VON NORA GRAF | 27.11.2016 11:51

Sin City: Die Stadt als Umweltsünder

Insbesondere dort, wo viel Verkehr herrscht, große Industriegebiete vorhanden sind und viele Menschen wohnen, kommt es logischerweise auch zu mehr Luftverschmutzung und einer erhöhten Belastung für die Umwelt. Es sind vor allem Städte, die sehr stark zu dem schädlichen Treibhausgasausstoß beitragen und somit auch die Verantwortlichen, die dem weltweiten Klimawandel durch gezielte Maßnahmen entgegenwirken müssen, indem sie ihre immensen CO2-Emissionen verringern. Das Ziel vieler Umweltschutzpläne ist daher die klimaneutrale Stadt.



Denn Großstädte stoßen zum Teil so viel Emissionen aus, wie es sonst ganze Länder tun: Berlin kam im Jahr 2010 auf 21,3 Millionen Tonnen CO2-Emissionen, was etwa der Gesamtmenge Kroatiens entspricht. Oder London: Die englische Hauptstadt emittiert ungefähr so viel wie ganz Irland. New Yorks Ausstoß entspricht etwa dem von ganz Bangladesch. Klimaneutrale Konzepte sind daher von großer Bedeutung und viele Städte haben ihre Verantwortung angenommen und zu handeln begonnen.

Was bedeutet klimaneutral?

Klimaneutral ist eine Stadt dann, wenn sie einen Ausstoß von Treibhausgasen erzeugt, der das Weltklima unter der schädlichen Schwelle einer Erderwärmung von 2 Grad halten kann, auch wenn die Weltbevölkerung im Jahr 2050 auf die prognostizierten 9 Milliarden anwächst. Es sind somit alle Prozesse gemeint, die keine Treibhausgase ausstoßen oder deren Emissionen vollständig kompensiert werden können und damit keine klimaschädliche Wirkung besitzen.

Oslo und Kopenhagen als Vorreiter im Klimaschutz

Während sich etwa New York vorgenommen hat, seine Emissionen bis 2030 um 30% zu reduzieren oder Berlin bis 2050 um 85%, so gibt es weit ambitioniertere Städte. Oslo zum Beispiel möchte den CO2-Ausstoß in den kommenden vier Jahren um 50% reduzieren. Dafür hat Norwegens Hauptstadt klare Vorgaben aufgestellt und konkrete Maßnahmen festgesetzt. Im Jahr 2015 beschloss das links-regierte Stadtparlament, dass innerhalb von vier Jahren alle Autos mit Verbrennungsmotor nicht mehr ins Zentrum fahren dürfen. Überdies ist eine Maut geplant für die Fahrt in die Innenstadt und Parkplätze sollen gestrichen werden. Dafür sollen die Fahrradwege ausgebaut und die Stadtbusse mit Elektromotoren ausgestattet werden. Außerdem sollen Öl-Heizungen in Wohnungen und Büros nach und nach ersetzt werden. Vizebürgermeister Robert Steen plant: „Wir kalkulieren mit CO2 künftig wie heute mit unseren Finanzen.“ und verfolgt damit für viele einen der konsequentesten Ansätze, um den Klimawandel zu bekämpfen.

Aber auch Kopenhagen spielt ganz weit vorne mit beim Klimaschutz. Die dänische Hauptstadt plant bis zum Jahr 2025 klimaneutral zu sein und somit immer weniger Kohlendioxid auszustoßen beziehungsweise nur mehr so viel wie es durch Technik oder Grünflächen ausgleichen kann. Überdies soll die Hauptstadt dadurch mehr grüne Energie produzieren, dass auch das Umland versorgt werden kann und damit wäre die Energiebilanz positiv. Vor allem bei der Energieversorgung, beim Energieverbrauch von Gebäuden und beim Verkehr muss sich einiges ändern, um die Klimaneutralität zu realisieren. Die Städte müssen vermehrt die Erdwärme für die Heizung, Biomasse-Kraftwerke und Windanlagen für die Stromproduktion nutzen. Es müssen mehr Grünanlagen vorhanden sein, Fahrradwege, die Elektromobilität und der öffentliche Nahverkehr müssen gefördert werden.

Public Health

Wie sieht es in der deutschen Hauptstadt aus?

Auch in Deutschland reagieren Städte auf die Gefahren des Klimawandels. Es lässt sich schon einiges lernen von den nordischen Städten. Da es aber in Deutschland leider weniger Geothermie gibt, die effektiv genutzt werden kann, müssen sich deutsche Städte stärker auf Solar-, Biomasse und Windenergie stützen. Berlin zum Beispiel hat 2014 eine Machbarkeisstudie vorgestellt. Darin wurde untersucht, ob und wie sich die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 erheblich reduzieren lassen und welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen. Dabei untersuchte ein wissenschaftliches Konsortium verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Die zentralen Handlungsfelder waren: Energieversorgung, Gebäude und Stadtentwicklung, Wirtschaft, Private Haushalte und Konsum sowie Verkehr. Das Ergebnis der Studie ist, dass auf unterschiedlichen Wegen Klimaneutralität geschaffen werden kann, die zu einer signifikanten Verringerung des CO2-Ausstoßes führen. Besonders bei der Energieversorgung bestehen die größten Einsparpotenziale des Kohlendioxidausstoßes. Ein zentrales Leitprojekt stellt etwa der „Masterplan Solarhauptstadt Berlin“ dar, denn gerade bei der Solarenergie bestehen hervorragende Möglichkeiten, umweltfreundliche und erneuerbare Energie zu erzeugen, sogar so viel, dass Überschüsse erzielt werden können und Berlin, zumindest im Sommer, Strom exportieren kann.

Soweit die Studie. Bleibt nur zu hoffen, dass Umweltschutz vor allem in Politik und Wirtschaft, aber auch bei den Bürgern auf den Prioritätenlisten nach oben rückt und effektive Maßnahmen und Strategien gegen den Klimawandel realisiert werden. Denn nur so kann Klimaneutralität, im besten Fall nach dänischem bzw. norwegischem Vorbild schon vor dem Jahr 2050, erreicht werden.