VON JANINA TOTZAUER
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26.07.2017 14:40
Coopetition: Vom Feind zum Freund
Beim Anblick der Examensnote des besten Kumpels zieht sich der Magen mit einem kleinen Stich zusammen. Widerwillig gratuliert man zur hervorragenden Leistung, während man auf die eigene schlechte Note blickt. Neid ist ein böswilliges, unausweichliches Gefühl, das jeder kennt, aber gerne verschweigt. Stattdessen lächelt man eifrig, gratuliert zum neuen Job oder zur frischen Liebe. Man gibt vor, sich für andere zu freuen, weil die Gesellschaft das von einem erwartet. Seltsam ist es da, dass zeitgleich besagte Gesellschaft eben jenes Gefühl des Neides schürt, indem sie das Konkurrenzdenken anstachelt. UNI.DE hinterfragt unseren Drang zum „Besser-Sein“.
„Survival of the fittest“ übersetzte der Philosoph Herbert Spencer einst die evolutionstheoretischen Ausführungen Charles Darwins, die sich auf die natürliche Auslese minderwertiger Genpools beziehen. Spencer interpretierte sie unter anderem für den wirtschaftlichen Sektor, in welchem nur das „fitteste“ Unternehmen dem Marktdruck standhalten kann. Eine natürliche Konkurrenz ist in der Marktwirtschaft unersetzlich; sie treibt Unternehmen an, neue und bessere Produkte auf den Markt zu bringen, schnellere Forschung zu betreiben, dem Kunden entgegenzukommen und die Preise - wenn möglich - unter denen der Konkurrenz zu halten. Ein gesunder Konkurrenzkampf kann die Wirtschaft ankurbeln, einzelne Unternehmen aber andererseits in den Ruin treiben. Im ständigen Preiskampf unterliegen viele kleinere Firmen ihren gewaltigen, alles verschlingenden Konkurrenten. So kommt es, dass man in der Zeit des Internets und der damit einhergehenden Konnektivität mit dem einstigen archaischen Konkurrenzdenken sehr schnell alleine dasteht. Viele Unternehmen wagen deshalb einen erstaunlichen Schritt und strecken ihren größten Feinden eine versöhnliche Hand entgegen. Sogenannte „Coopetitions“ vereinen den Wettbewerb (zu Englisch Competition) mit dem freundschaftlichen Akt der Kooperation. Firmen gehen solche strategischen Allianzen ein, wenn sie sich daraus einen Vorteil zu beiden Seiten erhoffen. So arbeiteten zum Beispiel Ford und VW jahrelang zusammen an dem Entwurf für ein neues Fahrzeug, welches später in beiden Unternehmen unter verschiedenen Namen auf den Markt kam. Durch Zusammenarbeit unter Konkurrenten kann jede Seite die Vorteile des anderen nutzen und so gegen etwaige Dritte im Wettbewerb bestehen. Eine Win-Win-Situation.
Was uns antreibt und warum wir ein Wir-Gefühl brauchen
Vielleicht ist ein Leben ohne Gemeinschaft ja sogar möglich, aber es scheint nicht wirklich lohnenswert zu sein
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Gewollt asozial
Im sozialen Bereich ist solch eine Überwindung des Konkurrenzdenkens leichter gesagt, als getan. Zu Recht stufen Psychologen Werte und Eigenschaften, die im Wirtschaftsleben für Profit und Überleben am Markt sorgen, als
wenig wünschenswert für das Privatleben ein. Wo friedfertige, gutmütige und fürsorgliche Menschen häufiger Kooperationen mit anderen Menschen eingehen und somit ein harmonisches Leben führen, werden Menschen mit hohem Konkurrenzdenken oftmals als streitsüchtig, aggressiv und kalt beschrieben. Das Berufsleben verlangt somit von jedem Menschen ein asoziales Verhalten und belohnt ihn mit Erfolg.
Konkurrenz entsteht da, wo ein Mangel herrscht. Schon im Studium setzen viele Studierende die
Ellenbogen ein, um ihre vermeintlichen Chancen beim Einstieg ins Berufsleben zu erhöhen. Während man noch seine Noten vergleicht, mit absolvierten Praktika bei Siemens und BMW prahlt und freie Zeit opfert, um besser als der Kommilitone zu sein, entsteht klammheimlich eine Zweiklassengesellschaft im Jahrgang. Studierende, die ihren Abend lieber bei einem Bier mit Freunden verbrachten, werden am nächsten Morgen argwöhnisch begutachtet und durch die lautstarke Bekanntgabe der besseren Note in die Schranken gewiesen. Die vermeintliche Konkurrenz spaltet die Studierenden in Verlierer und Gewinner. Wer seine Ellenbogen nicht einzusetzen weiß, kann in diesem künstlich auferlegten Wertesystem nicht überleben.
Kaum würdig eines Gedankens scheint es den meisten Menschen, ob dieser „Loser“, der zum zweiten Mal den Statistik-Test versaute, eventuell seine Stärken woanders hat. Sein feines Gespür im Umgang mit Tieren, die Sensibilität für die Probleme seiner Freunde und sein politisches Engagement interessieren keinen in einer Leistungsgesellschaft, die schon seit langem den Terminus „fittest“ falsch definiert. Doch diese Tatsache scheint in Anbetracht der früheren Missinterpretationen Darwins nur eine weitere minimale Verfehlung der Menschheit, die sich wunderbar zwischen Rassismus und Kreationismus einreihen lässt.