VON ANGELA SCHWEIZER
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25.02.2015 13:48
Wunderwaffe Bildung? Was der Human Development Index über Entwicklung aussagt
Wie viel Bildung braucht der Fortschritt? Und wie arm ist eigentlich arm? Vor allem der nicht vorhandene Zugang zu Bildung gilt als zentrales Merkmal von Armut. Mit dem Human Development Index entwickelten die Vereinten Nationen einen Fortschrittsindikator, der anhand von Bildung, Einkommen und Gesundheit misst, wie weit die Entwicklung eines Landes fortgeschritten ist. Doch kann von Bildung immer auf Entwicklung geschlossen werden?
Laut der Entwicklungsbank der Kreditanstalt für Wiederaufbau korreliert der Bildungsstand eines Landes eng mit dem Pro-Kopf-Einkommen. Vor allem ökonomisches Wachstum hängt demnach vom Bildungsniveau ab. Bis zum Jahre 2015 erklärte es sich die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zum Ziel, die Alphabetisierungsrate der 15-24-Jährigen weltweit auf 99% zu steigern. Die Jahre 2003 bis 2015 erklärten die Vereinten Nationen außerdem als UNO-Alphabetisierungsdekade.
Bildung allein ist jedoch nicht ausreichend, um wirtschaftliches Wachstum zu fördern. Steigt die Alphabetisierungsrate eines Landes nicht mit einer Verbesserung der institutionellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, kommt es zu großen Emigrationswellen, wie beispielsweise auf den Philippinen. Mit dem sogenannten Braindrain, zu Deutsch „Talentschwund“, wird das Phänomen der massenhaften Abwanderung der Intelligenz einer Volkswirtschaft bezeichnet. Diese Emigration der am besten ausgebildeten und talentiertesten Köpfe ist mit erheblichen volkswirtschaftlichen Verlusten für Länder des globalen Südens verbunden, die im Wettbewerb um ihre qualifizierten Arbeitskräfte nicht mit reichen Ländern des Nordens mithalten können.
Sklaverei im Teebeutel
Der „Global Slavery Index“ schätzt die Anzahl von Menschen, die in moderner Sklaverei leben, auf knapp 30 Millionen. Die zehn Länder mit der höchsten Anzahl versklavter Einwohner sind
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Wie arm ist arm? Was der Human Development Index über ein Land aussagt
Armut bedeutet das Fehlen von Verwirklichungschancen, so der Nobelpreisträger und Wirtschaftswissenschaftler Amartya Sen. Arm ist, wer seine vorhandenen Fähigkeiten nicht entfalten kann und wer
keine Ressourcen zur Verfügung hat, um sein Leben nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten. Diesem Ansatz folgen auch die Vereinten Nationen mit ihrem Human Development Index. Dieser
Index der menschlichen Entwicklung misst zusätzlich zum Bruttonationaleinkommen die durchschnittliche Lebenserwartung sowie die Bildungsdauer. Der Human Development Index vereint also Bildung, Einkommen und Gesundheit und wird aus folgenden drei Dimensionen berechnet: die Lebenserwartung bei der Geburt, die durchschnittliche Schulbesuchsdauer und die voraussichtliche Schulbesuchsdauer in Jahren, sowie das Bruttonationaleinkommen pro Kopf. Aus diesen drei Dimensionen wird schließlich der Human Development Index als geometrisches Mittel errechnet. Der
Fokus auf Bildung und individueller Lebensgestaltung wird auch in der Einleitung des ersten Human Development Index Reports im Jahre 1990 deutlich: „Menschen sind der wahre Reichtum eines Landes. Das grundlegende Ziel von Entwicklung ist es, eine Umgebung zu schaffen, in der Menschen ein langes, gesundes und kreatives Leben genießen können. Das mag wie eine einfache Wahrheit erscheinen, gerät jedoch häufig in Vergessenheit hinter dem Anliegen der Anhäufung materieller Güter und finanziellen Reichtums.“
Bildung ist nicht alles
Zur menschlichen Entwicklung gehört jedoch mehr als Bildung.
Andere relevante Faktoren wie politische Freiheit oder Selbstachtung sind im Human Development Index nicht enthalten, auch der Faktor Umwelt und die ökologische Dimension werden nicht gemessen.
Durch die Vorherrschaft des westlichen Bildungsmodells gelten Gesellschaften mit oralen Traditionen und Subsistenzwirtschaft automatisch als defizitär und ungebildet. Um das Konzept des Human Development Index zu erweitern, wurden daher in den letzten Jahren zusätzliche Indikatoren entwickelt, beispielsweise ein Index der Ungleichheiten misst (IHDI), sowie ein Armutsindex und ein Index der Geschlechtergerechtigkeit.