VON MAXIMILIAN REICHLIN | 11.10.2013 14:08

Die Awá-Indianer – Das am meisten bedrohte Volk der Welt

Das Volk der Awá aus Brasilien gehört zu den letzten indigenen Völkern, die ohne Kontakt zur Außenwelt leben. Doch ihre Existenz ist massiv bedroht: Großindustrie und zivile Siedler vernichten den Lebensraum des Indianervolkes und nehmen ihm die Grundlage zum Überleben. Heute sind nur noch etwa 350 Awá am Leben, Tendenz fallend. Obwohl die Regierungen Reservate für die Awá zur Verfügung gestellt hat, lassen sich weiter illegal Eindringlinge in ihrem Gebiet nieder. Den Schätzungen von Schutzorganisationen nach, wird das Volk bald vollkommen ausgerottet sein, wenn die Regierung Brasiliens sich nicht stärker um seinen Schutz bemüht. UNI.DE über das am meisten bedrohte Volk der Welt.

Sie leben in den Wäldern des östlichen Amazonas-Gebietes und führen dort ein Nomadenleben. Die Awá-Indianer gehören zu den letzten indigenen Völkern der Welt, die größtenteils ohne Kontakt zur Außenwelt leben. Sie richten ihr Leben nach den Reifezeiten bestimmter Früchte und nach den Bewegungen der Jagdbeute aus, die ihre Lebensgrundlage bildet. Ansonsten brauchen sie nicht viel. Pfeile und Bogen, eine Art selbstgemachter Rucksack für Wild und Früchte, ihre spärliche Bekleidung und eine Hängematte für die Nacht ist meistens alles, was die Awá mit sich führen. Und die Glut ihres Lagerfeuers, die sie sorgsam von einem Lagerplatz zum nächsten transportieren.

Land Grabbing

Obwohl die Awá jedoch mit dieser bescheidenen Ausrüstung zufrieden sind, ist ihre Existenz bedroht. Vor allem die fortschreitende Großindustrie macht ihnen zu schaffen. Holzfäller und groß angelegte Bauprojekte haben bisher bereits etwa ein Drittel des Amazonasgebietes, in dem sich die Awá aufhalten, vernichtet. Hinzu kommt die Bedrohung durch die Bergbauindustrie: In den 1970er Jahren baute der Bergbaugigant Vale eine Bahnstrecke, um den Transport der Erträge einer Eisenerzmine in Carajás zu transportieren und erschloss damit weite Teile des Regenwaldes für Siedler, Wilderer und illegale Holzfällertrupps. Nun soll die Bahnstrecke sogar noch erweitert werden, um die Förderleistung zu erhöhen. Wie schon 30 Jahre zuvor verläuft die geplante Strecke wieder direkt durch das Gebiet der Awá-Indianer.

Doch die Bedrohung durch die Industrie ist einigen Berichten zufolge nicht alleine indirekt. Einige Firmen sollen sogenannte Pistoleros beschäftigen, deren einzige Aufgabe es ist, die Awá in den betreffenden Gebieten zu jagen, aufzuspüren und hinzurichten, um den Weg für die fortschreitende kommerzielle Nutzung von Holz und Bodenschätzen zu ebnen.

Die Organisation Survival, die sich dem Schutz indigener Völker verschrieben hat, versucht nun, die Awá durch Spendenaufrufe und Petitionen vor der Vernichtung zu bewahren. Das langfristige Ziel der Organisation: Einfluss auf den brasilianischen Justizminister auszuüben, damit Siedler, Holzfäller und andere Eindringlinge mit Hilfe der Bundespolizei dauerhaft aus dem Lebensraum der Awá ausgewiesen werden. Der britische Schauspieler Colin Firth, der für die Survival-Kampagne die Rolle des Schirmherren eingenommen hat, sagte in einem von der Organisation produzierten Aufklärungsfilm: „An jedem anderen Punkt der Geschichte wär's das gewesen. Wieder wäre ein Volk für immer vom Erdball verschwunden. Aber wir werden dieses Mal dafür sorgen, dass es nicht dazu kommt.“

Die brasilianische Regierung steht vor einem Interessenkonflikt. Obwohl der Schutz der Awá gesetzlich verankert ist, locken die ertragreichen Vorkommen an Eisen, Gold und Tropenholz immer weiter Industrielle und zivile Bevölkerung in das Gebiet der Awá. Bereits 2011 wurde zwar richterlich angeordnet, dass die Siedler das Gebiet der Awá binnen eines Jahres zu verlassen haben, bisher hat sich jedoch an der Situation der Indigenen noch nichts verändert. Ein zwei Jahre zuvor gefälltes Urteil mit einem ähnlichen Text hatte ebenfalls keine Ergebnisse gebracht und war bald darauf wieder aufgehoben worden. Die Awá bleiben bedroht.