VON CLEMENS POKORNY
|
04.12.2012 17:35
Karl Valentin
Der größte Münchner Komiker ist weltberühmt. Doch diese Popularität wurde ihm und seiner kongenialen Partnerin Liesl Karlstadt erst postum zuteil.
Als im Jahr 2007 die mittlerweile aufgelöste Biermösl Blosn und Gerhard Polt den erstmals (anlässlich des 125. Geburtstags des Namenspatrons) verliehenen Großen Karl-Valentin-Preis entgegennahmen, kannte jeder den Münchner Komiker, der neben den Geehrten auch Bertolt Brecht, Samuel Beckett oder Loriot beeinflusst hat. „Sich wie Buchbinder Wanninger vorkommen“ gehört im gesamten süddeutschen Raum zum Sprachschatz – dieses geflügelte Wort nimmt auf einen Sketch des Humoristen Bezug, in dem er am Telephon minutenlang von einem Sachbearbeiter zum nächsten weitergereicht wird. Und schon seit 1959 gedenken die Münchner seiner in einer „Musäum“ genannten Einrichtung, die Interessantes und Kurioses rund um einen der bedeutendsten Söhne versammelt und zugleich heutigen Künstlern, die im Geiste Valetins schaffen, ein Podium bietet. Diese Popularität hätte sich Valentin selbst wohl kaum träumen lassen, war ihm doch zu Lebzeiten kaum Erfolg vergönnt.
Mulimedia
Der Karl-Valentin-Channel auf Youtube
[...]»
Der 1882 als Valentin Ludwig Fey Geborene absolvierte zunächst eine Schreiner- und Tischlerlehre, bevor er die elterliche Speditionsfirma übernahm und zunächst nur nebenbei kabarettistisch in Erscheinung trat. Ab Ende des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts konnte Karl Valentin seinen Lebensunterhalt als Humorist bestreiten. 1911 traf er Elisabeth Wellano, die als „
Liesl Karlstadt“ fortan seine kongeniale Bühnenpartnerin werden sollte. Auch privat führten die beiden, obschon jeweils mit anderen verheiratet, eine Beziehung. Die Zusammenarbeit mit seinem Freund Bertolt Brecht wirkte deutlich auf dessen späteres Schaffen aus.
Zwischen 1912 und 1929 drehten Karlstadt und Valentin rund 40 Kurzfilme, für die sich Valentin ein eigenes Studio hatte einrichten lassen. 1931 eröffnete er ein Theater, das er schon nach acht Wochen wegen eines Dissens mit den Behörden wieder schloss. Sein 1934 eröffnetes Skurrilitäten-
Panoptikum – ein Museum für Nonsens – wurde für ihn und Karlstadt, die ihm finanziell beisprang, zu einem Misserfolg, das beider gesamte Ersparnisse aufbrauchte. Karlstadt erlitt daraufhin einen Nervenzusammenbruch, unternahm einen Suizidversuch und konnte nie wieder eine der heiter-pragmatischen Rollen spielen, die sie in den fast 400 gemeinsam erarbeiteten Sketchen und Komödien so oft verkörpert hatte. Während sie jahrelang mit ihrer Psyche kämpfte, lernte Karl Valentin mit Annemarie Fischer eine neue, blutjunge Bühnenpartnerin kennen (und lieben). Kurz vor und nach Kriegsbeginn trat er wieder mit Karlstadt auf.
1948 starb Karl Valentin auf eine geradezu komische Weise: Nach einem Auftritt verließ er das Theater nicht schnell genug, wurde eingeschlossen und musste die Nacht in unbeheizten Räumen verbringen, was ihm eine tödliche Lungenentzündung eintrug. Die jüngere Karlstadt überlebte ihn um zwölf Jahre und wirkte noch in einigen nicht nur komödiantischen Filmen mit.
Der Humor Karl Valentins und Liesl Karlstadts lebt dagegen bis heute, wird aber erst ab den 1960er-Jahren von der Öffentlichkeit angemessen gewürdigt. Der „Wortzerklauberer“, wie der Kritiker
Alfred Kerr ihn einst bewundernd nannte, bestand darauf, „Semmelnknödeln“ zu buchstabieren, weil selbige ja aus mehreren Brötchen hergestellt würden. Das Scheitern der Figuren ist ferner ein häufiger Zug in den meist pessimistischen Sketchen von Karlstadt und Valentin, die neben Sprachwitz oft auch Situationskomik nutzen.
Valentins Hang zu Nonsens pflegt das „Valentin-Karlstadt-Musäum“ weiter, das – ganz im Sinne des 1934/1935 erfolglosen Panoptikums – skurrile Devotionalien wie den „Winterzahnstocher“ (einen mit einem Wattebausch gegen die Kälte beklebten Zahnstocher) verkauft. Schließlich beziehen Valentins Filme ihre Komik nicht zuletzt auch aus seiner hageren Figur. Weniger humorvoll tritt übrigens seine Erbin Anneliese Kühn auf, die in den letzten Jahren durch die
Abmahnung der Betreiber von Websites mit Valentin-Zitaten Schlagzeilen machte – deshalb muss UNI.DE auf die wörtliche Wiedergabe von Aphorismen des wohl größten Münchner Komödianten verzichten.