VON ANNABELLA MARTINZ | 08.08.2016 16:38

Warum Zuhören so anstrengend ist

Zuhören bedeutet nicht nur Hören. „Hast du das verstanden?“ werden Kinder oft gefragt. Die Kernaussage vielleicht schon, den ganzen Inhalt allerdings nicht. Was hinter einer Aussage steckt wird nicht weiter erörtert. Und so zieht sich das Nicht-Ganz-Zuhören durch das ganze Leben. Viel einfacher fällt es unserem Gehirn, sich seinen eigenen Reim auf etwas zu machen, statt Nachzufragen und die Hintergründe zu erfahren. Es entstehen Missverständnisse und Fehlkommunikation.




„Du hörst dich lieber selbst reden“

Viele Menschen möchten auch überhaupt nicht zuhören, sondern sich lieber selbst mitteilen. Das Gesprochene des Gegenübers dient nur als Grundlage, um wieder auf sich selbst zu lenken. Doch wofür wird dann überhaupt ein Gespräch geführt? Im Grunde genommen wird das Gegenüber nur als eine austauschbare Person wahrgenommen, eine Silhouette ohne Wert, ohne Charakter. In der modernen Welt, in der die Selbstdarstellung einen hohen Stellenwert hat, fällt es oftmals schwer, sich auf eine andere Person als die eigene zu konzentrieren. Was für Smalltalks und lockere Bekanntschaften förderlich ist, kann einem richtigen Gespräch im Wege stehen. Denn um ein solches zu führen, muss sich auf das Gegenüber eingelassen werden.

Warum Zuhören so schwer ist

Das Zuhören ist ein sehr komplexer Prozess, bei dem mehrere Komponenten gegeben sein müssen. Der Zuhörer muss Interesse an dem Thema haben, sonst wird es ihm auf lange Sicht schwer fallen, die Konzentration beizubehalten. Der Zuhörer muss außerdem neugierig sein, Fragen haben oder in irgendeiner Art und Weise merken, dass er einen Nutzwert aus dem Gesprochenen ziehen kann. Wenn das nicht der Fall ist, kann Zuhören ganz schön anstrengend werden. Auch die Mimik und Gestik des Sprechenden sowie die Tonlage spielen eine große Rolle. Durch die Art und Weise wie etwas gesagt wird, werden Gefühle und Ansichten transportiert. Um sein Gegenüber verstehen zu können, reicht es nicht aus, nur die Worte aufzunehmen. Auch Dialekte, die Tonfarbe und der Wortschatz spielen eine bedeutende Rolle. Benutzt der Sprechende ausschließlich Fremdwörter, spricht undeutlich oder zu leise, kann das Zuhören zur Herausforderung werden. Das Gehirn ist auf längere Sicht hin schlichtweg überfordert und schaltet ab.

Nur im Zuhören ist Wahrnehmen enthalten

Der Buddhismus lehrt das richtige Zuhören. Zuhören bedeutet, sich auf das Gegenüber einzulassen und sich selbst in den Hintergrund zu stellen. Doch richtiges Zuhören muss trainiert werden.

Lärm, Stille und alles dazwischen

Tipps zum richtigen Zuhören

Bevor ein Gespräch gestartet wird, sollten alle elektronischen Geräte außer Reichweite sein. Dazu gehört zum Beispiel, dass das Handy nicht auf dem Tisch liegt, während man sich mit einer Person unterhält. So können Ablenkungen von Vornherein vermieden werden. Zusätzlich zählt auch die Körperhaltung. Sitzt man dem Gegenüber zugewandt, konzentriert man sich auf diese Person. Zeigt der Körper schräg in eine andere Richtung zeugt das von Ablenkung oder Desinteresse. Wird ein Gespräch angefangen, sollte sich der Zuhörende voll und ganz auf das Gesprochene konzentrieren. Gibt es Missverständnisse oder bleiben Dinge im Unklaren, können Zwischenfragen nicht nur zur Aufklärung beitragen, sondern auch dem Sprechenden Mut machen, weiterzusprechen. Das Gegenüber fühlt sich sofort motiviert, weiterzusprechen und Details zu erzählen, die sonst vielleicht nicht zum Vorschein gekommen wären.

Höflicherweise lässt man sich gegenseitig aussprechen und geht erst dann auf das Gesagte ein. Das heißt allerdings nicht, dass man seine eigenen Standpunkte mitteilen müsste. Erst, wenn man sich ganz sicher sein kann, das Gegenüber verstanden zu haben und dieses um Rat frägt, kann man mit Tipps und Ratschlägen einspringen. Doch das erst im nächsten Schritt. Vorerst gilt es, sich selbst zurückzunehmen und sich auf die andere Person einzulassen.

Vorteile des richtigen Zuhörens

Auch wenn es Zeit, Konzentration und Anstrengung kostet, lohnt sich das Zuhören für beide Seiten. Die Beziehung zweier Personen wird durch aufmerksames Zuhören gestärkt, denn es entstehen weniger Missverständnisse. Falls doch welche entstehen sollten, können sie durch Nachfragen sofort aus der Welt geschafft werden.

Ein aufmerksamer Zuhörer wird außerdem mehr Informationen bekommen als einer, der nebenher an seinem Handy tippt. Und schlussendlich erhält man vielleicht genau diese eine Information, die einem selbst weiterhelfen kann. Braucht man selbst mal ein offenes Ohr, wird dieses für einen richtigen Zuhörer leichter zu finden sein, denn auch ihm wird mit der gleichen Aufmerksamkeit und Konzentration entgegengetreten, die er in der Vergangenheit für jemand anderen aufgewendet hat. Nur durch eine gesunde Kommunikation kann eine gesunde Beziehung entstehen. Sei es in der Berufswelt oder im Privaten.