VON JANA NOSSIN | 27.07.2016 13:40

Mahatma Gandhi - Seine Lehren sind gerade heute wieder brandaktuell

Der sympathisch aussehende Mann mit den leicht abstehenden Ohren und der runden Brille ist auch heute noch weltberühmt. Mohandas Karamchand Gandhi, besser bekannt unter dem Namen Mahatma Gandhi, war indischer Staatsmann, Politiker, Unabhängigkeitskämpfer und Yoga-Meister. Vor allem aber war er Freiheitskämpfer, Visionär und Weltveränderer.

Dass er die Welt verändert hat, ist zweifellos. Was er der Welt hinterlassen hat, ist ein außergewöhnliches und herausragendes Exempel darüber, wie durch den Einsatz eines einzelnen Menschen - aus vergleichsweise einfachen Verhältnissen - ein ganzes Land revolutioniert, ein ganzes Volk zur Befreiung geführt- und der ganzen Welt demonstriert werden konnte, dass man allein mit friedlichem Widerstand, Demut und Selbstkontrolle, bestehende Strukturen und starke Machtgefüge nachhaltig verändern und den Lauf des Weltgeschehens beeinflussen kann.

„Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.“ (Mahatma Gandhi)

Geboren wurde Mahatma Gandhi am 2.Oktober 1869 im indischen Bundesstaat Gujarati. Mit seinen drei Brüdern wuchs er in Porbandar, einer kleinen Hafenstadt im Westen Indiens auf. Schon früh wurde der junge Gandhi durch die Glaubensrichtung seiner Familie, dem Hinduismus, geprägt. Er lebte vegetarisch und trank keinen Alkohol. Seine tief religiöse Mutter übte großen Einfluss auf ihn aus. Gemäß dem Prinzip des „Ahimsa“, einer der bedeutendsten Verhaltensregeln im Hinduismus, Jainismus und Buddhismus, folgte Ghandi schon früh dem Prinzip der Gewaltlosigkeit (also keinem Lebewesen weh zu tun oder zu töten), was sein gesamtes späteres Wirken stark charakterisierte und seine Lehren bis heute tiefgründig prägt.

„Ich bin der Wahrheit verpflichtet, wie ich sie jeden Tag erkenne, und nicht der Beständigkeit.“ (Mahatma Gandhi)

Die Familie Gandhi gehörte der dritten Kaste „Vaishya“, der Kaste der Kaufleute und Bauern, und damit zur politischen und gesellschaftlichen Oberschicht. Mahatma Gandhis Vater arbeitete als Anwalt, was ihn später wohl auch zu seinem Jurastudium in England bewegte. 1887 erhielt er, einen sehr guten Schulabschluss vorausgehend, die Zulassung zur Universität. Er entschied sich – entgegen den Einwänden seiner besorgten Mutter – für ein Jurastudium in London. Doch nicht nur Gandhis Mutter missbilligte diese Entscheidung, auch seine Kaste, aus der bis zu diesem Zeitpunkt noch niemand ins Ausland, wo man das Leben als zu weltlich und somit als verwerflich beurteilte, gereist war. Folglich wurde er aus der Kastengemeinschaft ausgeschlossen und als sogenannter „Kastenloser“ auch von der Gesellschaft seines Landes nicht mehr akzeptiert.

„Die Religionen sind verschiedene Wege, die im gleichen Punkt münden. Was macht es, dass wir verschiedene Wege gehen, wenn wir nur das gleiche Ziel erreichen?“ (Mahatma Gandhi)

In London schrieb er sich an der Universität ein und beschäftigte sich neben seinem Studium auch ausgiebig mit allen anderen Weltreligionen, die er ebenfalls akzeptierte. Auch die fremde Lebensart des Landes faszinierte ihn sehr. Schnell integrierte er sich, blieb aber den Maximen seines Glaubens immer treu. Mit seinem Abschluss im Jahre 1891 erhielt er die Erlaubnis als Rechtsanwalt zu arbeiten. Er kehrte nach Indien zurück, doch nur ein Teil seiner Kaste nahm ihn wieder auf, so dass er offiziell ausgeschlossen blieb. Auch seine Versuche, sich eine eigene Existenz als Rechtsanwalt aufzubauen, blieben erfolglos. Im Jahre 1893 erhielt er schließlich über den Geschäftspartner seines Bruders das Angebot, für eine Wirtschaftsgesellschaft in Südafrika zu arbeiten. Sofort sagte er zu und erhielt im Jahre 1894 als erster indischer Anwalt in Südafrika die Zulassung als Rechtsanwalt.

„Stärke entspringt nicht physischer Kraft, sondern einem unbeugsamen Willen.“ (Mahatma Gandhi)

Hier angekommen, erlebte Gandhi erstmals eine sich massive gegen ihn und seine rund 60.000 Landsleute richtende Diskriminierung, selbst Ärzte verweigerten die Behandlung indischer Einwanderer. Die strikte Apartheid in diesem Land führte wohl letztendlich dazu, dass er statt einem Jahr insgesamt 22 Jahre in Südafrika blieb und sich hier für die Bedürfnisse seiner und fremder Religionen einsetzte. Er schrieb Aufsätze, hielt öffentliche Reden gegen die Diskriminierung, veröffentlichte die Zeitung „Indian Opinion“, die auch in englischer Sprache erschien und gründete Kommunen, in denen die Mitglieder ein tugendhaftes, einfaches, aber selbständiges Leben führten. Durch seine Aktivitäten erlangte er immer mehr Bekanntheit, Ruhm und Aufsehen. Immer auf der Suche nach Wahrheit, vertrat er schließlich eine religiös charakterliche Richtung, die man heute Neohinduismus nennt.

Mit der Vereinigung der in Südafrika lebenden Inder gegen die dort herrschenden Apartheidsgesetze, praktizierte er erstmals den für ihn charakteristischen gewaltlosen Widerstand. Und auch er selbst entwickelte sich immer selbstloser, kämpfte stets für seine Überzeugungen, jedoch ausschließlich mit friedlichen Mitteln.

1914 kehrte Mahatma Gandhi nach Indien zurück. Sein Ruf war ihm auch hier längst vorausgeeilt. In seinem Land nannte man ihn bereits „Mahatma“, was so viel wie „große Seele“ bedeutet. Gandhi lehnte den Namen jedoch stets ab, da er sich als Wahrheitssuchender und nicht als Heiligen sah.

„Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.“ (Mahatma Gandhi)

Indien war mittlerweile als Kolonie fest in britischer Fremdherrschaft. Unfaire und diskriminierende Gesetze unterdrückten das Land und schränkten seine Bewohner stark ein. Mahatma Gandhi rief seine Landsleute zum friedlichen Widerstand auf. Sie folgten seinem Aufruf und zogen sich aus der Öffentlichkeit zurück, gingen nicht mehr zur Arbeit oder in Geschäfte, wodurch sie letztendlich das regierende System boykottierten. Die sogenannte „Spinnrad-Kampagne“ erlangte besonders Aufsehen. Gandhi rief in dieser dazu auf, Stoffe ausschließlich selbst herzustellen, um den Import englischer Stoffe zu boykottieren. Durch seinen Widerstand brach Gandhi natürlich zwangsweise oftmals vorherrschende Gesetze und musste deshalb mehrfach ins Gefängnis, wo man ihn jedoch nie lange festhalten konnte, da sich sein Widerstand immer auf friedlicher Basis bewegte.

Der Salzmarsch - „Was man mit Gewalt gewinnt, kann man nur mit Gewalt behalten.“ (Mahatma Gandhi)

Im Jahre 1930 kam es mit dem legendären „Salzmarsch“ zum wohl bekanntesten Aufstand gegen die britische Fremdherrschaft, der den gewaltlosen Unabhängigkeitskampf Indiens in der ganzen Welt berühmt machte und zu einem Meilenstein der Unabhängigkeit Indiens von der britischen Kolonialherrschaft wurde.

Die britische Regierung kontrollierte ihrer Zeit im ganzen Land die Gewinnung von Salz sowie dessen Handel, der wiederum nur den Briten erlaubt war. Durch die hohen Steuern, die auf das Salz erhoben wurden, konnten sich arme Menschen kaum Salz leisten. Salz stellt aber, gerade in warmen Ländern, ein wichtiges und unentbehrliches Lebensmittel dar.

Gandhi rief also abermals zu einem friedlichen Protestmarsch auf. Zusammen mit seinen Anhängern, legte er - von seinem Ashram bis zum Meer - einen Fußmarsch von ca. 400 Kilometern zurück. Immer zahlreicher wurden die Menschen, die sich der Gruppe anschlossen, bis schließlich mehrere Tausend zusammen kamen, um auf diese friedliche Weise zu protestieren. 24 Tage dauerte der lange und beschwerliche Marsch, bis sie endlich das Arabischen Meer erreichte. Hier angekommen, hob Gandhi symbolisch einige Körner Salz auf und symbolisierte damit seinen Protest gegen das Salzmonopol der britischen Regierung. Über die Presse forderte er die Menschen im Land auf, Salz durch Meerwasserverdampfung selbst herzustellen.

Akzeptanz vs. Toleranz

„Wenn du im Recht bist, kannst du dir leisten, die Ruhe zu bewahren, und wenn du im Unrecht bist, kannst du dir nicht leisten, sie zu verlieren.“ (Mahatma Gandhi)

Vor den Salzwerken hatten sich indes britische Polizisten positioniert, die die friedlich protestierenden Menschen bei ihrer Ankunft brutal mit ihren Schlagstöcken nieder schlugen. Die Gruppe wehrte sich dennoch nicht, jeder einzelne blieb gewaltfrei, aber dennoch resolut. Die britische Regierung aber geriet durch ihre gewalttätige Reaktion international so unter großen Druck.

Wie von Gandhi aufgetragen, stellten die Menschen in Indien fortan Schüsseln mit Meerwasser in die Sonne, um das Wasser zu verdampfen und Salz zu gewinnen, das sie dann für sich und ihre Familien verwendeten, mit anderen Gütern tauschten oder steuerfrei weiter verkauften.

Durch diesen unerlaubten Handel wurden viele verhaftet, darunter auch Gandhi. Der Druck der internationalen Öffentlichkeit war jedoch so groß, dass man ihn im Januar 1931 wieder entlassen musste. Und auch gegen die indische Bevölkerung, die seither ihr Salz selbst herstellte, konnte die Polizei nicht viel ausrichten. Letztendlich beugte sich die britische Regierung dem Boykott und öffentlichem Druck und erlaubte, dass indisches Salz steuerfrei verkauft werden durfte.

Inzwischen wieder aus der Haft entlassen, zog sich Gandhi im Jahre 1934 mehr und mehr aus der politischen Bewegung zurück und engagierte sich insbesondere für die „Unberührbaren“ in seinem Land. „Wenn Gott in allem wohnt, was im Universum existiert, wenn der Gelehrte wie der Straßenkehrer von Gott sind, dann gibt es keinen, der hoch ist, und keinen, der niedrig ist, alle sind ohne Einschränkung gleich, sie sind gleich, weil sie die Geschöpfe jenes Schöpfers sind.“ (Mahatma Gandhi)

1942 sandte das britische Kriegskabinett eine Delegation nach Indien. Obwohl Gandhi zu dieser Zeit nicht mehr Präsident des Indischen Nationalkongresses (INC) war, wirkten seine Ideen über die vollständige Unabhängigkeit Indiens im Arbeitsausschuss des INC noch immer nach. Gandhi selbst hielt eine lange öffentliche Rede und forderte die Briten auf, Indien jetzt ordentlich zu verlassen. Der indischen Bevölkerung hingegen riet er mit „Do Or Die – Handle oder Stirb“ zu gewaltfreiem Protest. Die Meldung verbreitete sich wie ein Lauffeuer und bewirkte Revolutionen im ganzen Land. Die Mitglieder der INC-Ausschüsse, auch Gandhi, seine Frau Kasturba sowie seine beiden Mitarbeiter wurden inhaftiert. Es folgten fast zwei Jahre Haft, die Kasturba und Mahadev Desai, der Sekretär Gandhis, nicht überlebten.

„Willst du einen Gegner überzeugen, musst du ihm die besten und edelsten Züge seines Charakters vor Augen führen. Umwirb ihn auf diese Weise, wo du kannst. Halte ihm nicht seine Fehler vor. (Mahatma Gandhi)

Im März 1946 schickte die britische Regierung erneut eine Delegation, um mit dem INC die Bedingungen einer möglichen Machtübergabe an Indien auszuhandeln. Diese Bedingungen wurden vom INC auch akzeptiert, jedoch nicht von den Muslimen im Land. Es folgten gewaltvolle Revolutionen, die das ganze Land in Aufruhr, ähnlich eines Bürgerkrieges, versetzen. Tausende Menschen wurden getötet oder verletzt. Gandhi – inzwischen wieder in Freiheit – fuhr in die am stärksten betroffenen Gebiete, um die gegnerischen Parteien zur Versöhnung zu bewegen. Um dies zu bewirken, trat er in einen Hungerstreik, der so lange andauerte, bis sein Tod bereits nahe schien. Da aber keine der beiden verfeindeten Fraktionen den Tod Gandhis verantworten wollten, schlossen diese nun Frieden. „Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg.“ (Mahatma Gandhi)

„Auge um Auge - und die ganze Welt wird blind sein.“ (Mahatma Gandhi)

Diese Friedensmission bezeichnete Gandhi später als die schwierigste seines Lebens. „Alle unsere Steitereien entstehen daraus, dass einer dem anderen seine Meinung aufzwingen will.“ (Mahatma Gandhi). Er erreichte, dass sich die Menschen beruhigten, dennoch war die Kluft zwischen Hindus und Muslimen zu groß. Der Frieden dauerte nicht lange an.

Scheinbar unüberwindbar waren die Differenzen, die letztendendes auch die Abwehr des Landes zu bedrohen schienen. So schlug der britische Vizekönig die Teilung des Gebietes in zwei Staaten vor, die im Jahre 1947 schließlich mit der Unabhängigkeitserklärung Indiens und Pakistans besiegelt wurde. Die Teilung seines Landes in zwei Staaten bezeichnete Gandhi als eine Tragödie, denn damit endete der Traum eines großen Staates, in dem Menschen aller Religionen, Volks- und Gesellschaftsgruppen friedlich vereint leben.

„Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt.“ (Mahatma Gandhi)

Gandhis Bemühungen zum Frieden führten dazu, dass sich die verfeindeten Religionsparteien plötzlich auch gegen ihn wandten. Am 30. Januar 1948 wurde Gandhi von einem fanatischen Hindu erschossen. Noch am Totenbett verzieh er ihm seine Tat. „Der Schwache kann nicht verzeihen. Verzeihen ist eine Eigenschaft des Starken.“ (Mahatma Gandhi)

Epilog - „My life is my message.“ (Mahatma Gandhi)

Die Lehren Mahatma Gandhis sind auch heute noch - oder vielleicht gerade heute wieder - brandaktuell.

In einer Zeit, die geprägt ist von Gewalt, Krieg, Unterdrückung, Ausbeutung, Zerstörung und Angst, erkennen wir nun langsam immer mehr, dass die Wege, die wir gingen, in eine falsche Richtung führten. Dass es nicht gut sein kann, die Augen vor dem Leid der Welt zu verschließen und ausschließlich andere dafür verantwortlich zu machen, da die Zeit kommen wird, ja bereits gekommen ist, dass unsere Handlungen wie ein Bumerang auf uns zurück treffen. Kann man Krieg und Terrorismus wirklich mit Waffenlieferung, Aufrüstung und Krieg bekämpfen? Wie ein Spiegel präsentiert uns das heutige Zeitgeschehen unbarmherzig, doch jeden Tag aufs Neue, was wir in Vergangenheit erschaffen haben. Wir sind beunruhig und verängstig. Ja, die Welt scheint schlecht. Doch am Ende, sind es nicht wir selbst, die sie schlecht gemacht hat? Denn auch das Unterlassen einer Handlung ist womöglich eine Tat. Doch was kann ein Einzelner schon bewirken? Betrachten wir die Geschichte von Mahatma Gandhi und lassen wir uns inspirieren. Denn diejenigen, die die Welt verändert haben, waren nicht die, die beharrlich mit dem Strom geschwommen sind.

Und letztendlich beginnt der „Zivile Ungehorsam“ zuerst beim Hinterfragen, ja vor allem beim Hinterfragen der eigenen Handlungsweisen, was wohl den schwersten und mutigsten Part unseres Ungehorsams darstellt. Doch um etwas in der Welt zu (ver)ändern, müssen wir allenfalls bei uns selbst beginnen. Und das nach dem Motto: „Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt.“ (Mahatma Gandhi)