VON LISI WASMER
|
14.03.2014 15:48
University of the People: Studieren für umme – aber nicht umsonst
Erst vor knapp einem Jahr beschloss der bayerische Landtag die Abschaffung der Studiengebühren von 500 Euro pro Semester. Der Entscheidung waren ein Volksbegehren und ausschweifende Demonstrationen vorangegangen, „Kostenlose Bildung für alle“ lautete die Forderung. Eine Idee, der sich auch Shai Reshef, ein israelischer Geschäftsmann und Bildungsunternehmer, verschrieben hat. Die von ihm gegründete University of the People will Menschen aus der ganzen Welt den Traum vom Studium erfüllen – unabhängig von Einkommen und Herkunft. Seit Februar sogar staatlich anerkannt.
Analphabetismus
Selbst im Land der Dichter und Denker ist die Zahl der Analphabeten viel größer, als die meisten gedacht haben
[...]»
Wer in den USA studiert, der tut das in der Regel wegen der exzellenten Reputation vieler Elite-Universitäten. Solche Einrichtungen haben aber auch den Ruf, den Studierenden jährlich horrende Summen für Unterkunft, Versicherung oder als Studiengebühren abzuknöpfen. Ein Beispiel: Für ein Studienjahr an der
Harvard Business School zahlen alleinstehende Studenten insgesamt knapp 100.000 US-Dollar, verheiratete Studenten mit zwei Kindern müssen sogar über 130.000 US-Dollar entrichten. Voll bezahlt werden muss dieser Betrag zwar nur von gut einem Drittel der Studentenschaft (65 Prozent der Studierenden werden finanziell unterstützt, manche mehr, manche weniger), dennoch verdeutlicht die Zahl, dass die Universitäten weit davon entfernt sind, für jedermann bezahlbar zu sein. Das ist in den USA so, es mag auch in Deutschland manchmal zutreffen. Und gerade in ärmeren Regionen wie etwa in Südafrika oder im nahen Osten ist es erst recht der Fall.
Das Angebot
Shai Reshef, ein israelisch-stämmiger Unternehmer, der im online-Bildungs-Geschäft Millionen verdient hat, möchte das ändern: 2009 gründete er deshalb die
University of the People (UoPeople), nach eigenen Angaben die erste non-profit online-Universität, die keine Studiengebühren erhebt. Derzeit werden zwei Studiengänge angeboten, Business Administration (also BWL) und Computerwissenschaft. Das Ziel: allen qualifizierten Menschen den Zugang zu höherer Bildung ermöglichen, unabhängig von finanziellen, geographischen oder sozialen Hürden.
Um diesen Plan zu verwirklichen arbeitet die Universität mit hochkarätigen Partnern zusammen. Zu ihnen zählen nicht nur renommierte Einrichtungen wie die New York University oder Yale, vor allem Firmen unterstützen die UoPeople, indem sie Studenten finanziell unter die Arme greifen. Denn auch Reshefs Universität kommt nicht ganz ohne Gebühren aus. Zwar wird kein jährlicher Beitrag erhoben, wohl aber eine Bewerbergebühr, deren Höhe je nach Herkunftsland variiert, ebenso wie 100 US-Dollar für jedes Abschlussexamen. Microsoft, beispielsweise, sponsert 1.000 Studenten aus Afrika, Hewlett-Packard bietet 100 Stipendienplätze an. Nun, genauer gesagt seit Februar 2014, gilt die Universität als akkreditiert. Mit der Ausstellung des Zertifikats durch das Distance Education and Training Council (
DETC) wird der UoPeople ein gewisses Maß an Qualität zugesprochen, wodurch die Institution als staatlich anerkannt gilt. Studiert wird also nicht nur pro forma, sondern tatsächlich mit Ausblick auf einen anerkannten Abschluss.
Die Nutzer
Das Angebot nutzen derzeit 700 eingeschriebene Studenten aus 142 verschiedenen Ländern. Zu ihnen gehört zum Beispiel
Debbie Time (48), die sich den Traum eines eigenen Schmuckgeschäfts erfüllen will, sich aber kein Studium an einer der herkömmlichen nordamerikanischen Universitäten leisten kann. Oder
Naylea Omayra Villanueva Sanchez (22), die in Nordperu am Rande des Urwalds lebt und seit einem Motorradunfall im Rollstuhl sitzt. Oder auch
Ali Patrik Eid (34) aus Jordanien, der in Dubai ein eigenes Unternehmen gründen möchte.
Tatsächlich getroffen haben sich alle drei noch nie. Die Studenten der online-Universität kommunizieren ausschließlich im Internet, via Facebook oder etwa Skype. Im virtuellen Raum werden die Texte diskutiert, auf deren Grundlage alle Kurse aufgebaut sind (Videos oder Audiodateien gibt es nicht, um die Kosten für das Lehrmaterial niedrig zu halten und gleichzeitig sicherzustellen, dass alle Studenten Zugang zu den Unterlagen haben, auch ohne Videoplayer oder Breitbandanschluss).
Die Schattenseite
Bei allem Respekt vor dem Elan, mit dem Reshef und seine Mitarbeiter bei der Sache sind; bei all der Hochachtung vor einem derartigen Angebot – es bleiben Bedenken. Die richten sich zum einen an die langfristige Finanzplanung, der Projektleiter. Denn auch wenn Reshef durch die Bereitstellung eines Startkapitals in Höhe von mehreren Millionen US-Dollar eine solide finanzielle Basis gebildet hat und auch, wenn die Kosten für die Unterhaltung der Universität so niedrig wie möglich gehalten werden (einziger Geschäftsraum ist etwa ein halbes Büro in Pasadena, Kalifornien); so zeigen allein schon die inzwischen eingeführten Bewerbungs- und Prüfungsgebühren, dass absolut kostenlose Bildung ein Ding der Unmöglichkeit bleibt.
Die Frage wird also sein, inwieweit die Finanzierung allein über Spenden weiter getragen werden kann – zumal Reshef nach eigenen Angaben bis 2016 einen gut 100-prozentigen Anstieg der Studentenschaft auf 1.600 online-Studenten erwartet. Ein anderes Problem sind die Prüfungsmodalitäten: Wenn Debbie, Naylea oder Ali ein Examen vom heimischen Computer aus absolvieren, wie kann dann garantiert werden, dass tatsächlich die eingeschriebenen Studenten die online-Prüfung ablegen und nicht jemand anderes?
Das Fazit
Es scheint, dass gerade die grundlegenden Zielsetzungen des online-Universitäts-Projekts sein Gelingen zu torpedieren drohen: Das Studium soll kostenlos sein, aber ohne Geldfluss kann die Universität nicht überleben. Das Studium soll allen Menschen zugänglich gemacht werden, dadurch werden aber auch Betrug und Unterschleif Tür und Tor geöffnet.
Dennoch bleibt die online-Universität ein innovativer Lösungsansatz, trotzdem müssen Reshef und seine Mitarbeiter als Bildungspioniere anerkannt werden. Denn auch wenn das Konzept der UoPeople noch Verbesserungspotential birgt, sendet es (nicht zuletzt nach der Akkreditierung) ein wichtiges Zeichen: Dass es möglich ist, jedem Menschen, ungeachtet seiner Herkunft, seiner finanziellen Möglichkeiten und seines sozialen Umfelds, den Zugang zu höherer Bildung zu gewähren.