VON MAXIMILIAN REICHLIN | 07.06.2016 15:31

Woher kommt die deutsche Sprache?

Die deutsche Sprache ist eine der wichtigsten und am meisten gesprochenen Sprachen der ganzen Welt. Schon lange versuchen Sprachwissenschaftler, dem Ursprung des Deutschen und seiner Vorläufersprachen auf den Grund zu gehen, können allerdings nur Vermutungen anstellen. Wirklich dokumentiert ist die deutsche Sprachgeschichte erst ab dem frühen Mittelalter, davor liegt sie einigermaßen im Dunkeln. UNI.DE unternimmt eine Zeitreise durch die verschiedenen Theorien und versucht, die Entwicklung unserer heutigen Landessprache nachzuzeichnen.


Das Deutsche gilt heute als eine der zehn wichtigsten Sprachen der Welt. Kaum eine andere europäische Sprache hat so viele Muttersprachler, kaum eine andere ist so weit verbreitet. Die Frage, woher die deutsche Sprache ursprünglich stammt, kann allerdings selbst in der heutigen Sprachwissenschaft nur mit einigem Schulterzucken und vielen Fragezeichen beantwortet werden. Da die Schrift in den frühen Jahrhunderten der Sprachentwicklung schlicht und ergreifend noch nicht erfunden war, lässt sich kaum genau bestimmen, wie und woher sich die einzelnen europäischen Sprachen jeweils entwickelt haben. Es gibt nur Theorien.

Das Indogermanische – Die geheimnisvolle Ursprache

Klar ist, dass sich die germanischen Sprachfamilien, ebenso wie andere europäische Sprachgruppen wie die slawischen, baltischen oder romanischen Sprachen, aus dem sogenannten Indogermanischen entwickelt haben. Wo die Ursprünge dieser europäischen Ursprache liegen, ist unter Wissenschaftlern bis heute umstritten. Weit verbreitet sind allerdings die Steppentheorie, die den Ursprung der Grundsprache in der russischen Steppe verortet, sowie die relativ junge Anatolien-Hypothese. Letztere wurde von einem Forscherteam an der University of Auckland (Neuseeland) aufgestellt und geht davon aus, dass sich das Indogermanische in Anatolien (der heutigen Türkei) entwickelt und vor rund 10.000 Jahren zusammen mit den Kenntnissen der Landwirtschaft in Europa ausgebreitet hat.

Aussterbende Sprachen

Die wandernden Germanen – Aus Skandinavien nach ganz Europa

Aus dem Indogermanischen entwickelten sich später, vor allem in den Gebieten rund um das heutige Deutschland sowie in Skandinavien, die germanischen Sprachen. Dazu zählen neben den nordgermanischen (Schwedisch, Norwegisch, Isländisch, Dänisch) und den ostgermanischen Sprachen (z.B. Gotisch) auch die westgermanischen Sprachen, aus denen sich im Laufe der Zeit das Deutsche sowie das Englische entwickelten. Die Urgermanen waren wohl ab 2.000 v. Chr. im heutigen Skandinavien und Norddeutschland beheimatet. Von dort aus wanderten viele germanische Stämme, vor allem ab dem 2. Jahrhundert n. Chr., nach Süden ab. Eine entsprechende Theorie formulierte der Mediziner Ludwig Wilser bereits Ende des 19. Jahrhunderts, auch diese Hypothese ist bislang allerdings nicht bewiesen.

Stammessprachen und Dialekte – Die ersten deutschen Sprachen

Als relativ gesichert gilt die anschließende Entwicklung der verschiedenen germanischen Stammessprachen zu den sogenannten voraltdeutschen Dialekten. Diese Entwicklung ist von starken Einflüssen der im römischen Reich gesprochenen lateinischen Sprache geprägt. Einige von diesen Dialekten sind in abgewandelter Form auch heute noch gebräuchlich, beispielsweise das Bayrische, das Fränkische oder das Sächsische. Wortschatz und Grammatik der frühen deutschen Dialekte bildeten später die losen Sprachregeln des Althochdeutschen. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass diese Entwicklung um 600 n. Chr. einsetzte und wahrscheinlich bis ins 11. Jahrhundert andauerte. In dieser Periode taucht auch zum ersten Mal das Wort „deutsch“ in seiner heutigen Bedeutung auf: Es bedeutet „völkisch“ oder „dem Volke zugehörig“.

Vom Mittelalter bis heute – Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch, Neuhochdeutsch

Nach dem Zerfall des römischen Reiches im Zuge der Völkerwanderung (5. Jahrhundert), der Christianisierung der heidnischen Stämme in Westeuropa (6. und 7. Jahrhundert) und der Ausdehnung des Frankenreiches (bis ins 9. Jahrhundert) kristallisierte sich zum ersten Mal ein deutsches „Staatsgebiet“ heraus. Hier findet die Reise der deutschen Sprache ein Ende: Die zuvor wandernden Stämme wurden größtenteils sesshaft und bildeten eine „deutsche“ Kultur und Gesellschaft mit einer eigenen Landessprache, die sich vom Althochdeutschen über das Mittelhochdeutsche (der Sprache des Nibelungenliedes) bis zum modernen Neuhochdeutsch entwickelte. Die Sprache wird heute, außer in Deutschland, Österreich und der Schweiz auch in Teilen Italiens, Frankreichs und Belgiens sowie in Liechtenstein und Luxemburg gesprochen.