Kommunikation ist vermutlich eines der wichtigsten und zugleich spannendsten Themen überhaupt, mit welchen wir uns auseinandersetzen können, oder sogar müssen, auch wenn sich ein Großteil unserer täglichen Verständigung gänzlich unbewusst abspielt. Wir erinnern uns an das sogenannte Eisbergmodell und bereits hier wird uns spätestens bewusst, dass wir ohnehin nur einen sehr kleinen Teil unserer alltäglichen Kommunikation begreifen, verstehen und beeinflussen können. So haben wir uns beispielsweise in nur einer Zehntelsekunde von unserem Gegenüber bereits ein Bild, den sogenannten Ersteindruck, gemacht, der nach näherem bewussten Hinsehen dann zutreffen mag oder auch nicht, der aber in jedem Fall nicht ganz so einfach wieder zu revidieren ist. Und das, obwohl die betreffende Person vielleicht nicht einmal ein einziges Wort zu uns gesprochen hat. Ein bisschen oberflächlich, so scheint es, arbeitet unser Unterbewusstsein da und packt, auf Grund bereits gespeicherter Erfahrungen, fleißig all das in Schubladen, was womöglich gar nicht hinein gehört.
Ein Großteil unserer bewussten und unbewussten Kommunikation erfolgt - mit einem Anteil von ca. 38 Prozent - über Intonation / Stimme und Ton. Darüber hinaus trägt unsere Körpersprache, Gestik und Mimik mit ganzen 55 Prozent zu unserer Verständigung - oder manchmal eben auch zu Missverständnissen - bei. Und demnach, so scheint es, haben wir maßgeblich über die verbale Kommunikation, auch wenn diese mit einem vergleichsweise geringen Anteil von ca. 7 Prozent am gesamten Kommunikationsprozess beteiligt ist, die Chance, bewusst(er) zu kommunizieren. Ansätze hierzu gibt es einige. Eine bewährte Kommunikationsmethode finden wir in der „Gewaltfreien Kommunikation“, von Fachleuten oftmals auch nur kurz GFK genannt, wieder.
Gewaltfreie Kommunikation – Empathie, Aufrichtigkeit und Toleranz
Begründet wurde die GFK durch den amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg. Das Konzept baut auf der humanistischen Psychologie auf und lehnt sich stark an die Erkenntnisse von Abraham Masslow, der die sogenannte Bedürfnispyramide entwickelt hat, an. Denn Rosenberg geht in seiner Theorie grundsätzlich davon aus, dass alle Menschen dieselben Bedürfnisse haben. Stark beeinflusst wurde Methode der GFK aber auch durch Mahatma Gandhis Konzept der Gewaltfreiheit sowie die Ideen des US-amerikanischen Psychologen und Psychotherapeuten Carl Rodgers.
Laut GFK beginnt Gewalt bereits in der Sprache. Hierbei bezieht sich der Begriff Gewalt jedoch nicht, zumindest nicht vordringlich, auf die Verwendung oder Vermeidung von Schimpfwörtern, wie man in einem ersten Gedankengang vielleicht assoziieren mag. Die GFK ist vielmehr ein Kommunikationsmittel, das – insbesondere ohne Vorwurf, Angriff oder Kritik – versucht, Verständnis für die Handlungsweisen anderer Menschen zu entwickeln, auch wenn deren Verhalten bei uns selbst auf keinerlei Einverständnis stoßen mag. Folglich geht es darum, eine Sprache zu verwenden, die auf Empathie, Aufrichtigkeit und insbesondere auf Toleranz basiert, eine Sprache, die Verstehen fördert und zu einem Gefühl des Verstandenwerdens führen möchte und das auch kann. Und dies begünstigt natürlich auch die Qualität der Beziehungen zu unseren Mitmenschen. Denn es ist eben nicht zwingend nötig und schon gar nicht möglich, dass wir stets alle unserer Ideen und Forderungen erfüllt bekommen; doch zumindest möchten wir das Gefühl haben, verstanden- und vor allem gehört zu werden.
Du musst dich ändern - Gewalt in der Kommunikation
Allein die in unserer Denk- und Kommunikationsweise weit verbreitete Haltung „Du musst dich ändern.“ bedeutet in der GFK Gewalt. Wie auch jede weitere Form des Denkens und Sprechens, die darauf zielt, andere zu bestrafen, Vorwürfe zu erheben, oder zu kritisieren. Moralische Urteile (richtig und falsch, kompetent und inkompetent etc.) gelten in der GFK ebenfalls als gewaltvoll; ebenso, wenn wir glauben (oder eben kommunizieren) dass unsere Gefühle durch das Verhalten anderer verursacht werden. Und auch gegen uns selbst können wir in diesem Kontext Gewalt anwenden, nämlich dann, wenn wir auch unsere eigenen Bedürfnisse nicht wahrnehmen oder ignorieren. Und da wir uns unserer Bedürfnisse oftmals gar nicht bewusst sind, tun wir dies sogar relativ oft.
Der Satz: „Ich will nicht, dass du so lange im Büro arbeitest.“ stellt weder eine klare Bitte dar, noch offenbart er ein klares Bedürfnis. Vielmehr erkennen wir eine Bewertung bzw. einen Vorwurf. Besser ist es also, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf Werte richten. Werte provozieren nicht und teilen unsere Bedürfnisse klar mit, anstatt unser Gegenüber vor zu verurteilen. Dies ist nicht nur Basis einer friedlichen und verständnisvollen Kommunikation, sondern trägt auch dazu bei, dass wir uns selbst gehört und verstanden fühlen. Der vorgenannte Beispielsatz könnte mit der GFK also folgendermaßen lauten: „Ich brauche eine Verbindung zu dir und wünsche mir, mehr Zeit mit dir zu verbringen. Gemeinsame Abende sind deshalb für mich wichtig. Bitte lass uns diese öfter zusammen verbringen.“
Um gewaltfrei zu kommunizieren, und das bezieht sich nicht nur auf das Senden von Botschaften, sondern insbesondere auch das Empfangen, folgt man bei der GFK einem 4-Schritte-System, welches sich also zunächst einmal auf die reine Beobachtung und das Wahrnehmen von Informationen beschränkt und zwar, ohne diese zu bewerten. [Du hast gerade gesagt, ich würde mich von dir entfernen.] Mit dem zweiten Schritt hören wir in uns hinein und versuchen zu erkennen, welche Gefühle das Gesagte oder nonverbale Verhalten unseres Gegenübers in uns auslöst. [Wenn ich das höre, bin ich traurig.] Dadurch werden wir uns schließlich unserer eigenen Bedürfnisse [Ich brauche Verständnis für meine derzeitige Situation und Harmonie in unserer Beziehung.] bewusst und äußern diese in einem letzen Schritt mit einer konkreten Bitte an unser Gegenüber. [Ich wünsche mir, dass du meine berufliche Tätigkeit akzeptierst und mich dabei unterstützt, solange ich diese Überstunden leisten muss.]
Gefühle vs. Pseudogefühle
Häufig benutzen wir in unserer Kommunikation statt echter Gefühle sogenannte Pseudogefühle, die jedoch ausschließlich eine Bewertung darstellen. Der Satz „Ich fühle mich nicht ernst genommen.“ umschreibt daher kein Gefühl, sondern eben eine Be-/Verurteilung, die ausdrückt, wie ich glaube, wie mich mein Gegenüber sieht bzw. wahrnimmt. Dies muss allerdings absolut nicht mit der Realität übereinstimmen und wird in den meisten Fällen ohnehin nur eine Verteidigungshaltung provozieren und kein Verständnis auslösen.
Wolf oder Giraffe? Mit welchem Ohr hören wir eigentlich?
Und schließlich unterscheidet die GFK auch die Art und Weise, wie wir etwas hören bzw. das Gehörte analysieren. Rosenberg unterscheidet hier zwischen den sogenannten Wolfs- und Giraffenohren. Während der Wolf, in dem was er hört, urteilt und kritisch bewertet, hört die Giraffe, unabhängig dessen, wie und was unser Gegenüber formuliert hat, auf die Bedürfnisse hinter dem Gesagten. Mit Giraffenohren hören wir also zwischen den Zeilen: „Wie geht es mir? Wie geht es meinem Gegenüber? Was brauchen wir?“ Mit Giraffenohren stellen wir eine Verbindung her und erschaffen sowohl bei uns und unserem Gegenüber Mitgefühl und somit die Basis für eine friedliche menschliche Beziehung.
„Ich bin ok, du bist ok.“ GMV – Kommunikation mit gesundem Menschenverstand
Im Prinzip unterliegt die Gewaltfreie Kommunikation auch dem einfachen Prinzip „Ich bin ok, du bist ok.“, ein Satz der eigentlich aus der Transaktionsanalyse des Psychologen Thomas A. Harris stammt und eine weitere wertschätzende Kommunikationsmethode, die GMV (abgeleitet von „mit Gesundem MenschenVerstand“) prägt.