VON MAXIMILIAN REICHLIN
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30.09.2015 15:18
Die Farben der Hoffnung – Gaza wird zur bunten Stadt
Die Stadt Gaza ist durch den Krieg zwischen Israel und Palästina zu großen Teilen zerstört worden. Nun herrscht Waffenstillstand zwischen den Parteien und der Wiederaufbau der Stadt ist in vollem Gange. Doch die Gemüter der Einwohner können nur schwer beruhigt werden. Angst, Schmerz und Hoffnungslosigkeit haben von den Menschen in Gaza Besitz ergriffen. Nun jedoch wird von den Künstlern der Stadt ein Funken Hoffnung entzündet: Mit Farbe und Bildern verschönern sie gemeinsam ihre Nachbarschaft, versuchen der Bedrückung Herr zu werden. Mit Erfolg. UNI.DE über das bunte Projekt in Gaza.
Fenster und Türen erstrahlen in leuchtenden Farben, die Wände sind verziert mit Bildern von Bäumen, Vögeln und Flüssen, überall wachsen Blumen. Al Zaytoun, ein Wohnviertel im Osten der Stadt Gaza, ist wohl einer der buntesten Orte der Welt. Kaum zu glauben: Noch vor einem Jahr lag die Stadt zu einem großen Teil in Schutt und Asche. Während des 50-Tage-Krieges zwischen Israel und Palästina sind etwa 18.000 Häuser zerstört worden, rund 40 Prozent der Stadt. Gaza ist zu dieser Zeit ein Bild des Jammers und des Leids, gemalt im tristen Grau der herumliegenden Trümmer und dem Schwarz der fallenden Asche.
We Are Not Numbers
“There’s really no such thing as the ‘voiceless.’ There are only the deliberately silenced, or the preferably unheard.” - Arundhati Roy über wearenotnumbers.org. Mehr dazu hier
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Graffiti und Flüchtlingshäuser geben den Startschuss
Dann jedoch beginnt in Gaza eine farbige Revolution.
Mit Graffiti fängt alles an. Scheinbar über Nacht tauchen in der ganzen Stadt bunte Schriftzüge auf: „Gaza wird niemals sterben“ kann man da zum Beispiel lesen, ein Ausdruck der Hoffnung und des Lebenswillens der Bewohner. Es sind kleine farbige Flecken in einer ansonsten düsteren Welt, doch sie geben schon kurz darauf den Anstoß zu einem atemberaubenden Kunstprojekt, das seinesgleichen sucht.
Im Januar nehmen dann lokale Künstler in der Kampagne „
Colors of Hope“ ihre Arbeit auf. Mit Farben und Bildern verzieren sie die Container und die Wohnwägen der Flüchtlinge und der Einwohner, die durch den Krieg ihr Zuhause verloren haben. Sie wollen ein Zeichen setzen, der Stadt durch die Farben wieder ein wenig Leben einhauchen. Bald schon schwappt die Flut der Farben über die Flüchtlingssiedlungen hinaus und ergießt sich in der Stadt.
Nachbarn bemalen gemeinsam ihre Stadt
Eine weitere Initiative wird im Juni ins Leben gerufen, kurz vor dem heiligen Ramadan. Diesmal sind es Gazas junge Frauen, die mit dem Projekt „Lawwen Hartak“ (dt. „Male deine Nachbarschaft an“) die Stadt verschönern wollen. Mit ihren Eimern voll Farbe ziehen sie durch die Straßen und verzieren die Wände der Häuser, bald schon unterstützt von den zunächst skeptischen Nachbarn. Salsabeel Zeineddin, eine der Teilnehmerinnen des Projekts, erinnert sich: „Es fühlte sich an, als würde die negative Energie, die sich in den vergangenen Jahren in mir angesammelt hat, mit jedem Pinselstrich ein wenig verschwinden.“
Zur selben Zeit
im Wohnviertel Al Zaytoun: Der Künstler Mohammed Al Saedi verschönert sein eigenes Haus, bemalt Blumentöpfe, hängt sie in die Straßen. Sein Antrieb: „Ich wollte eine gelassene Atmosphäre voller Blumen und Farben schaffen, um das Leiden und die psychischen Folgen der Besatzung zu lindern. Aus dem Schutt der Zerstörung werden wir, so Gott will, Gärten und Becken voller Blumen und beruhigender Farben erschaffen." Die Nachbarn machen begeistert mit. Freiwillige melden sich, es wird Geld gesammelt um Farben und Pinsel kaufen zu können, Familien legen gemeinsam Gärten an. Bald ist alles bunt in Al Zaytoun.
Schließlich springt auch das Tamer Institute for Community Education in Ramallah auf,
unterstützt das Viertel mit Geld, schickt Künstler in die Gemeinde um den Einwohnern unter die Arme zu greifen. Gemeinsam machen sie weiter, verteilen Farbe in einer Stadt, die bereits vor dem Abgrund stand, und in der es nun wieder Hoffnung gibt. Während der Wiederaufbau Gazas noch immer in vollem Gange ist, haben diese Menschen einen Weg gefunden, ihre Stadt auf ihre ganz eigene Weise zu neuem Leben zu erwecken.