| 16.05.2011 16:21

Reise nach Kupres – Bosna i Hercegovina

Diesen Sommer machte ich eine Reise nach Kupres. Ein Dorf in den Hochplateaus von Bosnien. In meinem Reisebericht reflektiere ich das Bild, das ich von diesem sehr speziellen Ort irgendwo im Nirgendwo gewonnen habe.

Reisebeginn
Wer kennt die Klischees nicht. Vollgestopfte Reisecars, im Volksmund auch leicht despektierlich „Jugo-Cars“ genannt, machen sich am Abend auf den Weg zu einer 20-stündigen Fahrt in den Balkan. Trainerhose und Zigaretten scheinen die alltäglichen Accessoires der mitfahrenden Leute zu sein. Jeder Satz, den sie in ihrer Muttersprache von sich geben, scheint in einem aggressiven Ton daher zu kommen.
Ich kann leider auch nicht behaupten, meine Reise vorurteilsfrei angetreten zu haben. Ein älterer Herr, neben dem ich Platz genommen habe, fängt an mich auszufragen. Woher ich komme, wohin ich gehe. Ich gebe zu, mein Erscheinungsbild ist für jemand, der in diese Region reisen möchte, auch etwas gar speziell. Deshalb verwunderte mich das Interesse an meiner Person, die der Herr an den Tag legte, auch nicht sonderlich. Ich gab ihm freundlich Auskunft und liess ihn verstehen, dass meine Gesprächigkeit schon früh Grenzen hat. Denn für so eine Reise gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder man ist in Gesellschaft, mit der man sich die ganze Fahrt über immer wieder unterhält, oder man bleibt für sich und versucht die Reise so ruhig wie möglich zu überstehen. Ich für meinen Teil entschied mich für zweiteres.

Ankunft
Nach gut 20-stündiger Fahrt erreichte ich mein Ziel zur Nachmittagszeit. An dieser Stelle muss ich gestehen, dass ich nicht das erste Mal in Kupres bin. Vielmehr ist es meine zweite Heimat. Meine Mutter stammt aus diesem Dorf und lebt seit kurzer Zeit auch wieder dort. Somit war auch klar, wo ich mein Domizil für meinen Aufenthalt haben würde. In einem Haus, 5 Km ausserhalb der „Stadt“, wie die Bewohner ihren knapp 3’500 Seelen fassenden Ort nennen. Mich irritierte dieser Name ein wenig. Selbst als Schweizer sehe ich diesen Fleck Erde in Ex-Jugoslawien nicht als Stadt an. Jedoch hatte Kupres das gleiche zu bieten wie eine Stadt, wenn man sich die Ausgangsmöglichkeiten ansieht. Auf knapp 5 km2 befinden sich im Ortskern über 25 Restaurants, Cafés oder Bars. Dies hängt vor allem mit dem Tourismus zusammen. Die Region um Kupres zählt zum zweitgrössten Skigebiet Bosniens. Sogar schon Grössen wie die Skifahrerin Janica Kostelic oder die Fussballmannschaft von Dinamo Zagreb waren für Trainings zu Besuch.

Nachtleben
Wie erwähnt, war es ein Leichtes in Kupres Orte zu finden, in denen man gemütlich mal einen trinken gehen konnte. An meinem zweiten Tag erlebte ich schon das erste Highlight. Marko Perkovic trat in Kupres auf. Der bekannteste Musiker Kroatiens stattete der Kleinstadt einen Besuch ab, um ein Benefizkonzert zu spielen. Es ging darum, Einnahmen für die Fertigstellung der städtischen Kirche zu generieren. Der römisch-katholische „Kupreski Dom“ soll die grösste Kirche im Land werden. Marko Perkovic ist vielen hierzulande eher unter dem Pseudonym „Thompson“ ein Begriff. Politischen Kräften haben wir es zu verdanken, dass Thompson letztes Jahr nicht im Froschkönig in Kriens auftreten durfte, weil er angeblich den Ustasa-Kreisen (kroatische faschistische Bewegung, Anm. d. Red.) zu nahe stehe.

Konzert
Die ganze Diskussion rund um den Thompson-Auftritt in Kriens machte natürlich auch mich neugierig. Die Lieder kannte ich natürlich schon. Jedoch waren nicht seine aktuellen Lieder der ausschlaggebende Punkt für das Konzert-Verbot, es musste an der Art und Weise seiner Konzerte liegen. Sehr gespannt wartete ich dem Beginn entgegen. Eine örtliche Gesangsgruppe fungierte als Vorband und liess die Stimmung mit Folklore aufkochen. Als dann Thompson die Bühne betrat, waren alle Besucher aus dem Häuschen. Dutzende von Fahnen wurden geschwungen, bengalische Feuer abgefackelt und vereinzelte Gruppen spulten immer wieder Parolen ab, die ich jedoch nicht wirklich verstand. Als ich meine Begleitung fragte, was diese Leute da denn von sich geben, ermahnte sie mich, ich solle doch bitte solche Fragen für mich behalten, damit sie Umstehende nicht mitbekommen. Das war mir dann schon sehr suspekt.

Was man jedoch mit Sicherheit sagen konnte, war, dass das ganze Konzert zu einem friedlichen und freudigen Fest wurde. Die Geschichte von Kupres während dem Balkan-Bürgerkrieg ist übrigens eine besondere, erhält ihren Platz jedoch woanders. Diese Geschichte verbindet die Leute mit Erinnerungen und Emotionen, die man so in der Schweiz überhaupt nicht kennt. Da Thompson mit seinen Liedern genau diese Emotionen anspricht, ist es auch nicht verwunderlich zu erkennen, was seinen Erfolg ausmacht. Was jedoch unbedingt noch zu sagen ist: Thompsons Lieder während dem Konzert waren in keinster Weise hetzerisch oder aggressiv. Sie waren und sind lediglich Ausdruck des Patriotismus und der Vaterlandsliebe.

Aufenthalt
Die folgenden Tage und Wochen, die ich in Kupres verbrachte, waren ein Spiegelbild dessen, was die Leute in Kupres tagtäglich erleben. Es passiert praktisch nichts. Ähnlich wie in Schweizer Dörfern. Nur hat man in der Schweiz einen Anschluss zur Welt. In Kupres ist man praktisch von der Aussenwelt abgeschnitten. Es gibt viel Gebirge, viele Seen und ganz wenig Arbeit. Die Hauptbeschäftigung der Leute liegt in der Forstwirtschaft, in den Kiesgruben, den Bauernhöfen und den Gastronomiebetrieben.

Der Staat Bosnien und Herzegowina
Bosnien und Herzegowina ist ein Retortenstaat. Er wurde unter UN-Aufsicht gegründet und ist nach dem Bürgerkrieg Mitte der 90er-Jahre einer der wenigen noch existierenden Vielvölkerstaaten in Europa. Die Mehrheit bilden die muslimischen Bosnier, mit ca. Zweidrittel der vier Millionen Einwohner. Dann kommen die orthodoxen Serben mit ca. 20 %. Und schliesslich bilden die römisch-katholischen Kroaten mit 10 bis 15 % die kleinste der drei Gruppierungen. Kupres ist bewohnt von über 95 % Katholiken. Es befindet sich jedoch in der Triangel zwischen Bugojno, eine der grössten muslimischen Städte und dem serbischen Teil im nördlichen bis nordöstlichen Gebiet von Bosnien-Herzegowina.

Jeder Mensch, der vielleicht mal in Kroatien war oder der sich für Orte interessiert, an denen noch nicht so viele Menschen waren, sollte unbedingt mal Bosnien bereisen. Dieses Land hat sehr viel zu bieten. Die Vielfalt der Menschen und der Natur ist einzigartig und auf jeden Fall einen Besuch wert!