VON RICHARD KEHL | 09.03.2010 12:13

Gegen das Sprachgefühl

Texte auf Suchmaschinen optimieren

Endlich ein passendes Thema recherchiert, einen Artikel dazu verfasst und dann die Frage: „Ist der Text auch auf Suchmaschinen optimiert?“ Vor 30 Jahren hat man noch nicht einmal gewusst, was eine Suchmaschine ist. Hätte man mich das damals gefragt, hätte ich gesagt, ob es sich um ein Synonym für Wünschelrute oder Staubsauger handelt.


Und in der Tat, eine Online-Suchmaschine ist nichts anderes wie eine Wünschelrute oder Onlinestaubsauger, die einen den Weg zeigt und Schlüsselwörter in sich aufsaugt. Je häufiger ein Wort vorkommt und je exotischer es klingt, wird es im Netz am höchsten gelistet und von Suchmaschinen ausgespuckt. Klingt komisch ist aber so.


Hat die Rechtschreibreform nicht schon für genug Verwirrung und Anarchie gesorgt? Manche Tageszeitungen und Politmagazine boykottieren einfach die Rechtschreibreform, handeln nach den alten Regeln, andere nicht. Aber das hat immer noch nicht ausgereicht, um meine Welt, die der Online Redakteure, Autoren, Journalisten und anderen Schreiberlingen noch mehr auf den Kopf zu stellen.


Jetzt müssen Texte auch noch suchmaschinenoptimiert und mit sogenannten Schlüsselwörtern gekennzeichnet sein! Danke Google, danke Yahoo und Konsorten – das sind sie wieder meine drei Probleme. Bevor ich nicht wusste was das heißt „suchmaschinenoptimiert“ wollte ich schon eine Wünschelrute basteln und diese über meine Texte führen. An der Stelle wo diese ausschlägt, das wird dann als Schlüsselwort genommen. Und in der Tat, Suchmaschinen funktionieren ähnlich wie eine Wünschelrute: Der Text wird mit der Häufigkeit der vorkommenden Wörtern mittels einer „Textwolke“ angezeigt: Je häufiger ein Wort vorkommt, desto größer wird dieses angezeigt. Allerdings sind Bindewörter oder Artikel wie beispielsweise „und, der, die das“ völlig belanglos.


Mir ist in meiner redaktionellen Laufbahn eingetrichtert worden: vermeide Wiederholungen und nutze Synonyme. Das kann ich jetzt in die Tonne treten. Stattdessen ist die Parole: Wiederhole Wörter so oft Du kannst. Aber das reicht ja auch noch nicht aus. Nein, am besten das Wort klingt noch recht exotisch und ist auf eine Nische und Fachgebiet ausgerichtet. So findet man Kunstwörter mit Verbreitung eines Produkts ganz weit oben im Netz: Keinohrhasen zum Beispiel oder Zweiohrküken stehen erster Stelle in Verbindung mit Kino.


Dabei fällt mir ein: „Habe ich mich in diesem Artikel eigentlich schon oft genug wiederholt?“ Welches Kunstwort kreiere ich hierfür um auch ganz oben in Suchmaschinen-Ranking zu sein. Wie wär es mit Online-Wünschelrute? Mist, das Wort ist erst dreimal im Text vertreten – so kann ich nicht arbeiten, klingt auch nicht spektakulär genug. Jetzt habe ich es: Studentensprachrohr-Schreibmaschine. Nein auch nicht gut, das sind sie wieder mein drei Probleme: habe ich schon gesagt, danke Google, Yahoo und Konsorten. Na, ja, zumindest habe ich mich hier wiederholt.


Übrigens, falls dieser Text im Netz von irgendwem gefunden und womöglich gelesen werden sollte; er ist nicht auf Suchmaschinen optimiert. In diesem Sinne, danke ich für die nicht optimierte Suchmaschinen-Aufmerksamkeit.