VON NORA GRAF | 14.02.2015 12:55

Wer, wie, was, warum? Unsere Bildung und ihre Ursprünge

„Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung.“, so steht es in Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Doch was bedeutet Bildung eigentlich? Auf die Frage, was denn die genaue Definition von Bildung ist und was sie alles beinhaltet, gibt es unzählige Antworten und daher auch unzählige Theorien, mit denen sich Wissenschaftler oft jahrelang auseinander setzen. Schon die antiken Griechen bemühten sich um eine nähere Eingrenzung. Im Folgenden ein kurzer Überblick und was heute noch von den frühen Ansätzen fort besteht in unserer modernen Gesellschaft.

Wilhelm von Humboldt mit seiner Bildungstheorie, die er am Ende des 18. Jahrhunderts – im Zuge der Aufklärung und eines erwachten Freiheitsbewusstseins – aufgestellt hat, gilt als Vater des modernen Bildungsverständnisses. Bei seiner Vorstellung einer idealen Bildung steht der einzelne Mensch im Mittelpunkt. Bildung vollzieht sich als innerer Prozess, mit dem Zweck, „die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen“ zu erreichen. Doch diese geschieht nicht nur im Inneren des Menschen, sondern kann nur in einer Wechselbeziehung mit der Welt funktionieren. Der Mensch entwickelt seine „innere Form“ in der Auseinandersetzung mit der Umwelt. Die Welt prägt somit den Menschen und dieser wiederum gestaltet die Welt durch seinen Geist mit.

Allgemeinbildung

Bildung im Wandel der Zeit

Auch wenn es den Begriff Bildung in der Antike noch nicht gab und sich die unterschiedlichen Gelehrten und Schulen über die genauen Inhalte einer solchen uneinig waren, so gab es schon damals das Ideal der Allgemeinbildung, das als höheres Lebensziel von allen Menschen anzustreben sei. Paideia, so der griechische Ausdruck, leitet sich von der Erziehung des Kindes ab und beschreibt zum einen die intellektuelle und ethische Erziehung und andererseits die Bildung, die ein Kind erhält und die ihn ein Leben lang prägt – Bildung wurde also unter den antiken Gelehrten als Besitz und Ergebnis eines Erziehungsprozesses verstanden. Während die Sophisten zum Beispiel auf rhetorisch-praktische Fähigkeiten setzten, rückten andere – wie Sokrates, später Platon und Aristoteles – die philosophisch-wissenschaftliche paideia in den Vordergrund, bei der der Staat die Erziehungsfunktion inne hat.

Der deutsche Begriff „Bildung“ ist seit dem Mittelalter bekannt und religiösen Ursprungs. Der Theologe Eckhart von Hochheim, auch bekannt als Meister Eckhart, hat ihn wohl im Rahmen seiner Imago-Dei-Lehre – der Lehre der Gottebenbildlichkeit – verwendet. Das heißt, der Mensch wird gebildet durch Gott, nach seinem Abbild. Was wiederum bedeutet, dass die Bildung – oder besser die „Nachbildung“ – als etwas verstanden wird, auf das der Einzelne keinen Einfluss hat. Der „dumme“ Mensch, der Homo insipiens, wird erst durch die Erziehung zu einem weisen Menschen, dem Homo sapiens.

Bis es schließlich zur Wende im Bildungsbewusstsein kommt, durchläuft der Begriff noch einige Wandlungen, die aber alle schon in eine Richtung weisen: nämlich hin zu mehr Subjektivität. Im 18. Jahrhundert, besonders im Deutschen Idealismus, heißt Bildung vor allem die Bildung des Geistes mit dem Ziel der vollkommenen Persönlichkeit. „Das Ich als Werk meiner selbst.“, so bezeichnet Fichte diesen Prozess. Schließlich erhebt Humboldt Bildung zum Programm. Das „Sich-Bilden“ als Persönlichkeitsentwicklung und als reiner Selbstzweck war anfangs nicht ausgerichtet auf ein materielles Ziel. Dies geschieht erst Anfang des 19. Jahrhunderts – durch die Einführung von Lehrplänen. Nutzen und Gewinn von Bildung werden immer wichtiger.

Und heute?

All diese unterschiedlichen Konnotationen vereinen heutige Bildungsdefinitionen, wonach grundlegend der Prozess im Vordergrund steht, infolge dessen der Mensch seine Persönlichkeit entwickelt und sich bestimmte Fähigkeiten und Kompetenzen aneignet. Bildung besitzt in Deutschland einen hohen Stellenwert – angefangen bei den Jüngsten bis hin zu den Ältesten in unserer Gesellschaft. Leider gewinnt man heute manchmal den Eindruck, dass diese nicht mehr als Allgemeinbildung und Individualisierungsprozess gesehen wird, sondern nur noch unter dem Gesichtspunkt des Nutzens und der Verwertbarkeit von Wissen. Fachleuten zufolge gehe es nicht mehr um die Bildung jedes Einzelnen, sondern darum, „den passenden Nachwuchs für den Arbeitsmarkt heranzuzüchten“. Man muss es ja nicht so extrem sehen wie einst Oscar Wilde, der behauptete: „Bildung ist etwas Wunderbares. Doch sollte man sich von Zeit zu Zeit daran erinnern, dass wirklich Wissenswertes nicht gelehrt werden kann.“ Aber in einer Zeit, in der die Begriffe wie Humankapital und Leistungsgesellschaft keine Seltenheit darstellen, und die oftmals nur darauf abzielen, welchen Nutzen das Individuum für die Wirtschaft hat, sollte Bildung vielleicht wieder etwas freier und selbstbestimmter sein.