VON MAXIMILIAN REICHLIN | 07.08.2014 20:06

Dahoam is dahoam – Über Dialekte und ihre Relevanz

Ob Hessisch, Sächsisch oder Berliner Schnauze. Kaum ein anderes Land dieser Erde kann so viele unterschiedliche Mundarten aufweisen wie Deutschland. Überall „schwätze“ oder „babbele“ die Deutschen anders. Doch Dialekte sind kein rein deutsches Phänomen. Beinahe jede Standardsprache entwickelt im Laufe der Zeit ihre eigenen Tochtersprachen, die sich jeweils in Aussprache, Grammatik und sogar in den einzelnen Vokabeln unterscheiden können. Wie Dialekte zustande kommen und warum es wichtig ist, sie zu beherrschen.

Das Wort „Dialekt“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „miteinander reden“ oder „Gespräch und Redeweise von Gruppen“. Dialekte gibt es auf der ganzen Welt. Als lokale oder regionale Sprachen entwickeln sich Dialekte oft aus der sogenannten „Dachsprache“ und werden nur von einer bestimmten Personengruppe korrekt gesprochen und verstanden. Sie entstehen, wenn bestimmte soziale Gruppen sich eine gemeinsame Sprache teilen, dann allerdings eine räumliche Trennung erfahren. Beide Dialekte entwickeln sich danach unterschiedlich, möglicherweise kommt es bei einer Sprache zu einer Lautverschiebung, die die Sprecher der jeweils anderen Mundart „verpassen“.

Wie Deutsch bist du?

So geschah es bei den deutschen Dialekten. In der sogenannten „Zweiten“ oder „Hochdeutschen“ Lautverschiebung zwischen 600 und 800 n. Chr. verschoben sich in Mittel- und Süddeutschland zum Beispiel der Konsonant „t“ zu „s“ oder der Konsonant „p“ zu „pf“ oder „f“. Im Norden Deutschlands, wo heute die sogenannten „niederdeutschen“ Dialekte gesprochen werden, fand diese Verschiebung nicht statt. Wo im Süden also etwa das Wort „Apfel“ gebräuchlich ist, sagt man im Norden nach wie vor „Appel“. Ähnlich steht es um „dat“ und „wat“, oder eben „das“ und „was“. Interessanterweise existierte bis dahin kein einheitliches Standard- oder Hochdeutsch, wie wir es heute als Amts- und Schriftsprache verwenden. Diese überall verständliche Form des Deutschen entwickelte sich erst gegen Ende des Mittelalters. Martin Luthers Bibelübersetzung hat dazu einen entscheidenden Beitrag geleistet.

Doch nicht nur in Deutschland wird Dialekt gesprochen. Auch Engländer müssen sich mit den dort oft ungern gehörten Sprachvarietäten herumschlagen. Wo in Deutschland das Sprechen von Dialekten oder Mundarten eine lange Tradition hat – hier existiert immerhin auch die sogenannte Dialektliteratur – galt es in Großbritannien lange Zeit als unschicklich, vom Standardenglisch abzuweichen. Mundart, etwa das im Osten Londons verbreitete „Cockney“, verriet Unbildung und war deswegen mit einem Stigma belegt. Erst in den letzten Jahrzehnten löste sich dieses Stigma auf. Mittlerweile gehen das zuvor favorisierte „Queens English“ und das „Cockney“, vor allem in London, nahtlos ineinander über und formen einen völligen neuen Londoner Dialekt. Und auch in Spanien existieren verschiedene Sprachvarietäten: vier Dachsprachen gibt es dort, jede wiederum mit eigenen Mundarten. Da kommt einiges zusammen.

Da der größte Teil der Kommunikation, vor allem etwa in den urbaneren Gebieten, allerdings weitgehend ohne Dialekte auskommt, sterben viele vor allem Deutsche Mundarten langsam aus. Sprachforscher beklagen, dass die Mundarten der rund 20 Dialekträume in Deutschland mit der Zeit verschwinden und rufen zu Gegenmaßnahmen auf. Denn: Wenn Kinder die Mundart ebenso wie das Standarddeutsche sprechen lernen, entwickelt sich ihr Sprachzentrum deutlich schneller. Mittlerweile bieten Schulen, vor allem in den „großen“ Dialekträumen wie Bayern, Mecklenburg-Vorpommern oder Hamburg Kurse an, um Kindern gezielt die regionale Mundart beizubringen. Abgesehen vom Lerneffekt habe Dialekt immerhin auch immer noch eine identitätsstiftende Funktion. Um nur ein Beispiel zu nennen: „Zuhause“ kann man auf der ganzen Welt sein, aber wirklich „dahoam“ fühlt man sich als Bayer eben nur in Bayern.