VON MAXIMILIAN REICHLIN | 14.03.2013 11:03

Hat Stammzellenforschung in Europa eine Zukunft?

Die EU-Forschungskommission erwägt, in der Finanzperiode 2014 - 2020 Gelder für die verbrauchende Stammzellenforschung zur Verfügung zu stellen. Der vor allem ethisch sehr umstrittene Forschungszweig könnte dadurch einen Aufschwung erleben, nachdem er in der letzten Periode von der Förderung grundlegend ausgeklammert war. Was ist verbrauchende Stammzellenforschung und warum wird sie so heftig diskutiert?

Stammzellenforschung ist seit Jahren ein hitzig debattiertes Thema in der Forschung. Stammzellen, also menschliche Zellen, die beispielsweise Embryonen in einem sehr frühen Entwicklungsstadium entnommen werden, haben das Potenzial, sich auch außerhalb des lebenden Organismus zu jeder erdenklichen Art von Zelle zu entwickeln. Damit eröffnet die Forschung die Möglichkeit, gezielt Zellen zu kreieren, welche Patienten, die an gewissen Krankheiten leiden, fehlen – und diese Krankheiten damit zu heilen. Die Forscher denken vor allem an bisher unheilbare Krankheiten wie Parkinson, Krebs oder Querschnittslähmung.

Ethische Probleme der Forschung

Ethische Diskussionen verhindern allerdings die umfassende Forschung an und mit den menschlichen Stammzellen. Zurecht, finden viele Kritiker. Denn bei der Gewinnung der Zellen aus den Embryonen werden diese dabei vernichtet oder eben „verbraucht“, was in vielen Ländern der Europäischen Union gegen das Gesetz verstößt.

So zum Beispiel in Deutschland. Hier darf Stammzellenforschung lediglich an importierten Zellen durchgeführt werden. Und das auch nur, wenn diese vor dem so genannten "Stichtag", dem 1. Mai 2007 gewonnen wurden. Eine Regelung, die die Stammzellenforschung stark einschränkt. Doch nicht nur Deutschland ist in der Debatte strikt. Ähnliche Gesetze existieren in Polen, Italien oder Malta.

Naturwissenschaften

Es waren jedoch deutsche Politiker, die in der Debatte um die letzten Fördergelder der EU 2006 erwirkt hatten, dass die verbrauchende Stammzellenforschung gänzlich aus der Förderung auszuklammern sei – ein Paragraph, der im neuen Entwurf augenscheinlich fehlt. Stammzellenforscher in Ländern, in denen kein striktes Embryonenschutzgesetz existiert, könnten also künftig mit Geldern der Union rechnen.

Ein Rückschritt für die Forschung

Nichts desto Trotz steckt die Forschung noch in den Kinderschuhen. Bisher gab es keine nennenswerten Erfolge der Stammzellentherapien und auch bis zum breiten klinischen Einsatz ist es noch ein weiter Weg. Unter diesen Gesichtspunkten fordern Kritiker der Stammzellenforschung, etwa der Europaabgeordnete der CDU Peter Liese, die Forschung an den Zellen komplett aus der EU-Förderung auszuklammern.

Dies wäre ein herber Schlag für die europaweite Stammzellenforschung, nachdem der Europäische Gerichtshof im Oktober 2011 bereits die Patentierung von Stammzellen und der Methoden zu ihrer Gewinnung verbot, was es vor allem privaten Firmen und Einrichtungen erschwerte, ihre Forschung weiter lukrativ zu betreiben. Es ist daher fraglich, welche Mitteln von der EU-Kommission in Brüssel überhaupt für die Stammzellenforschung zur Verfügung gestellt werden und ob sie in Europa in Zukunft weiterhin im großen Stil betrieben werden kann und wird. Ein Schritt in die gewünschte Richtung könnte die Forschung an Stammzellen sein, zu deren Gewinnung keine Embryonen vernichtet werden müssen, wie sie etwa in Deutschland bereits gefördert wird.