden bin, was die Atlantik-Brücke betrifft.


Um Geheimbünde, Logen oder dubiose Lobbys ranken sich viele Legenden, die meisten davon hanebüchen und nichts anderes als Verschwörungstheorien. Die Bilderberger-Konferenz ist zum Beispiel ein beliebtes Ziel der Kritik, ein jährliches Treffen der obersten 100, die hinter verschlossenen Türen (angeblich) die Zukunft der Weltpolitik und -wirtschaft planen. Über die Macht und den Einfluss solcher Gremien wird oft und gerne geschrieben, selten in ernstzunehmenden Magazinen, immer öfter dagegen in orthographisch fragwürdigen Blogeinträgen oder in Internet-Foren.

Die Geschichte der Atlantik-Brücke und einige Mitglieder

Auch der Verein Atlantik-Brücke befindet sich nicht selten im Zentrum wilder Theorien. Auf den ersten Blick unverständlich, hat das Netzwerk doch wenig mit den sagenumwobenen Bilderbergern gemein, deren Mitgliederlisten oft erst Jahre nach einem Treffen veröffentlicht werden. Vielmehr handelt es sich um einen eingetragenen Verein (Nr. 20196 B, Vereinsregister des Amtsgerichts Berlin Charlottenburg) mit einer Satzung, einem Vorstand und einem Jahresbericht nebst Mitgliederverzeichnis. 1952 in Berlin gegründet, hat die Atlantik-Brücke das Ziel, die deutsch-amerikanische Freundschaft zu pflegen und Beziehungen zwischen einflussreichen Vertretern aus Wirtschaft, Politik, Medien und Wissenschaft zu knüpfen. Rund 500 Mitglieder zählt der Verein aktuell.

Man ist um Transparenz bemüht, viele Namen sind bekannt: Bundeskanzlerin Angela Merkel ist ebenso Mitglied wie Jürgen Fitschen (Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank) oder Kai Diekmann (Chefredakteur der BILD), zusammen mit diversen anderen Politikern verschiedenster Parteien sowie Vertretern der Medien. Dass solche Kameraden in Verschwörungstheorien oft die Rollen der Bösewichte spielen ist nichts Neues. Ständig hört und liest man vom gewaltigen Einfluss der Atlantik-Brücke auf die Berichterstattung der deutschen Massenmedien. Hier werde Politik im Sinne der Elite betrieben, um die Interessen von USA und NATO in Deutschland durchzusetzen, die CIA habe die deutschen Journalistinnen und Journalisten im Sack.

Was mich an der Atlantik-Brücke stutzig macht

Als ich damit anfing, diesen Text zu schreiben, habe ich mich bemüht, mich nicht in dubiose Verschwörungstheorien verwickeln zu lassen, sondern stattdessen unvoreingenommen und sachlich über die Atlantik-Brücke zu berichten. Ich gebe gerne zu, ich bin da anfällig. Bis heute habe ich niemals einen Abstecher nach Bielefeld gemacht, aus Angst, was ich dort vorfinden (oder nicht vorfinden) könnte. Tatsächlich hat es mich aber dann stutzig gemacht, wie wenig verwertbares ich auf meiner Suche zu dem Thema gefunden habe.

Das Schlagwort „Atlantik-Brücke“ taucht kaum bei den großen Tageszeitungen auf, dagegen häufig in den erwähnten Blogs oder in kleinen online-basierten Magazinen. Man muss sich doch fragen, warum die großen Medienorganisationen und die Öffentlich-Rechtlichen (die alle in irgendeiner Form bei der Atlantik-Brücke vertreten sind) das Thema zu meiden scheinen, und es sogar versäumen zu erwähnen, dass der zukünftige Moderator der ARD-Tagesthemen Ingo Zamperoni ebenfalls Mitglied des Vereins ist. Eine solche Information ist für die Zuschauer doch interessant, wäre es doch zumindest denkbar, dass Zamperonis Mitgliedschaft seine Berichterstattung beeinflussen könnte.

Schreiben kann gefährlich sein. Über Gewalt gegen Journalisten in Deutschland

Werden deutsche Magazine von der Atlantik-Brücke gelenkt?

Leider kann man sich also, wenn man sich länger mit der Atlantik-Brücke befasst, einer gewissen Skepsis nicht erwehren, so sehr man sich auch dagegen sträubt, mit den „Aluhutträgern“ in einen Topf geworfen zu werden. Nehmen wir zum Beispiel den SPIEGEL. Mit der stellvertretenden Leiterin des Haupstadtbüros Christiane Hoffmann und dem SPIEGEL-Online-Redakteur Marc Hujer stellt das Nachrichtenmagazin gleich zwei Mitglieder für die Atlantik-Brücke.

Mit diesem Wissen im Hinterkopf ist es schwierig zu leugnen, dass die Nähe zur USA die journalistische Integrität des Magazins zumindest in Teilen untergraben hat, ist die Berichterstattung doch bekanntermaßen schnell damit bei der Hand, Amerikagegner in die populistische Ecke zu drängen. Da darf etwa ein Sebastian Fischer, ehemals USA-Korrespondent des SPIEGELS, den Deutschen bereits im Jahre 2014 einen „pubertären Komplex“ vorwerfen, weil sich laut ARD-Umfrage 49 Prozent der Befragten eine „mittlere Position“ Deutschlands in der Krim-Krise gewünscht hatten.

Diese Geschichte muss man sich dann doch auf der Zunge zergehen lassen: Die Hälfte (!) der Deutschen äußert sich kritisch zu Amerika, und anstatt als Journalist die Gründe dafür zu hinterfragen, warum das so sein könnte, muss sich die kritische Masse als „stur und bockig“ brandmarken lassen? Als „antiamerikanische Nische“? Eine solche Argumentation hatte ich eigentlich von der BILD erwartet, nicht von einem der renommiertesten Magazine Deutschlands.

Fazit: Vereinsmeierei oder Verschwörung – Man sollte kritisch bleiben

Ob man diese Beispiele nun als Beweis einer groß angelegten Verschwörung betrachten möchte, oder nicht – wenn Journalistinnen und Journalisten, Politikerinnen und Politiker, Mitglieder in Vereinen sind, die ein bestimmtes Interesse haben (sei es nun wirtschaftlicher oder politischer Natur) kann es tatsächlich schnell haarig werden, denn wer kann denn mit letzter Gewissheit sagen, wem die Loyalität des entsprechenden Mitglieds dient – dem Verein, der einem ein Netzwerk aus einflussreichen Persönlichkeiten zur Verfügung stellt und dem man möglicherweise eine steile Karriere verdankt (immerhin betreibt die Atlantik-Brücke mit „Young Leaders“ auch ein renommiertes Förderungsprogramm), oder dem journalistischen oder politischen Berufsethos?