VON MARIUS MOISE | 12.08.2010 10:24

Die WM ist vorbei - für Deutschland mehr als ein Platz drei

Die 19te WM ist passé. Eine farbenfrohe Veranstaltung, die zum ersten Mal auf den afrikanischen Kontinent stattfand. Der unüberhörbare Klang der Vuvuzelas, den viele auch als Krach wahrnahmen, hat uns über 4 Wochen ständig begleitet. Ob das ein Exportschlager der Südafrikaner geworden ist, werden wir später erfahren.

Die Stimmung dieser WM war irgendwie anders und doch haben die Südafrikaner insgesamt ein gutes, faires Bild bei ihrer WM-Taufe als Ausrichter abgeben können. Die Stadien hatten vom Standard her alles gehalten was man sich von einer WM verspricht. Manchem Team ging allerdings die Puste früh aus angesichts solcher, hochgelegener Spielorte. Selbst die Temperaturen waren an manchen Abenden mit 2,3 Grad zu verzeichnen, denn in Südafrika ist jetzt Winter und manch Brasilianer hat drangedacht die Handschuhe miteinzupacken für den Trip gen Kap. Die Männer des früheren Stuttgart-Legionärs Carlos Dunga, der als "den Deutschen" aufgrund seiner Hautfarbe, aber auch nicht gewöhnlich südamerikanisch-spektakulärer Spielweise in seiner Heimat genannt wird, sind sang- und klanglos untergegangen. Man hat es schon frühzeitig gesehen, dass die Kicker vom Zuckerhut mit einigen Problemen und vielen außer Form geratenen Spieler nach Südafrika angereist sind. Das müde 3te Spiel der eigenen Gruppe gegen Portugal klang wie ein Nichtangriffspakt, das freilich an das Deutschland-Österreich 0-0 bei der 82er WM-Auflage von Spanien zur Quali beider Teams in der damaligen Gruppe hieß und die bravurös spielenden Algerier unverdienterweise heimschickte. Ein schwaches Spiel der 2 portugiesisch sprechenden Nationen ließ aber beide Weiterkommen, während die Elfenbeinküste, mit ihrer offensiven Spielweise, trotzdem einpacken durfte. Bei den bravourös kämpfenden Nordkoreanern, die mit guter Organisation ein 1-2 dem 5fachen Weltmeister Brasilien abtrotzen konnten, ging schon im 2ten Spiel beim 0-7 gegen Cristiano Ronaldos Mannen die Puste wirklich aus. Man munkelt, dass schon vor dem Ende das nordkoreanische Staatsfernsehen die Übertragung abbrach. Die Machthaber in Pöngjang bekamen es mit der Angst zu tun, um eine Blamage die seinen Lauf nahm.
Ich hoffe sehr, dass keine Kicker der Nordkoreaner bei der Rückkehr bestraft wurden. Das klingt vielleicht brutal, aber bei einer der letzten kommunistischen Bastionen der Welt ist alles möglich. Das letzte Spiel der Gruppe wurde gar nicht mehr übertragen. Immerhin ging es nur 0-3 aus.Noch anfangs der WM hatten die Nordkoreaner, die WM Übertragung über dunkle Kanale buchstäblich schwarz gewehrleistet. Nach dem das in Südafrika bekannt wurde, bekamen sie es mit der FIFA und ihrer Rechten zu tun. Man einigte sich dann doch noch, um einem Eklat zu entgehen. Die Nordkoreaner zahlten einen Mindestbeitrag und bekamen die offiziellen Übertragungsrechte doch noch zugesprochen. Ob die sich auch über dieses bezahlte Geld nach dem Portugalspiel ärgern ? Das bleibt ihnen überlassen.

Der Gastgeber Südafrika war stets bemüht, aber irgendwie glückslos. Der weltweit bekannte brasilianische Trainer Carlos Alberto Pareira hatte seine Spieler nicht ganz auf 100% trimmen können. Mit dem letzten Gruppenspiel und dem Sieg gegen ein sehr enttäuschendes Frankreich-Team, verabschiedeten sich die Bafana-Bafana-Jungs mit Anstand und erhobenem Hauptes von den eigenen Zuschauern. Die Quali für die K.O. - Runde aber, schaffte zum ersten Mal das Gastgeberland nicht. Immerhin wurden Südafrikas Spieler bekannter und der erste WM-Torschütze, der Südafrikaner Siphiwe Tshabalala wird anscheinend neuerlich von europäischen Vereinen, wie dem früheren Landesmeistercup-Sieger FC Steaua Bukarest, gejagt.

Zurück zur Gruppenphase stellen wir fest, dass die Finalisten der letzten WM in Deutschland, Italien und Frankreich, es zusammen auf lediglich 3 Zähler in 6 Partien brachten. Unspektakulär, wie auch beider Spielweise, belegten sie jeweils den letzten Platz ihrer Gruppe. Das ist ein Novum, da beide Finalisten diesmal nicht die Gruppenphase überstanden. Italien zumindest nahm teil an einem der schönsten Gruppenspiele, wenn auch das 2-3 gegen die auffrischend spielenden Slowaken, ein richtiger Messerstich ins Herz für die Catenaccio-Kicker war. Mit 4 Gruppensieger aus Südamerika (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) hatten die Latinos zunächst den besseren Eindruck hinterlassen. Dass die Männer von Oscar Tabarez, das Celeste-Team der Urus am weitesten kommen würde, hätte dabei keiner gedacht. Die Europäer gaben sich (fast) keine Blöße. Mit Deutschland, Holland und Spanien stellte der UEFA-Verband auch schon 3 Gruppensieger. Lediglich die Engländer, mal wieder aufgrund unterirdischer Torwartleistungen, ließen die Amis in ihrer eigenen Gruppe als Sieger vorbei. Das Niveau der Gruppenspiele war nicht wie erwartet hoch. Viele Spiele waren jetzt nicht so der Renner, und selbst Ausnahmekönner wie Kaka, Messi, Cristiano Ronaldo oder Rooney, ließen nur viel zu selten ihr Können aufblitzen und blieben fast allesamt ohne selbst erzieltem Tor. Es traten dafür andere in Erscheinung, denn Spieler wie Iniesta oder Villa, Suarez oder Forlan, Sneijder oder Robben, Gyan oder Müller wußten mit dem neuen Ball, genannt Jabulani, der dem einen oder anderen Torwart noch immer Alpträume nachts bereitet, mehr als gekonnt um zu gehen. Am Ende hatten die Minimalisten aus Spanien die Nase vorn, aber richtig weit vorn. Auch wenn die Schützlinge von Trainer Del Bosque die letzten vier Spiele allesamt mit 1-0 gewannen und so den triumphalen Titelmarsch für die Iberer zum ersten Mal in der WM-Geschichte einleiteten, diese Mannschaft ist eine Klasse für sich. Es bleibt uns in Erinnerung ein überglücklicher Torwart Casillas, der immer wieder von seiner Freundin interviewt wird und nach dem Finale alles mit dem wahrscheinlich berühmtesten Kuss des Jahres in Spanien endet. Gespickt mit Spieler die Sergio Ramos, Busquets, Xavi, Xabi Alonso, Iniesta, Villa und Torres allesamt Ausnahmekönner, muss man sich die Frage stellen, wer soll diese Mannschaft stoppen, da Spanien nur zwei der letzten 54 Länderspiele verloren hat.

Mit schönem Fussball bei dieser WM haben uns auch die Holländer verwöhnt. Der 2te Platz für Oranje ist ein Riesenerfolg, was die Europäer ganz schon nach vorne puschte, nachdem man 3 von 4 Halbfinalisten stellte. Allerdings sind die Holländer auch die ewigen Verlierer, denn sie standen bereits 1974 und 1978 jeweils im Finale. Gewonnen haben sie aber nie. Dennoch sind sie die einzige Mannschaft die buchstäblich alle Gruppenspiele in der Europaquali und bei der WM gewann. Sie gewannen auch weiter in der K.O.-Phase mit teilweise begeisterndem Fussball. Selbst Brasilien musste trotz Pausenführung die Segel gegen die Holländer streichen. Nur merkwürdig, dass ausgerechnet im Finale die Marwijk-Jungs das Siegen verlernten, dank auch einem Casillas....

Deutschland schaffte mehr als ein Platz 3. Die Mannschaft von Jogi Löw spielte befreit und mehr als couragiert in Abwesenheit seines etatmäßigen Kapitäns Michael Ballack, der aufgrund einer Verletzung schon vorher absagen musste. Mit viel Enthusiasmus und das Glück des Tüchtigen konnte man viele Tore und schöne Aktionen der deutschen Mannschaft sehen. Spieler wie vor allem Müller, aber auch Özil, Lahm, Khedira oder Schweinsteiger wuchsen über sich hinaus und waren sehr nahe dran eine Sensation zu schaffen.Unvergessen bleiben die jeweils 4 Tore gegen Maradonas Argentinien, der nach der WM entnervt als Nationaltrainer aufgab, oder gegen die vom Italiener Capello trainierten Engländer. Mal wieder gewann Deutschland gegen England, was schon vor über 20 Jahre der altgediente britische Stürmer Gary Lineker meinte : "wenn England gegen Deutschland spielt sind 22 Spieler auf dem Feld und die Deutschen gewinnen immer!". Er scheint heute noch recht zu behalten. Eine positiv verlaufene WM aus deutscher Sicht, die sich für manch einen wie für den fleißigen Ex-Kapitän der U-21 Sami Khedira in einen Wechsel zu Real Madrid buchstäblich ummünzen ließ. Junge deutsche Spieler sind wieder gefragt und das macht Hoffnung, denn Deutschland schickte den jüngsten Kader seiner WM Geschichte zu dieser Weltmeisterschaft. Jogi Löw hat es verstanden die Mischung aus Erfahrung und den Hunger der neuen, jungen Spieler prima in Szene zu setzen. Bei stetiger Weiterentwicklung dieser Generation, die bereits im Juniorenbereich einige Titel vorweisen kann, ist mit dem mittlererweile langersehnten 4ten WM-Titel bald schon zu rechnen.

Der Vorhang ist über Südafrikas WM gefallen. Er geht wieder in vier Jahren am Zuckerhut wieder auf. Brasilien wird der nächste Ausrichter sein. Ein neuer Wettbewerb und eine neue Chance für Deutschland sich von der besten Seite zu zeigen. Wir sagen auf Wiedersehen am Kap und bis bald an der Copa Cabana...