VON PHILLIPPINE SENSMEIER | 22.05.2012 09:40

Das Fähnlein im Wind: Gruppenzwang

Tun, was Andere tun und denken, was Andere denken – wir sind ständig auf der Suche nach einer Gruppe, der wir uns zugehörig fühlen. Die Menschen um uns herum bilden eine wichtige Komponente, wenn es darum geht Entscheidungen zu treffen. Dieses Verhalten wird dann zum Gruppenzwang, wenn wir eigentlich anders Handeln würden und uns doch mitreißen lassen. Doch muss das nicht immer negativ sein: Gruppenzwang schweißt uns zusammen.

Mit Freunden unterwegs, gab ich mich Dummheiten hin, die ich ohne sie niemals begangen hätte. Alkohol trinken, Rauchen, all die „coolen“ Dinge, die man so tut, wenn man halbwüchsig ist. Mir wurde schlecht und sich das Rauchen abzugewöhnen war auch nicht so leicht. Nichtsdestotrotz hatte ich ein gutes Gefühl – ich gehörte zu einer Gruppe, in der alle denselben Blödsinn taten. „Und wenn sie aus dem Fenster springen, springst du dann hinterher?“ Meine Mutter warnte mich vor dem Gruppenzwang. Sie wusste welche Folgen er nach sich zog. Doch Individualist zu sein bedeutet stark zu sein. Sich den Anderen zu widersetzen und auch Mal „Nein“ zu sagen erfordert Mut und Durchhaltevermögen. Gerade als Teenager ist man aber oft unsicher und sucht Bestätigung bei seinen Freunden.

Doch nicht nur Jugendliche fallen dem Gruppenzwang häufig zum Opfer. Auch Erwachsene sind den Entscheidungen der Gruppe oft unterworfen. Fondmanager beispielsweise, die sich nach Ihren Kollegen richten und Aktien nur kaufen und verkaufen, weil alle es tun. Oder Politiker, die sich der Mehrheit ihrer Partei anschließen, auch wenn sie eigentlich anderer Meinung sind. Man sollte jedoch nicht annehmen, dass der Entscheidungszwang der Gruppe nur negativ sei. Im Gegenteil: „Eine Gruppe kann ohne Normen nicht überleben“, erklärt Dieter Frey, Sozialpsychologe und Lehrstuhlinhaber an der LMU in München, „tanzen zu viele Menschen aus der Reihe, entsteht Chaos.“ Hinzu kommt das Prinzip der Anerkennung nach Axel Honneth, einem der bekanntesten Vertreter der Frankfurter Schule und Direktor des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt. Nur wer sich an die Regeln und Normen einer Gruppe hält, bekommt im Gegenzug Respekt, Liebe und Wertschätzung. Gruppenzwang ist also ein soziales Phänomen, das jeden betrifft, der in Interaktion mit seinen Mitmenschen tritt und das umso stärker wird, je größer das „Wir-Gefühl“ und der Zusammenhalt in einer Gruppe ist.

Persönlichkeit

Frey warnt jedoch vor der Macht des Gruppenzwangs. Das Diktat der Gemeinschaft kann uns einsperren und uns in die falsche Richtung driften lassen. Wer sein eigenes Urteilsvermögen unter das seiner Mitmenschen stellt, läuft Gefahr entscheidungsunfähig zu werden und seinem Bauchgefühl gar nicht mehr zu vertrauen. Außerdem muss die Wahl der Gruppe nicht immer die Richtige sein. Man sollte also abwägen, was einem in Entscheidungssituationen wichtiger ist: Das soziale Ansehen und der richtige Entschluss. Legt man sich für letzteres fest, sollte man sich einen Verbündeten suchen. Untersuchungen haben ergeben, dass das Selbstbewusstsein sich gegen den Rest der Gruppe aufzubäumen steigt, wenn man von einer Person Zuspruch erhält. Schafft man es dann, entgegen aller Meinungen, eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen, hat man sich aus dem Gruppenzwang befreit. Langfristig die wohl bessere Alternative. Vor allem, wenn es darum geht, ob man Raucher wird oder nicht.