VON RICHARD KEHL | 02.12.2009 10:10

UNI Kino: Whatever Works - Liebe sich wer kann

Männlich sarkastisches Genie älteren Semesters trifft auf junge weibliche Dumpfbacke.

Regisseur Woody Allens neuester Streifen sprengt erneut festgefahrene Beziehungs-Klischees, - nach „Vicky, Christina, Barcelona“- auf seine eigene Art und Weise.

Boris Yellnikov (Larry David), Physikprofessor, ist ein ganz spezieller Zeitgenosse im gehobenen Alter: Ein Eremit, am Nobelpreis vorbeigerutscht, pessimistisch, geschieden, verbittert, dekadent, intelligent, sarkastisch überheblich, selbstmordgefährdet aber dennoch irgendwo liebenswert. Sein Fachgebiet ist die Stringtherorie und die Suche nach der Weltformel. Hier haben Menschen nur wenig Platz in seinem Universum. Gleich zu Beginn des Films spricht er von der Leinwand aus zum Publikum und bezieht den Zuseher somit persönlich in das kommend erzählte Geschehen ein. Dabei wird er von anderen spielenden Charakteren nur seltsam betrachtet, was er da überhaupt macht. So stellt Boris seine arrogante Art und Genialität schon von Beginn an in den Mittelpunkt.

Es ist eine Geschichte über ein junges Mädel namens Melody (Evan Reichel Wood), das sein Leben verändert, einer frechen, naiven, nicht sonderlich intelligenten Ausreißerin aus dem Süden, welche Boris vor seiner Treppe aufliest und anfangs noch unfreiwillig beherbergt. Er hält Melody für dumm und gibt ihr dies auch unmissverständlich zum Ausdruck. Diese ist angetan von so viel weltmännischer Klugheit und geht mit David nach und nach eine unkonventionelle Liebesbeziehung mit anschließender Heirat ein, in die er unbewusst hineinschlittert.

Eines Tages taucht Melodys schrille Mutter Marietta (Patricia Clarkson) bei den Beiden auf. Völlig entsetzt über diese Beziehung versucht diese ihre Tochter an Schauspieler Randy James (Henry Cavill) zu verkuppeln, der Interesse an Melody zeigt. Fast nahezu gleichzeitig lernt sie Davids künstlerische Professorenkollegen kennen und geht mit diesen eine „menáge ét trois“ ein. Melody steht zu ihrer Beziehung mit Boris und lässt John vorerst noch abblitzen. Zu guter Letzt steht dann noch der Ex Mann Marietta´s John (Ed Begely jr.) auf der Matte, der seine Frau zurückhaben will und dabei ein “Coming Out“ erlebt.

Ein typischer Woody Allen Film: gespickt mit sarkastischen, witzigen und intelligenten Dialogen rebelliert er erneut gegen sämtliche Konventionen, gemäß dem Motto „Whatever Works“, oder zu deutsch: jedem das seine, mach das, was Dich glücklich macht, einem Motto, das der mittlerweile 74 Jahre alte Woody Allen selbst schon immer gelebt hat. So kann man auch in seinem aktuellen Film Parallelen zu seinem Privatleben ziehen und dessen Beziehung zu Mia Farrow und seiner Stieftochter. Vor allem Komiker Larry David spielt genial, witzig Woody Allens Pendant. Oft entsteht der Eindruck, Wood Allen spielt diesen Charakter selbst. Allerdings setzt der Komiker noch einen drauf, geht noch mehr auf sarkastischen Konfrontationskurs mit Publikum und Kritikern. Vor allem die Szene, in der er Kinder das Schach spielen bei bringen soll, vor deren Eltern ihre Dummheit anprangert mit Statements wie: „…dass die Kinder statt ins Ferienlager mal ein paar Wochen ins Konzentrationslager geschickt werden sollten, damit sie verstehen, wozu die menschliche Rasse im Stande ist“, sorgt für Kontroversen. Das ist gleichzeitig auch ein Paradebeispiel für den sarkastischen Humor und den verbitterten Charakter des jüdischen Physik-Professors. Pauschal könnte man sagen „Eine schrecklich nette Familie“ trifft auf den „Stadtneurotiker“.