VON NORA GRAF | 10.09.2014 11:52

"World Overshoot Day" - Die Welt ist erschöpft

Was klingt wie ein Freudentag, ist jedoch kein Anlass zum Jubeln: Denn der "World Overshoot Day" markiert den Zeitpunkt, an dem die Menschheit alle natürlichen und erneuerbaren Ressourcen für ein Jahr verbraucht hat. Dieses Jahr war das am 19. August der Fall, zwei Tage früher als im Jahr davor und vier Tage früher als im Jahr 2012. Die Reserven der Erde sind nach knapp acht Monaten erschöpft, ab jetzt lebt die Menschheit vom Raubbau der Ressourcen. Der globale "Overshoot" wird immer mehr zu einer der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.


Grundlage dieses alarmierenden Zeitpunktes bilden die Berechnungen der Organisation Global Footprint Network, eines internationalen Think-Tank zum Thema Nachhaltigkeit. Das Netzwerk misst, wie viel Natur vorhanden ist und wie viel wir davon verbrauchen. Im Besonderen heißt das: Es vergleicht den ökologischen Fußabdruck des Planeten mit der gesamten globalen Biokapazität. Jedes Jahr berechnen die Wissenschaftler dieses Verhältnis neu, und jedes Jahr erschrecken sie und warnen aufs Neue. Doch es ist keine Besserung in Sicht, im Gegenteil: So früh wie dieses Jahr waren die Ressourcen der Erde noch nie verbraucht.

Zukunft studieren

Laut den Daten des Global Footprint Network hat die Menschheit Mitte der 1970er Jahre eine kritische Grenze überschritten. Als Folge von Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum begann die Überschreitung der ökologischen Grenzen. Im Jahr 1987 war es dann soweit: Am 19. Dezember war Schluss mit den natürlichen Ressourcen. 2000 war am 1. November Overshoot Day, 2009 bereits am 25. September und dieses Jahr am 19. August. Die Ökosysteme können die Ressourcen nicht mehr erneuern, den produzierten Müll nicht mehr aufnehmen und die Schadstoffe – insbesondere das Kohlendioxid – nicht mehr binden.

Hauptimporteur: Europa

Im Auftrag der EU haben Wissenschaftler komplexe Untersuchungen zur Ökobilanz und dem ökologischen Fußabdruck von 43 Staaten durchgeführt. Ihre Studie "The Global Resource Footprint of Nations" bildet die Importe und Exporte von Umwelt in einer verwobenen Wirtschaft detailliert ab. Die Perspektive liegt dabei mehr auf dem Verbrauch von Ressourcen und weniger auf deren Produktion. Deutlich wird dabei: Viele europäische Staaten bilden die Hauptimporteure der knappen Rohstoffe.

Europa importiert nicht nur russisches Gas, sondern auch afrikanisches Land, indische Kohlendioxid-Emissionen und chinesisches Wasser. Die Auswirkungen müssen dann diese Regionen tragen, sie sind es, die mit den Folgen des Klimawandels zurecht kommen müssen. Afrika wird zu einem "Brennpunkt des Klimawandels", dem Überschwemmungen, Dürren und Systemschäden bevorstehen und Indiens Gletscher im Himalaja drohen zu schmelzen.

Auch Deutschland ist beim Importieren der kostbaren Umwelt ganz vorne mit dabei: Trotz vieler Flüsse, Seen und Regentage importiert die Bundesrepublik ungeheure Mengen an Wasser, umgerechnet täglich etwa 805 Liter pro Einwohner. Dies aber nicht in direkter Form über Trinkflaschen oder Wassertanks, sondern in "virtueller" Form. Während der Wasserverbrauch von Privathaushalten stetig zurückgeht, steckt der Großteil dieses Wassers verdeckt in Lebensmitteln und Industriegütern.

Anschaulich wird dies am Beispiel von Kaffee: Für eine Tasse am Morgen werden 140 Liter „virtuelles Wasser“ benötigt – für die Aufzucht der Bohnen, die Verpackung, den Transport und die Herstellung des fertigen Produkts. Durchschnittlich verbraucht jeder Bürger in Deutschland täglich 1.027 Liter Wasser, 63 Quadratmeter Land und 68 Kilogramm Rohstoffe und "produziert" 45 Kilogramm Kohlendioxid.

Würden alle so konsumieren wie die deutsche Gesellschaft bräuchten wir vier Erden. Wie das in Zukunft funktionieren soll, geht aus den Untersuchungen der Wissenschaftler nicht hervor. Vielleicht müsste tatsächlich das Licht ausgehen, damit sich politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich was ändert.