VON MAXIMILIAN REICHLIN | 30.04.2014 17:48

Das tödliche Geschäft mit dem Berg – Sherpas auf dem Mount Everest

Erst im April sind bei einer Tour auf den Mount Everest 16 Menschen tödlich verunglückt, allesamt Angehörige des Volkes der Sherpa, die ihren Lebensunterhalt vor allem als Bergführer verdienen. Nun sollen keine weiteren Führungen auf den Mount Everest mehr durchgeführt werden. Die Sherpa haben Forderungen an die nepalesische Regierung gestellt, die mit finanzieller Unterstützung reagiert. UNI.DE über das Unglück und das Volk der Sherpa.

Die verunglückte Bergführergruppe war am 18. April auf einer Höhe von 5800 Metern von einer Lawine erfasst worden. Nur neun der Sherpas überlebten, 13 weitere wurden tot geborgen. Am darauffolgenden Sonntag wurde dann die Suche nach drei bis dahin noch vermissten Bergführern eingestellt. Die Sherpa reagierten auf dieses Unglück nun mit der Ankündigung, vorerst keine Touren mehr auf den Mount Everest zu unternehmen. Und das obwohl das Geschäft mit dem Berg eine der wichtigsten Geldquellen des Landes darstellt.

Glück als Staatsziel

Nepal gehört zu den ärmsten Regionen der Welt. Fast 40 Prozent der Einwohner lebt unterhalb der Armutsgrenze. Der Grund: Das Land hat kaum einträgliche Exportgüter. Das größte Kapital des Landes ist der Tourismus. Viele Sherpas verdienen ihren Lebensunterhalt mit den geführten Touren auf den Mount Everest. Für eine solche Führung bezahlen Touristen und Bergsteiger manchmal bis zu 40.000 Euro. So kann ein erfahrener Sherpa etwa 1000 Euro im Monat verdienen, fast doppelt so viel, wie andere Nepalesen im ganzen Jahr verdienen. Ein Teil der Einnahmen fließt in die Versicherung und die Krankenversorgung. Das ist auch nötig, denn die Arbeit als Bergführer auf dem Mount Everest birgt, wie das jüngste Unglück beweist, einige Gefahren.

Seit der Erstbesteigung des höchsten Berges der Welt durch den Neuseeländer Edmund Hillary und den Sherpa Tenzing Norgay 1953, sind bereits mehr als 300 Menschen auf dem Mount Everest tödlich verunglückt, die meisten davon waren Angehörige der Sherpa. Um die Toten, und vor allem die drei immer noch nicht gefundenen Sherpas zu ehren, haben die Bergführer nun den Boykott ausgerufen. „Für viele von uns ist es unmöglich, weiter zu klettern. So lange drei unserer Freunde im Schnee begraben liegen, kann ich mir nicht vorstellen, über sie hinwegzugehen“ sagte beispielsweise der Bergführer Dorje im Everest-Basislager. Es wurden außerdem Forderungen an die nepalesische Regierung gestellt.

Diese reagiert nun ebenfalls auf das Unglück, unter anderem mit einem Hilfsfond für verunglückte Bergleute, mit dessen Hilfe die Familien der Toten unterstützt werden sollen. Außerdem wurde die Krankenversicherung der Sherpa aufgestockt – auf etwa 11.000 Euro, dreimal so viel, wie zuvor. Das ist weniger, als die Sherpa gefordert hatten. Aber nicht nur deswegen verlassen immer mehr Sherpas nach dem Unglück das Basislager. Vordergründig geht es ihnen darum, ihren Kameraden Respekt zu zollen.

Der US-amerikanische Bergsteiger Ed Marzec kommentierte die Situation so: „Sie haben entschieden, dass es nicht nur um die Frage der Entschädigung geht. Sie haben vielmehr das Gefühl, dass sie als eine Art Denkmal für alle, die umkamen, den Mount Everest für dieses Jahr stilllegen sollten.“ Der Mount Everest, der auf Nepali „Stirn des Himmels“ genannt wird, fungiert mit seinen 8848 Metern Höhe also bis auf Weiteres als das größte Mahnmal der Welt. Wie lange wissen nur die Bergführer selbst. Allerdings geht man in Nepal nicht davon aus, dass es zu einem groß angelegten Streik der Sherpa kommen wird.