VON C.V.A. | 27.03.2013 15:51

Kann man Glück messen?

Wie messen Staaten das Glück eines Landes? In Deutschland wurde hierzu viele Jahrzehnte ausschließlich das Bruttoinlandsprodukt betrachtet. Im Bhutan dagegen wird der Wohlstand der Bevölkerung an deren Zufriedenheit gemessen. Auch in Deutschland sollen künftig weitere Indikatoren berücksichtigt werden.

Mit gerade einmal fünfzig Dollar pro Kopf hatte die asiatische Monarchie Bhutan im Jahre 1986 das niedrigste Bruttoinlandsprodukt weltweit. Der König des kleinen Staates zwischen Indien und China, Jigme Singye Wangchuk, hat damals das Glück seiner Bevölkerung zum Staatsziel auserkoren. Seit 2008 steht es so sogar in der Verfassung und ist das Leitmotiv des politischen Handelns geworden. Alljährlich wird mit dicken Fragebögen von einer eigenes eingerichteten Kommission für Glück das Bruttoinlandsglück erfasst. Dabei werden nicht nur das wirtschaftliche Wachstum, sondern auch Indikatoren wie der Umweltschutz, spirituelle Bedürfnisse und Kultur beachtet. Im Gegensatz zu anderen Staaten ist für das buddhistische Land also ökonomisches Wachstum nicht Ziel, sondern Zweck, um der Bevölkerung die spirituelle Ausgeglichenheit zu ermöglichen.

In allen anderen Ländern der Welt wird der wirtschaftliche Erfolg eines Staates dagegen seit vielen Jahrzehnten fast ausschließlich an seinem ökonomischen Wachstum gemessen. Die einfache Formel lautete: Mehr Reichtum, mehr Zufriedenheit. Das Bruttoinlandsprodukt galt dabei als einzig verlässlicher Messindikator. Allerdings ist dieser in letzter Zeit immer stärker in Kritik geraten. Nicht nur das Vertrauen in die Finanzwelt hat seit den Krisen erheblich gelitten, auch Faktoren wie die Umwelt wurden bislang völlig außer acht gelassen. Immer mehr Staaten übernehmen daher Ansätze aus Bhutan. Auch in Deutschland hat ein Umdenken stattgefunden.

55.000 Euro zum Glück

Im Auftrag der Fraktionen CDU, SPD und FDP hat die Arbeitsgruppe "Enquete-Kommission Wohlstand, Wachstum, Lebensqualität" ergangenen zwei Jahren ein neues System entwickelt, um das Bruttoinlandsglück der Deutschen festzustellen. Künftig soll nicht mehr ausschließlich auf das wirtschaftliche Wachstum geachtet werden. Insgesamt zehn Anhaltspunkte werden nun jährlich in einem "Jahreswohlstandsbericht" von der Bundesregierung zusammengetragen, um herauszufinden, wie glücklich die Deutschen sind. Die materielle Lage wird dabei neben dem Bruttoinlandsprodukt auch an der Einkommensverteilung und der Staatsverschuldung gemessen. Auch soziale Faktoren wie die Lebenserwartung und die Beschäftigungsquote werden dabei beachtet. Darüberhinaus wird die ökologische Entwicklung unter anderem am Ausstoß von Treibhausgasen, der Belastung der Böden und der Artenvielfalt bewertet.

Neben den Linken haben auch die Grünen den Vorschlag abgelehnt. So bezeichnete Hermann Ott, Abgeordneter der Grünen, das Ergebnis trotz der Beschränkung auf zehn Anhaltspunkte als "Indikatoren-Wirrwarr", der letztlich dazu führen wird, dass das Bruttoinlandsprodukt weiterhin Priorität haben wird. Er begrüßt zwar grundsätzlich eine Änderung, hätte aber eine Beschränkung auf lediglich vier Messwerte bevorzugt. Zustimmung erhält er von dem Umweltökonom Hans Diefenbacher, der kritisiert, dass keiner der festgelegten Indikatoren mit dem Bruttoinlandsprodukt konkurrieren könnte.
Die Vorsitzende der Kommission, Daniela Kolbe von der SPD, zeigte sich ungeachtet dessen zufrieden mit dem Ergebnis, da man es einerseits vermieden habe, zu viele Einzelindikatoren aufzunehmen und zugleich trotzdem alle wesentlichen Wohlstandsaspekte abgedeckt habe.

Materieller Wohlstand ist nach wie vor ein wichtiger Glücks-Faktor. In den letzten Jahren sinkt jedoch die Zufriedenheit der Deutschen, trotz stetig steigendem Bruttoinlandsprodukt und wirtschaftlichem Wachstum. Im 70000-Einwohner Bhutan befinden sich dagegen noch immer ein Viertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze – und trotzdem leben 40,9 Prozent über der Glücksgrenze. Geld allein macht eben nicht glücklich.

Erst wenn aus den Ergebnissen der Jahreswohlstandsberichte die richtigen Schlüsse gezogen werden, wird sich zeigen, ob sich die Entwicklung in Deutschland ändern wird und ob es künftig tatsächlich nicht mehr ausschließlich um "Wachstum, Wachstum, Wachstum" gehen wird, wie Daniela Kolbe hofft.