VON CHARLOTTE MEYER | 02.09.2015 15:38

Rot, rot, rot sind alle meine Kleider - Zu Farbsymbolik und Farbpsychologie

Mädchen tragen Rosa, Jungs Hellblau; Bräute Weiß und Trauernde Schwarz. Aber warum eigentlich? Vieles dreht sich bei Farbe um kulturelle Werte, die mit ihr verknüpft sind. Umgekehrt beeinflusst sie aber auch unsere Wahrnehmung und erweckt je nach persönlicher Erfahrung negative und positive Assoziationen. Was mit Farben assoziiert wird und was Italienerinnen und Italiener von Rot denken, weiß UNI.DE




Farben sind nie neutral

Farbe kann eine mächtige Wirkung im Auge der oder des Betrachtenden erzeugen. Sie kann Vorstellungen wecken und Stimmung beeinflussen aber auch Dinge charakterisieren. Wie und in welchem Maße Farbe uns lenkt, bestimmt meistens unser Verstand – oder unsere Herkunft. Das liegt daran, dass jede Kultur – etwa durch ihre Geschichte oder ihre Religion – Farben symbolisch anders besetzt und somit Menschen unterschiedliche Assoziationen zu einer Farbe entwickeln. Trotz der individuellen Wahrnehmung können Farben allerdings auch objektiv verstanden werden: Zum Beispiel wenn sie mit weltweit geltenden Umständen wie etwa den Jahreszeiten verbunden sind. So ist der Winter wegen Schnee und Eis meistens mit Weiß und Blau verknüpft oder der Herbst wegen der sich verfärbenden Bäume mit Gelb und Rot. Farben transportieren so fast immer Werte und Emotionen und können nie neutral sein. Das macht sich zum Beispiel das Marketing und die Werbung zunutze, um ein Produkt anzubieten und den Betrachter oder die Betrachterin zum Kauf zu bewegen. Dabei sollen durch Farben bestimmte Vorstellungen geweckt werden, wenn er oder sie eine Ware oder etwas, das verkauft werden soll, ansieht. Farben kommen zudem selten ganz rein vor und sind meistens mit anderen Farben kombiniert. Je nach persönlicher Erfahrung und kulturellem Hintergrund können diese in Reinform oder in Kombination unterschiedliche Emotionen hervorrufen. So kann Rot zum Beispiel Blut, Feuer und Macht, aber auch Liebe und Gefühle bedeuten. Gepaart mit Gelb etwa wird die Signalwirkung von Rot verstärkt und ruft Assoziationen von Gefahr hervor. Da Rot außerdem eine warme Farbe ist und keine Tiefenwirkung hat, erscheint sie näher als andere Farben. Deswegen benutzt die Werbung oft Rot, um Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Die Subjektivität der Wahrnehmung

Blau sicher, Gelb heikel

Rot hat in diesem Sinne ein großes Potenzial zu polarisieren. Hingegen gibt es Farben, die zum Beispiel für den Marketingbereich „sicherer“ sind, da sie kaum Abneigung erzeugen. Blau ist so eine Farbe – von vielen Menschen als Lieblingsfarbe bezeichnet, steht sie politisch für Demokratie und bedeutet Wasser, Himmel, Ruhe und Freiheit. Blau enthält zwar das Element Kälte, aber wird dennoch von den meisten gemocht. Am kontrastreichsten ist wohl die Farbe Gelb, die einerseits Licht und Wärme bedeutet, aber auch als Farbe des Egoismus und des Verrats gilt. Die charakterloseste Farbe von allen ist darüber hinaus wohl Grau: Denkt man an die Farbe, kommen Assoziationen wie Farblosigkeit, Bürokratie oder Alter auf. Vor allem bei Mode ist zudem Schwarz sehr beliebt, weil es edel und elegant wirkt. Dennoch sind damit eher Attribute verbunden, die eher nicht als erstrebenswert gelten: So zum Beispiel ein konservatives Weltbild, Trauer und Tod und in Verbindung mit Rot gar Hass. Ob sich nun unsere Einstellung zur Farbe verändert hat oder diese Attribute mehr Einzug in unser Leben erhalten haben ist eine Frage, die an dieser Stelle nicht beantwortet werden kann. Generell können Farben also einerseits unsere Wahrnehmung beeinflussen und sind mit Werten und Vorstellungen andererseits besetzt.

In Deutschland weiß, in China rot

An Rot als einer der ersten Farben der Menschheit kann man gut die unterschiedliche Wertebesetzung von Farbe und deren geschichtliche Entwicklung ablesen. Rot ist eine der wichtigsten Farben und wurde als erstes von Menschen zum Malen benutzt. Vor allem auf Waffen sollte die Farben Glück bei der Jagd verleihen und stand für das Blut der Beutetiere. In manchen Sprachen hatte, beziehungsweise hat Rot sogar die direkte Bedeutung „Blut“, so etwa bei den Babyloniern oder den Eskimos. Generell kann man an Sprache gut die Geltung von einer Farbe in einer Kultur sehen; in Redewendungen zum Beispiel: „Ich sehe rot“ oder „ich sehe schwarz für etwas“ sind in unserer Sprache übliche Ausdrücke, die ein Gefühl für eine bestimmte Sache beschreiben wie hier etwa Aggression oder Aussichtslosigkeit. Der Feiertag, der bei uns traditionell mit Rot verbunden wird, ist Weihnachten. Nicht nur, dass der Weihnachtsmann eine rote Kutte trägt, sondern auch Kerzen, Geschenkbänder und Weihnachtsdekoration sind meistens rot. In anderen Kulturen wird darüber hinaus Rot auch in Kontexten benutzt, in denen es bei uns weniger üblich ist. So werden zum Beispiel in China Neugeborene rot angezogen und Brautpaare tragen nicht Weiß, sondern Rot. Auch in Indien tragen Frauen bei der Hochzeit Rot, denn dies ist dort die Farbe der Göttin Lakshmi, die mit Schönheit und Reichtum in Verbindung gebracht wird. Anders als in Deutschland wird außerdem in Italien Rot als Abwehr gegen Neid und Böses gesehen. Auch deswegen sieht man oft Amulette oder Talismane aus roten Korallen oder rot angemaltem Ton in dem südlichen Land. Rot als Abwehrfarbe würde für uns wohl eher ungeeignet wirken.