VON NORA GRAF
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17.09.2015 13:00
Weiß-gold oder blau-schwarz? Unterschiede beim Farben-Sehen
Vor einiger Zeit tauchte ein Bild von einem Kleid im Internet auf, das Anlass zu hitzigen Diskussionen lieferte. Der Grund war einfach, die Antwort aber komplizierter. Manch einer sah das Kleid in den Farben Weiß und Gold, anderen wiederum erschien es blau und schwarz. Wie kann das sein?
Um die Verwirrung über das Kleid aufzulösen: Es ist blau. Doch die verschiedenen Wahrnehmungen liegen, vereinfacht ausgedrückt, an dem Licht, das den Gegenstand erhellt. Die Informationen über die Lichtquelle wirft unser visuelles System eigentlich weg und filtert nur die Informationen über den Gegenstand heraus, so Jay Neitz, Neurowissenschaftler an der University of Washington. Besagtes Kleid scheint jedoch etwas in der Farbwahrnehmung zu stören, so dass manche Leute den bläulichen Einschlag ignorieren und nur Weiß- und Goldtöne wahrnehmen, andere wiederum den goldenen Einschlag ignorieren und nur Blau und Schwarz sehen.
Neben der persönlichen Wahrnehmung scheint es auch Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen den Geschlechtern zu geben: Männer sehen anders als Frauen. Eine Forschergruppe der City University of New York fanden heraus, dass Männer zum einen dieselben Farbtöne bläulicher sehen und zum anderen schwache Kontraste und schnelle Bewegungen besser erkennen können. Dazu untersuchte das Forscherteam 50 normalsichtige Freiwillige zwischen 16 und 38 Jahren. Den Probanden wurde ein Lichtpunkt in einer bestimmten Farbe gezeigt, den sie zuerst beschreiben und des weiteren anhand einer Vergleichsfarbe einordnen mussten. Die Männer nahmen die Farben über das gesamte Spektrum hinweg leicht bläulicher wahr als die Frauen, das heißt ihre Welt erscheint in wärmeren Tönen.
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Was die Kontraste und Bewegungen betrifft, so fanden die Forscher heraus, dass die Männer bei den Tests besser abschnitten als ihre weiblichen. Im ersten Schritt sahen die Probanden Streifen, die entweder senkrecht oder waagrecht angeordnet waren. Die Teilnehmenden mussten angeben, in welche Richtung die Streifen zeigten. Je enger die Dichte wurde, desto schlechter sahen Frauen die Ausrichtung der Streifen. Männer konnten die feinen Kontraste also besser erkennen. Auch bei schnellen Wechseln hatten die Männer weniger Probleme zu erkennen, wohin die Streifen zeigten. Das Wissenschaftsteam macht das Hormon Testosteron dafür verantwortlich, weil dies bei Ungeborenen die Bildung von Gehirnzellen im Sehzentrum und von Nervenverbindungen fördere. Da bekanntlich der Mann mehr von diesem Hormon besitzt, könnte dies der Grund für das bessere Kontrast- und Bewegungssehen sein.
Dass die rechte und die linke Gehirnhälfte unterschiedliche Funktionen besitzen, wissen wohl die meisten. Doch dass auch die
Sprache Einfluss auf unsere Farbwahrnehmung hat, ist dem ein oder anderen vielleicht neu. Die Hirnforschung fand heraus, dass das reche Auge Farben anders wahrnimmt als das linke. Das liegt daran, dass das, was im rechten Gesichtsfeld passiert, in der linken Gehirnhälfte verarbeitet wird, also dort, wo das Sprachzentrum liegt. Während die einen zwar behaupten, dass die Sprache nur das ausdrückt, was das Gehirn auch sieht, so behaupten die anderen, dass auch umgekehrt die Sprache die Wahrnehmung beeinflusst.
Beim Farben-Sehen fanden Studien folgendes heraus: Nur das, was die linke Gehirnhälfte wahrnimmt, wird auch durch die Sprache beeinflusst, alles andere nicht. Tests ergaben, dass zum Beispiel sehr ähnliche Farben, die aber sprachlich verschiedenen Kategorien angehörten, im rechten Teil des Gesichtsfeldes – und damit der linken Gehirnhälfte – schneller unterschieden wurden als im linken Teil, der mit der rechten Gehirnhälfte – dem räumlichen Sehzentrum – verbunden ist. Anscheinend verstärkte die sprachliche Differenz den Unterschied in der Wahrnehmung. Diese Schlussfolgerung legt auch ein weiteres Experiment nahe: Ist das Sprachzentrum beim Farbtest mit einer zusätzlichen Aufgabe beschäftigt, so steht einem keine Hirnkapazität mehr zur Verfügung und die erleichterte Unterscheidung der Farben funktioniert nicht mehr. Wird hingegen das räumliche Gedächtnis – die rechte Gehirnhälfte – beansprucht, dann hat das keinen Einfluss auf die Farbwahrnehmung.
Wie auch das Beispiel mit dem Kleid zeigt, nehmen wir unsere Welt zwar nicht gleich wahr, bestimmte Farben scheinen aber gewisse Wirkungen zu haben, die bei vielen Menschen ähnlich ausfallen. So zum Beispiel schwarze Kleidung: In fast allen Kulturen wird Schwarz mit dem Bösen und dem Tod verbunden. Untersuchungen beim Eishockey ergaben, dass die Anzahl der gegen sie ausgesprochenen Penaltys bei Mannschaften, die schwarze Trikots trugen, am höchsten war. Das könne zum einen an der Voreingenommenheit der Schiedsrichter liegen, also an einer sozialen Wahrnehmung, oder an der Selbstwahrnehmung, etwa an einer gesteigerten Aggressivität der Spieler selbst. All das macht deutlich: Farben sind mehr als nur Wellen oder elektromagnetische Strahlen.