VON CLEMENS POKORNY | 28.09.2015 13:25

Bunt, bunt, bunt sind alle meine Kleider? Über die Farbsymbolik der Kleidung

Welche Farben trugen unsere Vorfahren in früheren Jahrhunderten? Die kurze Antwort lautet: Viel weniger als heute, aber das Spektrum reichte viel weiter als man meinen könnte. Viele Farbstoffe mussten importiert werden, und leuchtende Farben kosteten, wie edle Stoffe auch, viel Geld. Mit der Kleidung wurde daher nicht zuletzt die hierarchische Sozialordnung markiert.


Man muss schon einen besonders guten Geschichtsunterricht genossen haben, um etwas über den Alltag unserer Vorfahren zu wissen und nicht nur über historische Ereignisse und Herrscher. Zumindest einen Gesichtspunkt der Alltagsgeschichte beleuchtet dieser Artikel: Es geht um die Farben von Kleidungsstücken der Vergangenheit.

Privilegien durch Erben

Zwar durften vom Mittelalter bis weit in die Neuzeit nur Adel und Klerus leuchtende Farben tragen, insbesondere Purpurrot. Sie setzten damit eine antike Tradition fort, nach der die kostbare, aus Meeresschnecken gewonnene Farbe denjenigen, die in der gesellschaftlichen Hierarchie am höchsten standen, Distinktion verschaffte. Doch auch wohlhabende Handwerker, Kaufleute oder Angehörige sonstiger „ehrbarer“ Berufe und Branchen trugen ihren Reichtum modisch zur Schau. Vor allem im weitgehend analphabetischen Mittelalter dienten Farben dazu, die soziale Position ihrer Träger zu markieren. Anders als heute, da Reiche mit Prestigeobjekten protzen oder dies auch bleiben lassen können, wurde damals von den Angehörigen eines jeden Standes erwartet, sich ihrem Status entsprechend zu kleiden. Neben der Art der einzelnen Kleidungsstücke war somit die Wahl von Stoff, Schnitt und Muster eingeschränkt. Und wer es sich leisten konnte, zog gefärbte Gewebe vor.

Konkrete Farben aber waren nur kirchlichen Würdenträgern vorgeschrieben – und sind es bis heute. So tragen beispielsweise katholische Bischöfe grundsätzlich violette (also annähernd purpurfarbene) Gewänder, Kardinäle dagegen karminrote. Für jeden Tag des Kirchenjahres ist dabei eine eigene Gewandfarbe festgelegt, je nachdem, ob es sich um einen Werk- oder Feiertag handelt, wobei bei Letzteren nochmals differenziert wird.

Im Mittelalter waren neben einfarbigen auch knallbunte Kleider beliebt. Teuer war alles Gefärbte, ließen sich die Farben doch nur mit großem Aufwand gewinnen. Für ein Gramm Purpur mussten 10.000 Meeresschnecken getötet werden. Der die blaue Farbe Indigo liefernde Färberwaid brachte Erfurt 800 Jahre lang Wohlstand. Rote Farben wie Kermes und Karmin stammten von Schildläusen, etwa blattlausgroßen Tieren – auch diese Stoffe ließen sich also nur sehr mühsam produzieren. Goldgelbe Töne lieferte der im Mittelmeerraum und Vorderasien kultivierte Safran, bis heute eines der teuersten Gewürze der Welt, weil nur der eine Stempel pro Blüte verwendet werden kann. Ansonsten freilich galt Gelb, mit einfacheren Mitteln produziert, als Farbe der Ausgegrenzten, der Juden etwa oder auch der Prostituierten.

Die Bauern, die bis ins 19. Jahrhundert die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung (bis zu 90%) bildeten, konnte sich farbige Kleidung kaum leisten. Sie trugen daher erdige Töne wie das Grau ungefärbter Wolle, zuweilen auch Schwarz oder Braunrot. Bunte Kleider sah man in früheren Jahrhunderte daher meist nur in der Stadt oder an Feiertagen, wenn sich auch einfache Bürger mit Festtagsgewändern herausputzten. Heute wird manche Kleidung übrigens nach wie vor mit natürlichen Stoffen gefärbt. Zum Glück sind solche biologisch gefärbten Kleidungsstücke mittlerweile für die meisten Menschen erschwinglich.