von Van Lina Huynh | 07.09.2016 10:04

Ausschlafen und trotzdem pünktlich zum Unterrichtsbeginn – Das Gleitzeit-Modell an Schulen

Wer würde nicht morgens alles dafür geben, um nur ein bisschen länger im Bett liegen bleiben zu dürfen, bevor es los geht zur Mathestunde? Denn meistens reichen in der Früh nur 15 Minuten länger Schlaf aus, um eine bessere Aufnahme- und Leistungsfähigkeit im Unterricht zu zeigen. Auf diesem Hintergrund verfolgt ein Gymnasium bei Aachen in Nordrhein-Westfalen das Gleitzeit-Modell für ihre Schüler und Schülerinnen. Diese dürfen nun selber entscheiden, wann sie morgens den Weg zur Schule antreten. Doch ist dieses Modell auch ein Modell für die Zukunft? Der Direktor des Gymnasiums ist überzeugt: Ja ist es!


Unmotivierte und müde Jugendliche im morgendlichen Unterricht gibt es nicht selten. Das Gymnasium Alsdorf bei Aachen will als erste deutsche Schule diesem Problem ein Ende setzen. Für 115 der insgesamt 250 Schüler und Schülerinnen der Oberstufe wird der Traum jedes Langschläfers wahr. Sie haben die Möglichkeit selbst entscheiden zu dürfen, ob sie die erste Unterrichtsstunde besuchen oder doch lieber länger schlafen und erst zur zweiten Stunde den Weg antreten. Einige führen ein Tagebuch und 45 haben sich sogar bereit erklärt einen kleinen Computer am Handgelenk zu tragen. Dieser misst den Schlaf-Wach-Rhythmus der Teenager anhand von Faktoren wie Lichtintensität oder Nacht- und Tagaktivitäten.

All dies findet im Rahmen einer Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München statt, die herausfinden will, ob das Gleitzeit-Modell hinsichtlich der schulischen Leistungen positive oder negative Auswirkungen mit sich bringt. Die Studie beruht auf dem Dalton-Plan, dessen Schlüsselbegriffe Selbstständigkeit, Verantwortung und Freiheit sind.

Die Basis: Der Dalton Plan

Die amerikanische Reformpädagogin Helen Parkhurst entwickelte Anfang des 20. Jahrhunderts den Dalton-Plan. Sie war selbst Grundschullehrerin und weiß, wie man man den größtmöglichen Lernerfolg bei seinen Lernenden erzielt.

Regulär hat jeder Jugendliche 34 Schulstunden zu absolvieren. Am Gymnasium Alsdorf sind es nur 24 Stunden und die restlichen Stunden sind die sogenannten "Dalton-Stunden". Diese werden von ihnen frei gestaltet. Sie selbst dürfen entscheiden, mit welchem Fach sie sich wie lange beschäftigen und vor allem ist es ihnen ganz allein überlassen, ob sie sich überhaupt mit Schulmaterial auseinandersetzen. Auch die Lehrkräfte, die zu Zeiten der Freiarbeitsstunden in Räumen für Fragen zur Verfügung stehen, können selbst gewählt werden. Es werden jedoch Lehrpläne verteilt, in denen festgeschrieben ist, wann welcher Lernstoff zu beenden sein sollte. Am Ende sind folglich alle Lernenden für ihr Lernverhalten selbst verantwortlich, wenn es darum geht, wie gut sie den Lernstoff verstanden haben und in der abschließenden Klausur abschneiden.

Viele erarbeiten in den Freistunden ihre Aufgaben auch in Gruppen. Dies gibt den Jugendlichen ein Gemeinschaftsgefühl und die Motivation steigt, etwas lernen zu wollen. Denn es kommt zum Meinungsaustausch und jedem wird geholfen, wenn ein Thema einem mal nicht so liegt.

Lehramt – Beruf mit Zukunft?

Diese Freiarbeitsstunden sind kaum aus dem Gleitzeit-Modell heraus zu denken, schließlich bieten sie den Lernenden den Freiraum, sich selbst zu entfalten, geben ihnen die Möglichkeit, Eigenverantwortung zu übernehmen und dem individuellen Lerntempo und Lernstil zu entsprechen. So können die einen bestimmte Lerninhalte schneller in Gruppen verstehen und die anderen verinnerlichen das Thema dann doch besser, wenn sie alleine für sich arbeiten. Die Dalton-Stunden ermöglichen ihnen letztendlich auch, ihr persönliches Lernverhalten selbst herauszufinden.

Ein Modell für die Zukunft?

Studien haben gezeigt, dass das Lern- und Aufnahmevermögen von Jugendlichen am frühen Morgen deutlich schlechter ist als im späteren Verlauf des Schultages. Während der Pubertät verschiebt sich die biologische Uhr drastisch. Das Schlafhormon Melatonin wird am Abend erst viel später ausgeschüttet, man schläft somit erst viel später ein und ist am Morgen auch erst später ideal aufnahmefähig. Sträubt man sich sein ganzes Leben lang gegen seinen biologisch natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus, so kann es zu chronischen Erkrankungen kommen.

Auch für die Persönlichkeitsentwicklung der Jugendlichen erscheint das Gleitzeit-Modell sehr positiv. Sie könnten damit schon früh lernen, eigenständig und eigenverantwortlich zu handeln und damit auch leichter den individuellen Charakter entwickeln. Des Weiteren werden die Schülerinnen und Schüler auf das spätere Berufsleben vorbereitet, in dem sie unter Umständen auch selbst entscheiden müssen bzw. dürfen, wann sie welche Aufgaben zu bewältigen haben.