VON LISI WASMER | 01.10.2013 13:48

Die "ersten" Amerikaner – Indianer in den USA

Wer an die Ureinwohner Nordamerikas denkt, dem kommen vermutlich schnell Bilder von Männern mit Lendenschurz, Federschmuck und Tomahawk in den Kopf. Von Häuptlingen, die dem Feuerwasser verfallen und in ihren Tipis Friedenspfeifen mit dem weißen Mann rauchen. Indianerliteratur wie die von Karl May zeichnet ein romantisch-verklärtes Abbild der weit über hundert indigenen Stämme des Kontinents. Aber die Spuren, welche die Entdeckung Amerikas im 15. Jahrhundert und die anschließende Kolonialisierung durch die Europäer mit sich brachten, sind auch heute noch deutlich wahrnehmbar. Wie haben sie sich entwickelt? Und wie leben US-Indianer heute?


Über 500 Jahre ist es her, dass der italienische Seefahrer Christoph Columbus unter spanischer Flagge den amerikanischen Kontinent „entdeckte“. Zwar waren ihm die Isländer damit längst zuvorgekommen, aber erst nach seiner Reise nahm die Kolonialisierung durch Europa ihren Lauf. Von wo aus die Ureinwohner selbst das Land besiedelten, ist bis heute nicht eindeutig erforscht, im Gegensatz zum Vorrücken der Kolonisten ab dem frühen 17. Jahrhundert.

"We the People"

Krankheit, Krieg, Vertreibung

Von Anfang an bedeuteten die europäischen Neuankömmlinge nichts Gutes für die Indianer. Erst kamen die Pocken, gegen die die Ureinwohner nicht immun waren und die binnen weniger Jahre die indigene Bevölkerung um ihren Löwenanteil dezimierte. „Historiker schätzen, dass innerhalb weniger Jahrzehnte bis zu 80 Prozent der gesamten Urbevölkerung Nordamerikas an Krankheiten starb, die von den Europäern eingeführt worden waren“, heißt es auf der Info-Website America.net. Wer ihren Krankheiten entkam, der konnte ihre Waffen fürchten. Vor allem während des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs gegen die Briten kam es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Ureinwohnern und Siedlern.

Die Zahl der Indianer schrumpfte, die der Neuankömmlinge nahm stetig zu. Bald stellte sich ein Platzproblem ein, die Ureinwohner wurden um ihr Land gebracht und sukzessiv in Richtung des noch nicht erschlossenen Westens gedrängt. Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, die Enteignung und Vertreibung ganzer Stämme, sogar Versklavung prägten das 18. Und 19. Jahrhundert. 1924 dann ein Lichtblick: Die Indianer erhielten das Recht auf amerikanische Staatsbürgerschaft. America.net schätzt die Zahl der in den USA lebenden Ureinwohner auf drei Millionen, wobei das Gros in unabhängigen Reservaten lebe.

Der Indianer von heute

Es ist ein Irrtum anzunehmen, alle Indianer seien gleich. Tatsächlich unterscheiden sich die 562 offiziell anerkannten Stämme stark untereinander sowohl hinsichtlich Kultur und Sprache als auch bezüglich ihrer Gesellschaftsstruktur. Was fast allen in Reservaten lebenden Ureinwohnern aber gemein ist, ist die Armut. Der Verein zur Unterstützung nordamerikanischer Indianer schreibt vom Pine Ridge Reservat in Süd-Dakota, sie sei die „ärmste Gemeinde auf dem Gebiet der USA. […] Rund 60 Prozent aller indigenen Bewohner auf Pine Ridge leben unterhalb der vom Staat festgesetzten offiziellen Armutsgrenze“. In anderen Reservaten ist die Lage ähnlich. Hinzu kommen die immens hohe Arbeitslosenrate sowie der Verfall der stammeseigenen Kultur durch die Amerikanisierung. Die Perspektiven in den Reservaten sind spärlich gesät.

Schlecht stehen auch die Chancen für eine gute Ausbildung oder einen einträglichen Beruf. Die indianischen Kinder haben häufig einen komplizierten familiären Hintergrund oder kommen aus finanziell benachteiligten Verhältnissen. Mit Wildwest-Romantik hat die Lage der Indianer in den USA wenig zu tun. Eine Konsequenz ihrer Situation ist beispielweise die hohe Rate an Schulabbrechern, mit der Einrichtungen in Ureinwohnergemeinden zu kämpfen haben. Schön, wenn es Leute gibt, die hier mit guten Ideen gegenarbeiten. Leute wie Clyde McBride, einem Lehrer in Arizona, der indianische Kinder in einem von ihm eigens dafür initiierten Landwirtschafts- und Veterinärzentrum zu tierärztlichen Helfern und Technikern ausbildet. Für eine faire Chance im Leben, für eine Perspektive. Und für Unabhängigkeit.