VON LISI WASMER
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14.08.2013 16:06
Investigativer Journalismus – wer, wie und warum
Was haben Clark Kent, April O’Neil und Mikael Blomkvist gemeinsam? Zugegeben, die Zusammenstellung mag auf den ersten Blick etwas befremdlich wirken, aber was Superman, die Unterstützerin der Ninja Turtles und Stieg Larssons Vorzeigeschweden verbindet, liegt dennoch auf der Hand: Alle drei sind Journalisten. Alle drei decken Kriminalfälle auf. Investigativ, sozusagen. Sie stehen beispielhaft für hart arbeitende, mutige und unbestechliche Recherche-Journalisten weltweit. Aber wie sieht die Arbeit im investigativen Journalismus in der realen Welt aus? Warum ist er wichtig und wo kann man ihn finden? Und wer kann sich diesen Recherche-Journalismus eigentlich noch leisten?
Ein privater Fernsehsender, eine toupierte Moderatorin, eine reißerisch betitelte Reportage. Das scheint das zu sein, was vom investigativen Journalismus in Deutschland übrig geblieben ist. Meistens begeben sich Reporter mit versteckter Kamera auf waghalsige Missionen, um Missstände in Callcentern oder Hygienemängel in Imbissbuden aufzudecken. Das mag als Nachmittagsunterhaltung ganz nett sein, hat mit der Realität des investigativen oder auch Recherche-Journalismus leider nicht viel zu tun.
Das Medium ist die Botschaft und das "Global Village"
1968, als das Internet noch nicht mehr war als eine neue Kommunikationstechnologie in den Kinderschuhen und knapp 40 Jahre vor dem Erscheinen von Facebook, prägt Marshall McLuhan zwei Ausdrücke, für die sein Werk auch und gerade aus heutiger Sicht zum Grundstein der Medientheorie zählt
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Der Name ist Programm
Dabei würde man meinen, die Bezeichnung „Recherche-Journalismus“ sollte im Grunde selbsterklärend sein. Investigativer Journalismus ist nichts, was mit einer Handkamera und scheinbar brenzligen Situationen abgehandelt werden könnte. Er ist vielmehr vor allem eines: Recherche, Recherche und nochmal Recherche. Dass Journalisten bei ihren Nachforschungen nicht selten auf Widerstände treffen, liegt freilich in der Natur der Sache, ist es doch ihr „Ziel, Missstände in Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft aufzudecken“, wie es auf der
Website der Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) heißt. Wer etwas zu verheimlichen hat, lässt sich eben auch nicht gerne in die Karten schauen.
Ein viel größeres Problem als mangelnde Kooperationsbereitschaft der Verantwortlichen im Fokus eines investigativen Journalisten ist aber folgendes: Recherche-Journalismus ist teuer, gut fundierte Reportagen bedeuten einen erheblichen Aufwand an Arbeit und Zeit. Güter, die in heutigen Redaktionen – sei es beim Fernsehen oder bei der Zeitung – nicht in rauen Mengen vorhanden sind. Der Alltag sieht deshalb anders aus: Pressemitteilungen kommen per Fax, werden (hoffentlich) geprüft und schließlich übernommen. Der Tagesjournalist sucht sich seine Themen nicht mehr. Sie kommen zu ihm. Überspitzt könnte man sagen, der investigative Journalismus würde geradezu totgespart.
Die Unbestechlichen
Geld kann aber auch in einer anderen Hinsicht problematisch für die Kultur der investigativen Journalistik sein. Denn neben Fleiß, Hartnäckigkeit und Erfindungsreichtum ist gerade eine Eigenschaft unabdingbar für die ethische Arbeitsweise der Reporter: Korruptionsfreiheit. Wer sich in Form von Geschenken, Vergünstigungen oder etwa der Finanzierung kostspieliger Pressereisen in Abhängigkeiten von Unternehmen begibt, dem fällt eine neutrale Beurteilung und Berichterstattung vermutlich schwer. So zitiert der Verein „Netzwerk Recherche“ in einer
Kurzstudie etwa den Kodex des Deutschen Presserats: „Die Annahme von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die Entscheidungsfreiheit [...] zu beeinträchtigen, sind mit dem Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse unvereinbar.“ Sowohl Ressourcenknappheit als auch mangelnde Integrität unterwandern also den Recherche-Journalismus in seiner Funktion als vierte Säule der Gesellschaft im Sinne eines Machtkontrollinstruments.
Das Comeback
So stiefmütterlich investigativer Journalismus in vielen Redaktionen auch behandelt werden mag – die Qualitätsjournalistik scheint sich doch ihren Weg zurück in den redaktionellen Alltag zu kämpfen. Gerade Vereinen wie dem eben erwähnten „Netzwerk Recherche“ ist es zu verdanken, dass die wissenschaftliche Aufbereitung des Themas in Deutschland in den jüngeren Jahren Fuß fassen konnte. So steigt die Anzahl themenrelevanter Publikationen, eine Debatte über die notwendigen strukturellen und ethischen Rahmenbedingungen für qualitativen Journalismus kommt in Gang.
Ebenfalls ein positives Zeichen setzt die
Otto-Brenner-Stiftung, die seit 2005 jährlich einen mit insgesamt 47.000 Euro dotierten Journalistenpreis unter dem Motto „Kritischer Journalismus – Gründliche Recherche statt bestellter Wahrheiten“ verleiht. Die Tendenz ist also durchaus als positiv zu bezeichnen. Tatsächlicher Recherche-Journalismus gewinnt wieder an Achtung und somit hoffentlich auch an Unterstützung - damit nicht alles als
investigativ gilt, was mit ernster Miene und bedeutungsschwangeren Worten als solches verkauft wird.