VON SINEM S. | 04.04.2013 15:33

Spätabtreibung

Die meisten Eltern wünschen sich nur eines: Ihr Kind möge gesund und munter auf die Welt kommen und Schwangerschaft und Geburt komplikationslos verlaufen. Meistens ist dies auch der Fall, und alles geht gut. Doch was, wenn einem der Arzt eröffnet, das Kind habe eine Behinderung? Oder sei nicht lebensfähig? In solchen Fällen ist es erlaubt, das Kind auch nach der 14. Schwangerschaftswoche abzutreiben, doch nur, wenn das Austragen des Kindes das psychische und leibliche Wohl der Mutter gefährden könnte.

Es ist kein leichtes Thema, und doch stellt das Schicksal manche werdenden Eltern vor eine schier unüberwindbare Herausforderung: Ihr Kind hat eine Behinderung und es liegt in ihrer Hand, ob sie diese akzeptieren und lernen mit ihr zu leben oder ob sie sich für einen späten Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Bis zur 14. Schwangerschaftswoche muss keine medizinische Indikation vorliegen, ab diesem Zeitpunkt jedoch gilt nicht mehr nur die Beratungspflicht des Arztes, sondern es muss eine medizinische Indikation vorliegen, sprich, das Wohl der Mutter muss hierbei auf dem Spiel stehen. Fakt ist jedoch, dass die meisten Spätabtreibungen aufgrund der diagnostizierten Behinderung des noch ungeborenen Lebens eingeleitet werden. Gerade Krankheiten wie Trisomie 21 oder andere körperliche und geistige Einschränkungen lassen manchen Eltern die Bewältigung dieser Herausforderung unmöglich erscheinen.

Töten mit System

Eine Abtreibung nach der 22. Woche ist riskant, da das Kind theoretisch auch lebend zur Welt kommen kann und der Arzt dann für diesen „Kunstfehler“ haften muss. So geschehen in Oldenburg im Jahr 1997, als der kleine Junge namens Tim, der seine eigene Abtreibung überlebte, noch neun Stunden nackt im Kreissaal liegen gelassen wurde, da man ihn ohnehin nicht für lebensfähig hielt. Dennoch schaffte es der kleine Tim, auch nachdem sein Körper auf 28 Grad herunter gekühlt war, zu überleben, und kam in eine liebevolle Pflegefamilie, die ihn so annahm, wie er war. Ärzte, die Angst vor diesem unwahrscheinlichen, aber dennoch möglichen Fall haben, sichern sich oft auch ab, indem sie den Fötus bereits im Mutterleib mit einer Kalium-Chlorid-Spritze abtöten und dann erst die Wehen einleiten. Denn das Kind muss nach der 14. Woche in jedem Fall natürlich zur Welt gebracht werden, d.h. die Wehen werden mit für den Fötus toxischen Medikamenten erzeugt. Kein Arzt muss jedoch diesen Eingriff vornehmen, auch wenn eine medizinische Indikation vorliegt, meistens tagt ein sogenannter „Ethikrat“ im Krankenhaus über den eventuellen Eingriff.

Ob ein Leben mit einer Behinderung weniger lebenswert ist oder nicht, darüber entscheiden die Eltern, auch wenn diese Entscheidung von außen betrachtet vielleicht egoistisch erscheint. Dass ein Kind auch mit Trisomie 21, einem Gendefekt, dass die körperliche und geistige Entwicklung des Kindes beeinträchtigt, ein glückliches Leben führen kann, das zeigen viele Menschen mit dieser Behinderung. Anders sieht es aber aus, wenn man weiß, dass das Kind vielleicht sein kurzes Leben lang Schmerzen haben und sein Leben lang auf eine Intensivbetreuung angewiesen sein wird. Viele Eltern haben berechtigterweise Angst davor, was einmal mit dem Kind sein könnte, wenn sie nicht mehr da sind...