VON JULIA ZETZ | 31.03.2014 18:20

Durch fremde Gehirne

Manchmal verstehe ich meine Mitmenschen einfach nicht. Ich verstehe nicht, warum sie so derart langsam mit dem Auto unterwegs sind, ich verstehe nicht, warum sie mitten im Weg stehen bleiben und sehr häufig verstehe ich ihre Entscheidungen nicht. Ich gebe mir sehr viel Mühe, ich will verstehen, was andere Menschen zu ihrem Handeln und ihren Entscheidungen bewegt. Doch es gelingt mir nicht immer. Ich versuche mich in den anderen hinein zu versetzen, mir vorzustellen, was gerade in ihm vorgeht. Meine Phantasie geht dann auf eine etwas befremdliche Reise durch fremde Gehirne. Die Fragen, die ich mir dabei immer stellen muss lauten: Muss ich überhaupt lernen andere Menschen zu verstehen? Reicht es nicht, das Handeln einfach nur zu akzeptieren?


Meine Mutter sagte immer zu mir, wenn ich einen Menschen und sein Handeln nicht verstehe, dann soll ich versuchen mich in ihn hinein zu versetzen. Das ist leichter gesagt als getan, zumindest wenn man erwachsen ist. Als Kind weiß man oft gar nicht, was es bedeutet, das Verhalten anderer Menschen verstehen zu lernen.

Sag mir, was du hörst und ich sag dir, wer du bist

Empathie durch Phantasie?

Dass unsere Phantasie im Laufe der Jahre der Wirklichkeit weichen muss, ist nichts Neues. Aber könnten wir mit mehr Phantasie auch eine bessere Empathie für unsere Mitmenschen entwickeln? Wenn ich mir bis heute meine kindliche Phantasie erhalten hätte, könnte ich mir dann vorstellen, dass der Grund für das Dahinschleichen eines Autofahrers persönlicher Natur ist? Vielleicht hat er gerade die Nachricht bekommen, dass er Vater wird oder dass sie schwanger ist? Vielleicht hat er oder sie auch Schwierigkeiten im Job und ist in seinen oder ihren Gedanken versunken? Alle diese Annahmen erfordern eine Menge Phantasie. Nicht etwa weil hier aus gewöhnlichen Menschen in meiner Phantasie Helden werden, sondern weil durch die nötige Vorstellungskraft eine gewisse Form der Empathie entstehen kann.

Warum sollte ich mir überhaupt Gedanken darum machen, was in anderen Menschen vorgeht? Ganz einfach, weil ich kein Stein auf zwei Beinen werden möchte. Wem die Gefühle anderer Menschen egal sind, der wird sich irgendwann auch keine Gedanken mehr über seine eigenen Gefühle machen. Diesen Strick könnte ich nun immer weiter drehen, aber das ist gar nicht nötig. Wer also nur ein bisschen Zeit für die Belange seiner Mitmenschen aufbringt, der wird mit ein bisschen Phantasie in ganz neue Welten eintauchen können.