VON SIVAN BERSHAN | 31.01.2012 16:29

Naturwissenschaften: Der Weg ist auch ein Ziel

Jährlich stehen 440.000 Schüler in Deutschland vor der Frage: „Was mach ich nach dem Abitur?“ Vor allem naturwissenschaftliche Fächer schrecken ab durch lange Ausbildung und harte Bedingungen in der Wissenschaft.

Ein naturwissenschaftliches Studium gilt als Direkteinstieg in die Forschung. Viele träumen nach dem Abitur von einer Universitätskarriere. Doch längst übersteigt die Nachfrage das Stellenangebot, was zu einer zunehmenden Zahl an Hochqualifizierten führt, die nach Ausscheiden aus der akademischen Laufbahn zunächst orientierungslos sind.

In der Tat stellt sich die Frage, was ein Abschluss in Physik, Chemie oder Biologie wert ist, wenn die Forschungskarriere scheitert. Ein naturwissenschaftliches Studium beinhaltet Grundlagen der Mathematik, Statistik, Physik, Chemie, Biologie und des wissenschaftlichen Arbeitens. Zwar sind diese Kenntnisse in den meisten Berufen nicht direkt von Belang, jedoch zeigen Absolventen damit ihre Fähigkeit, komplexe Inhalte anzugehen.

Häufig ist zu lesen, dass Studierende der Naturwissenschaften zu lange lernen. Der Bologna-Prozess hat hier zumindest das erste Studienintervall bis zum Bachelor verkürzt. Nach sechs Semestern sind Absolventen gezwungen, ihre Entscheidung grundsätzlich zu überdenken. Sind Zweifel an der Fachwahl oder dem Berufswunsch vorhanden, können sich die Studierenden im Master noch einmal neu orientieren.

Für diejenigen, die sich wiederholt für die Wissenschaftskarriere entscheiden, folgt nach dem Master die Promotion. Von jährlich etwa 100.000 naturwissenschaftlich/technischen Absolventen ist das bei über 50 % der Fall. Der große Bedarf an Doktorandenstellen wird durch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen gedeckt. Die Max-Planck-, Fraunhofer- oder Helmholtz-Institute bieten neben den Universitäten und Unternehmen eine dritte Alternative für Doktoranden. Geeignet für die durchschnittlich vierjährige Doktorarbeit sind stressresistente Kämpfernaturen, die sich nicht durch die langwierige und häufig ergebnisarme Forschung entmutigen lassen.

Mit erfolgreichem Abschluss dieser Phase nach durchschnittlich neun Jahren hat Chancen auf eine Juniorprofessur, wer neben starker fachlicher Beanspruchung und arbeitsreichem Alltag noch herausragende Netzwerkqualitäten beweist. Für die meisten endet hier jedoch der Traum von der Wissenschaftskarriere. Die Mehrheit steigt in Sekundärkarrieren ein, z.B. bei Fachverlägen, Pharmaunternehmen oder Unternehmensberatungen.

Obwohl auf den ersten Blick entmutigend, hält ein naturwissenschaftliches Studium viele Möglichkeiten bereit. Die Arbeitslosenquote bei Naturwissenschaftlern ist im Vergleich zu der von Akademikern allgemein sehr gering. Nahezu alle Absolventen der Naturwissenschaften kommen in der Wirtschaft unter. Arbeitgeber schätzen das selbständige Arbeiten, die Zielgerichtetheit und die intrinsische Motivation, die dieser Werdegang ein Stück weit voraussetzt. Generell sind also die Naturwissenschaften eine gute Wahl, wobei alternative Berufsinteressen im Hinterkopf behalten werden sollten.