VON CLEMENS POKORNY | 05.09.2016 00:01

Public Health: Weltweite Herausforderungen für die Gesundheit studieren

Von einem Medizinstudium träumen viele junge Menschen, doch nur wenige von ihnen ergattern einen Studienplatz. Eine möglicherweise gute Alternative ist das Studium der Public Health. Dieses in Deutschland recht junge Fach beschäftigt sich mit den Zusammenhängen zwischen Gesundheit und Krankheit in der Bevölkerung einerseits und den vielen Faktoren, die darauf Einfluss nehmen, andererseits.

Zika, Vogelgrippe, Krebs und Aids: Viele Krankheiten plagen Tausende bis Millionen Menschen auch im 21. Jahrhundert mit seinen erheblichen medizinischen Fortschritten. Sie haben oft menschengemachte Ursachen wie Lärm, Stress, Bewegungsmangel und Umweltverschmutzung. Die Humanmedizin setzt am Einzelnen an, um solche Leiden zu bekämpfen. „Public Health“, Bevölkerungsgesundheit, geht weiter: Sie will mit einem ganzheitlichen Ansatz die Ursachen für das massenhafte Auftreten von Erkrankungen aufspüren und zurückdrängen.

Weil Public Health die geistigen, körperlichen, seelischen und sozialen Bedingungen von Gesundheit und Krankheit und deren Wechselwirkungen untersucht, vereinigt sie verschiedene Fachgebiete: (1) Epidemiologie, also die Lehre von massenhaft, aber lokal begrenzt auftretenden Krankheiten; die historische Epidemiologie ist wesentlicher Vorläufer der Public Health. (2) Sozialmedizin, also der Zusammenhang von gesellschaftlichen Lebensbedingungen und Gesundheitszustand; beispielhafte Forschungsfrage: Wie hängen Armut und gesundheitliche Risiken zusammen? (3) Prävention oder: Welche vorbeugenden Maßnahmen sollten zum Beispiel in Lebensmittelrecht und Straßenverkehr getroffen werden, um Krankheiten und Unfällen vorzubeugen? (4) Gesundheitsförderung: Welche genetischen, klinischen, umweltbedingten, sozialen, strukturellen und vor allem mit dem Verhalten zusammenhängen Faktoren begünstigen das Auftreten sogenannter Zivilisationskrankheiten – und wie lässt sich ihnen entgegentreten? (5) Erforschung von Gesundheitsversorgung und Gesundheitssystemen im Hinblick auf Wirksamkeit und Effizienz. Neben diesen Medizinbereichen greift man in Public Health auch auf Sozialwissenschaften, Psychologie, Ökonomie, Rechtswissenschaften und Statistik zurück.

Ein angesichts seiner Vielfalt und Interdisziplinarität anspruchsvolles Fach! Leider ist Public Health an deutschen Universitäten kaum etabliert. Das hat vor allem historische Gründe: Die Nazis drückten dem deutschen Gesundheitswesen ihren menschenverachtenden Stempel auf, sodass es noch mehrere Jahrzehnte nach Ende der NS-Herrschaft nicht auf dem Niveau vergleichbar entwickelter Staaten war – Public Health wurde in Deutschland bis in die 1980er-Jahre überhaupt nicht systematisch betrieben.

Heute kann man Public Health in Berlin und Bremen studieren – sowie in Bielefeld, wo 1993 eine eigene, mittlerweile wieder aufgelöste Fakultät für Gesundheitswissenschaften gegründet wurde. An der Universität Bielefeld gibt es einen Bachelor-Studiengang „Health Communication“ sowie ein Masterstudium „Public Health“. Während im Bachelor u.a. die Schwerpunkte „Epidemiologie, Demografie und Statistik“ und „Gesundheitsbildung, -beratung und management“ gesetzt werden, behandelt der Masterstudiengang die Materie mit mehr Blick in die Tiefe, in die Zukunft der Bevölkerungsgesundheit sowie stärker forschungsorientiert. In beiden Studiengängen gibt es nur ein begrenztes Platzangebot; der NC im Bachelor lag im letzten Wintersemester bei 1,9.

Wie wichtig ist berufliches Networking?

Einen ungewöhnlichen Master bietet die Universität Freiburg ab dem kommenden Wintersemester an. Schon sein Name „Global Urban Health“ verrät, dass hier die besonders ungesunden, aber wachsenden Städte und ihre weltweite Situation – also nicht nur im reichen Deutschland – im wissenschaftlichen Fokus liegen. Der englischsprachige Studiengang setzt ein abgeschlossenes Studium in Public Health oder einer verwandten Disziplin, z.B. Medizin oder Soziologie, voraus. Vier zentrale Felder werden in dem einjährigen Vollzeitstudium behandelt: Forschungswerkzeuge, Gesundheitsuntersuchungen und -management, Umgang mit negativen Umwelteinflüssen sowie Soziale Herausforderungen. Nach zwei Semestern hat man somit viele Kenntnisse und Fertigkeiten zu globalen, vor allem städtischen Krankheiten und ihrer Bekämpfung, aber auch 12.000 Euro weniger in der Tasche – denn so viel kostet der Weiterbildungsstudiengang.

Dafür ist man für Tätigkeiten in der Forschung oder im Gesundheitsmanagement, in Behörden, Nichtregierungs- sowie internationalen Organisationen wie WHO, Weltbank und UNEP bestens gerüstet. Insbesondere Studieninteressierte, deren Noten für ein Medizinstudium nicht ausreichen und die auf einen Studienplatz nicht lange warten wollen, könnten in den verschiedenen Studienangeboten zur Public Health eine gute Alternative finden. Noch ist das Studium allerdings – mit der Ausnahme Freiburg – nur in Norddeutschland möglich.