VON CLEMENS POKORNY
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14.09.2015 12:57
Farbe bekennen! Bunte Lebensmittelzusatzstoffe
Farbstoffe sind aus vielen Lebensmitteln nicht mehr wegzudenken. Selbst Bioprodukte enthalten manche dieser Zusatzstoffe, doch sie kommen mit deutlich weniger davon aus. Das ist gut so, denn viele Zusätze stehen im Verdacht, Hyperaktivität, Allergien oder sogar Krebs auszulösen. Mit den sogenannten E-Nummern zwingt das Gesetz die Hersteller allerdings dazu, im wahrsten Sinne des Wortes „Farbe“ zu bekennen und u.a. verwendete Lebensmittelfarben zu deklarieren.
Graue Gummibärchen, graue Wurst – kaum vorstellbar. Noch viele weitere Lebensmittel sähen aber deutlich weniger verlockend aus, wenn ihnen keine Farbstoffe beigefügt würden. Mancher kritischen Verbraucherin verdirbt aber schon der Begriff „Lebensmittelfarbstoff“ den Appetit. Die Wahrheit liegt, wie so oft, in der Mitte.
Dass Nahrungsmittel heute um den halben Globus zu ihren Konsumenten transportiert werden können, dass Vorratshaltung sehr viel besser funktioniert als früher, dass wir uns daran gewöhnt haben, alles überall frisch serviert zu bekommen: All dies hat seinen Preis. Ohne Lebensmittelzusatzstoffe, die den Geschmack, das Aussehen oder die Eigenschaften, insbesondere die Haltbarkeit, von Nahrungsmitteln verbessern sollen, kommt die Ernährungsindustrie nicht aus. Auch Bioprodukten werden etwa Säuerungsmittel und Emulgatoren zugesetzt. Die Erwartungen von uns Verbrauchern an unser Essen und unsere Getränke, kurz: Die Nachfrage zwingt die Hersteller, mit Zusatzstoffen Illusionen aufrechtzuerhalten. Haltbare Wurst aus dem Glas etwa kann von Natur aus nicht frisch aussehen und lange genießbar bleiben – doch tut sie es nicht, wird sie nicht gekauft.
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Farbstoffe machen etwa 40 der gut
320 in Deutschland zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe aus. Ginge es nach den Verbraucherzentralen, so wären es deutlich weniger. Insbesondere
die sogenannten Azofarbstoffe würden sie gerne verbieten. Diese werden aus Erdöl hergestellt, können Allergien auslösen und stehen teilweise sogar im Verdacht, Krebs zu erregen. Die Industrie kümmert sich freilich kaum darum, ob ihre Produkte die Gesundheit gefährden. Erst 1993 wurden die nationalen Gesetze zu Lebensmittelfarbstoffen europaweit harmonisiert. Und der Weg bis zum Verbot eines gefährlichen Zusatzes ist weit. So
stehen bestimmte Azofarbstoffe seit Langem im Verdacht, bei Kindern Hyperaktivität auszulösen. Verboten sind sie nicht – seit 2010 müssen Produkte, die sie enthalten, nur einen Warnhinweis tragen: „Kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinträchtigen“.
Doch wer außer Allergikern schaut schon vor dem Kauf eines Lebensmittels auf die Zutatenliste? Und selbst wenn man das tut, findet man meist nur rätselhafte Aufschriften wie „E 471“. Mit den sogenannten E-Nummern wird verschleiert, dass das betreffende Produkt Zusatzstoffe enthält. Zwar müsste man schon fast Lebensmittelchemiker sein, um mit „Mono- und Diglyzeride von Speisefettsäuren“ (das oben erwähnte E 471) etwas anfangen zu können. Doch eine Nummer klingt immerhin neutraler als ein komplizierter chemischer Begriff, der bei Laien Künstlichkeit suggeriert, die immer weniger Konsumenten akzeptieren.
Dabei sind durchaus nicht alle Lebensmittelzusatzstoffe und so auch nicht alle Lebensmittelfarben künstlichen Ursprungs. Sie können pflanzlichen oder mineralischen Ursprungs sein oder auch von Tieren stammen. Gentechnisch gewonnene Zusätze müssen nicht als solche deklariert werden. Woher sie auch stammen: Lebensmittelzusätze sollte man nur in begrenztem Maße zu sich nehmen. Im Tierversuch werden zwar alle Zusatzstoffe vor der Zulassung getestet. Doch
wie bei UNI.DE bereits zu lesen war, müssen Tierversuche nicht nur wegen ihrer moralischen Fragwürdigkeit in Zweifel gezogen werden. Und dass in der Vergangenheit immer wieder Zusatzstoffen – auch Farbstoffen – die Zulassung entzogen wurde, belegt zusätzlich, wie wenig aussagekräftig die Tests im Zulassungsverfahren sind – und wie wir Verbraucher von der Nahrungsmittelindustrie als menschliche Versuchskaninchen missbraucht werden.
Wer Farb- und andere Zusatzstoffe so weit wie möglich vermeiden will, sollte daher vermehrt zu Bioprodukten greifen. Für sie sind nur etwa 50 Zusatzstoffe zugelassen und viele Öko-Lebensmittel kommen, anders als ihre konventionellen Pendants, ganz ohne Zusätze aus. Beim Einkaufen empfiehlt es sich, unklare Zutaten von Lebensmitteln mit einer
E-Nummern-Liste abzugleichen, die über Herkunft und mögliche Wirkungen von Lebensmittelzusätzen informiert. Die Verbraucherzentrale des Landes Hamburg hat eine Broschüre herausgegeben, die allgemein verständlich über Zusatzstoffe informiert. Die Lebensmittelindustrie mag die Farbstoffe, die sie verwendet, also noch so gut tarnen – Farbe bekennen muss sie in der Liste der Zutaten doch.