VON SUSANNE BREM | 12.10.2016 15:53

Fremdkontrolle und Gedankenlesen: Wie gefährlich kann Brainjacking für Menschen mit Gehirnimplantaten werden?

Der ehemalige US-Vize -Präsident Dick Cheney trägt wegen Herzrhythmusstörungen einen implantierten Defibrillator – das kabellose Bedienungssystem dafür hat er während seiner Bürozeiten aber angeblich stets abgeschaltet, aus Angst vor ferngesteuerten Mordversuchen. Ist das übervorsichtig oder ist die Bedrohung real, durch Hacking von elektronischen Implantaten Opfer von Kriminalität und Gewalt zu werden? Noch gibt es keine dokumentierten Fälle von Brainjacking – in Fachkreisen wird dennoch vor entsprechenden risikoreichen Sicherheitslücken gewarnt. Welche Gefahren birgt Brainjacking tatsächlich?


Bereits heute sind technische Implantate eine oft genutzte Möglichkeit zur Behandlung von zum Beispiel Herzrhythmusstörungen, Parkinson, Spasmen oder chronischen Schmerzen. Eine besondere Form sind die Gehirnimplantate, die mit tiefer Hirnstimulation („deep brain stimulation, kurz DBS) aufwarten. Dabei werden Elektroden direkt im Kopf eingesetzt, sodass stimulierende Signale in ein bestimmtes Hirnareal gesendet werden können. Unkontrollierte Muskelzuckungen etwa können so eingedämmt werden. Dieses System ist programmierbar, um die Impulse für Ärzte und für die Patienten selbst steuerbar zu machen. Allerdings hat diese medizinische Innovation auch eine Schwachstelle: die drahtlos funktionierende Steuerung des eingepflanzten Stimulators. Dieser ermöglicht zwar Beschwerdefreiheit – umgekehrt ist der Patient deshalb aber auch extrem abhängig von seinem zuverlässigen Funktionieren.

Fremdkontrolle des Menschen durch Hacking

Die Gefahr ist dabei, dass sich Fremde unerlaubt Zugang zum Kontrollsystem verschaffen und dies gegen die Behandelten verwenden: Statt Schmerzen zu lindern könnten sie verstärkt werden, um die Betroffenen zu etwas zu zwingen oder zu quälen; an Parkinson Erkrankte könnten unbeweglich gemacht werden; Menschen mit Herzrhythmusstörungen könnten sogar umgebracht werden. Grundlegende Funktionen und Abläufe im Körper des Menschen könnten fremdgesteuert und manipuliert werden. Diese Form des Hacking nennt sich Brainjacking – zusammengesetzt aus „Gehirn“ (brain) und „Entführung“ (hijacking): quasi die feindliche Übernahme des zentralen menschlichen Kontrollsystems, die Geiselnahme eines Menschen über den Weg seines eigenen Inneren.

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Technische Sicherheitslücken: Risiko für Gewalttaten

Diese neurologischen Implantate haben also eine enorme Bedeutung für die Gesundheit und Sicherheit der betroffenen Menschen. Deshalb hat ein Forscherteam rund um den Chirurgie-Wissenschaftler Laurie Pycroft untersucht, wie gut diese medizinischen Apparate gegen Hacking geschützt sind. Das Ergebnis ist wenig beruhigend: Es sei schwierig, die Implantate so zu bauen und zu programmieren, dass sie gegen Cyberangriffe (solche, die über Drahtlosnetzwerke funktionieren) sicher sind. Man müsse sich, zumindest derzeit noch, entscheiden: entweder ein sehr gut abgesichertes System oder eines, das sich im Alltag des Patienten sinnvoll verwenden lässt. Punkte wie die Größe oder die Batteriekapazität der „Fernbedienung“, lassen bisher leider zu wenig Spielraum in der Gestaltung des Steuermoduls, um beiden Ansprüchen gerecht zu werden. Wenn auch bisher keine entsprechenden Brainjacking-Angriffe bekannt sind, malt Pycroft Szenarien, in denen Führungspersonen beeinflusst und erpresst werden können, Verhalten und Sprache von Menschen von außen kontrolliert werden können. Klingt nach Science Fiction – tatsächlich ist es aber bereits möglich, PIN-Codes von Menschen herauszufinden, indem die Aktivität bestimmter Hirnareale gemessen wird, während sie Bilder einzelner Zahlen anschauen.

Zwar ist die Bedrohung des Brainjackings von medizinischen Implantaten bisher wenig bis gar nicht beachtet worden; wenn man allerdings bedenkt, wie stark einige Menschen auf sie angewiesen sind, um ein angenehmes Leben führen zu können, könnte das zur Nachlässigkeit werden. Denn hier wäre auf einmal die körperliche Unversehrtheit von Betroffenen ebenso gefährdet wie die Integrität des Menschen, der fremdbestimmt in eine neue Form der Gefangenschaft geraten würde.