VON CLEMENS POKORNY | 15.08.2014 14:02

St-t-t-t-tottern

Wir lachen über die Sprechstörungen der Figuren Michael Palins von Monty Python, aber Betroffene leiden oft sehr stark unter ihrer Redeflussstörung, nicht zuletzt wegen der despektierlichen Reaktionen ihrer Mitmenschen. Doch Stottern hat nichts mit der Intelligenz eines Menschen zu tun. Wir Alle verhaspeln uns gelegentlich. Wem das zu oft passiert, der kann mit speziellen Therapien lernen, sein Leiden in den Griff zu bekommen – es gibt prominente Vorbilder.

Was haben Mose, der römische Kaiser Claudius, die Schauspielerin Marilyn Monroe und der Fußballspieler Hamit Altintop gemeinsam? Richtig: Sie stottern oder haben das zumindest über längere Zeit hinweg getan. Diese Beeinträchtigung teilen sie mit immerhin 1% der Weltbevölkerung. Aber stottern wir nicht fast alle manchmal? Und was lässt sich gegen das Stottern tun?

Der Redefluss der meisten Menschen ist manchmal gestört – z.B. aufgrund von Stress vieler Art oder Zerstreutheit. Ab wann Stottern als Behinderung angesehen werden muss, unterliegt aber nicht nur der subjektiven Einschätzung der Betroffenen. Alle Menschen haben manchmal Sprechblockaden („tonisches Stottern“, von tonus = Anspannung), fügen Füllwörter in ihre Sätze ein (z.B. das berühmte „äh“ etwa Edmund Stoibers) oder wiederholen gelegentlich Laute, Silben oder Wörter („klonisches Stottern“). Erst wenn mehrere dieser Symptome zusammen und gehäuft auftreten, sprechen Ärzte von einer behandlungswürdigen Redeflussstörung. Dazu kommen bei Betroffenen auch sogenannte sekundäre Symptome: Sie umgehen gezielt die für sie problematischen Laute (Vermeidungsverhalten) oder versuchen, diese quasi gewaltsam auszusprechen, was zu einem angespannt-verzerrten Gesichtsausdruck führt (Fluchtverhalten).

Selbstvertrauen – Ein Must-Have?

Stotternde belastet ihr Leiden natürlich, weil viele Menschen überheblich auf sie reagieren. Wer stottert, wüsste nicht so recht, was er sagen wolle, rede also ohne vorher nachgedacht zu haben – Stottern sei ein Zeichen von Schwächlingen: Solche Vorurteile schießen Leuten durch den Kopf, die es nicht für nötig halten, Stotternden geduldig und unvoreingenommen zuzuhören. So singt der Komiker Mike Krüger darüber, dass er immer stottern muss, wenn er eine Frau anspricht – mit Folgen für sein Liebesleben („M-M-M-Mädel“). Stotternde schämen sich, sind verunsichert, halten sich für minderwertig – was ihre Redeflussstörung nur verstärkt.

Doch in äußeren Faktoren liegt nicht die Ursache für Stottern, jedenfalls nicht für dasjenige im Kindesalter (mit Beginn vor dem 12. Lebensjahr, „idiopathisches Stottern“). Ob nun die Gene schuld sind oder eine von der Norm abweichende Gehirnentwicklung – da ist sich die Wissenschaft nicht sicher. Viele Menschen mit Sprechstörungen haben jedenfalls auch Sprachstörungen, ihnen fällt also der Umgang auch mit nicht-gesprochener Sprache schwer. Und einige Patienten fangen auch erst als Erwachsene an zu stottern – zum Beispiel infolge eines Schocks oder einer Gehirnverletzung (erworbenes Stottern).

Woher es auch immer kommt, Stottern lässt sich so gut wie nie heilen, aber die Symptome lassen sich mit intensiver und dauerhafter Behandlung weitgehend zum Verschwinden bringen. Es gibt zwei große Therapieklassen: Stottermodifikation lindert die Symptome, indem der Patient z.B. lernt, sich vor dem Aussprechen schwieriger Laute zu entspannen und tief Luft zu holen, also eine kleine Pause einzulegen („pull out“). Fluency Shaping dagegen zielt auf flüssigeres Sprechen ab, indem problematische Laute bewusst weich oder gedehnt gesprochen werden. In jedem Fall bedarf es vieler Übung, bis das Stottern vom Betroffenen nicht mehr als störend wahrgenommen wird. So werden Stotternde auch selbstbewusster und steigern ihr Selbstwertgefühl. Die genannten Prominenten mögen allen Betroffenen ein ermutigendes Vorbild sein – wie auch die Schauspieler Gottfried John und Bruce Willis, die ihre Redeflussstörung erst auf der Schauspielschule ganz in den Griff bekommen haben und heute in ihrem ausgesprochenen Sprechberuf reüssieren. Und wer nicht ganz symptomfrei wird, sollte verstehen, dass er sich seines Stotterns nicht schämen sollte. Eine Radiosendung von Stotternden zum Thema Stottern gibt es im Großraum München sowie im Internet zu hören, dort unter schoenerstottern.de.

Weitere Tipps: StotternWiki und Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e.V. sowie natürlich der Kinofilm über die Therapie von George VI., Vater von Königin Elizabeth II., The King's Speech.