VON LISI WASMER | 04.03.2014 14:17

Die Uckertaler - Zeit ist Apfel

Geld stinkt nicht, sagt der Volksmund. Trotzdem haben Geldgeschichten häufig ein „Gschmäckle“. Das liegt daran, dass Geld schon lange nicht mehr gleichzusetzen ist mit harter Währung, mit Münzen und Scheinen und meinetwegen noch Goldbarren. Im Zeitalter von Hedgefonds, Kredithäusern und Aktienmärkten ist Geld zu etwas Abstraktem geworden, zu virtuellem Besitz. Im Grunde ist es ein philosophisches Problem: Das Geld, das wir laut Kontoauszug besitzen und mit dem wir unser Leben bestreiten, existiert überhaupt erst, wenn wir es aus dem Geldautomaten ziehen. Das mag man noch hinnehmen, die praktische Auswirkung philosophischer Probleme hält sich in den meisten Fällen in Grenzen. Schwierig wird es dann, wenn Geld ein Selbstwert zugeschrieben wird, wenn es mehr sein soll, als bloßes Mittel zum Zweck. Davon entfernen wollen sich die Mitglieder eines Tauschrings in der Uckermark, die eine auf der Arbeitszeit basierende Zweitwährung neben dem Euro pflegen - und dabei die Schwierigkeiten übersehen, mit denen jede echte Marktwirtschaft klarkommen muss.


Es hat etwas von Aussteigertum, von alternativen Kommunen und Althippietum. Und zumindest ein wenig trifft dieser Verdacht wohl auch zu, folgt man den Ausführungen von Jan Grossarth über die Mitglieder des 2008 gegründeten Tauschrings „Uckertausch“: Von Frauen in Wollwesten schreibt er und von Männern, die so entspannt seien wie ihre Jogginghosen. Die Uckermark in Nordostdeutschland ist die geeignete Kulisse für diese Nonkonformisten-Idylle. Hier, zwischen Prenzlau, Pasewalk und Löcknitz, haben sich gut 100 Mitglieder zu einem offenen und dennoch verbindlichen Tauschring zusammengeschlossen. Die Idee: Gütern und Dienstleistungen einen möglichst gerechten Wert beizumessen.

Umsonstläden & Co.

Fünf Minuten sind fünf Minuten sind fünf Minuten

Der Ansatz ist so simpel wie einleuchtend: Nicht Nachfrage und Angebot regeln die Preise, sondern die Arbeitszeit, die zur Herstellung, beziehungsweise Verrichtung einer Leistung aufgewandt wurde. Fünf Minuten entsprechen dabei einem Uckertaler. Wer also eine Stunde lang den Nachbarsrasen mäht, erhält zwölf Uckertaler. Wer eine Stunde damit verbringt, Tomatensoße herzustellen, kann diese für zwölf Uckertaler verkaufen. Wer sein Kind einmal die Woche zum Französisch-Unterricht schickt, zahlt zwölf Uckertaler pro Stunde. Um welche Leistung es sich handelt, spielt keine Rolle, ausschlaggebend ist einzig und allein der Aufwand.

Das erwirtschaftete Geld wird auf im Onlineportal verwalteten Konten angelegt. Hierbei darf niemand mehr als 500 Uckertaler besitzen, genauso wenig können die Mitglieder mehr als 500 Uckertaler anschreiben lassen. Somit sei sichergestellt, dass die Vermögen in Umlauf gebracht werden, sagt Mitinitiator Werner May gegenüber Claudia Bruhn vom „Nordkurier“. Wer in den erlesenen Kreis der Uckertauscher aufgenommen werden will, zahlt das mit jährlich zwölf Uckertalern, also einer Arbeitsstunde. Wohin diese genau fließen, ist aus der Website des Tauschrings leider nicht ersichtlich. Zinsen auf gesparte Taler gibt es nicht. Die Verwaltung besteht aus Werner May als Kassenwart und Internet-Administratorin Helga Rehfeld.

Äpfel. Und dann?

Das eigentliche Ziel der Uckermarker Tauschhändler ist die Sicherstellung einer autarken Grundversorgung. Viele Mitglieder sind in der Landwirtschaft beschäftigt, beziehungsweise haben einen eigenen Hof. Diese Vereinsstruktur schlägt sich auch im Leistungsangebot nieder: Feuerholz, Ernteobst oder Wollgarn aus traditioneller Herstellung wie es Annekathrin Scheibe vom Julianenhof nicht nur für Geld, sondern teilweise auch im Tausch gegen Uckertaler anbietet: Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit hätten viele Leute in der Uckermark zu wenig Geld, um sich die dort hergestellten Waren leisten zu können, sagt sie im Interview mit dem RBB. Durch die Aufbringung ihrer Arbeitszeit, zum Beispiel in Form von Hilfsarbeiten auf dem Hof, kommen sie dennoch in den Genuss des regionalen Angebots.

Glaubt man dem Selbsterfahrungsbericht von Arne Hartwig für das Vice-Magazin, besteht das vor allem aus Äpfeln im Naturzustand und jeglicher Weiterverarbeitungsform. Sein Fazit nach dem gescheiterten Versuch, (fast) selbstgebrannten Schnaps einzutauschen: Wer Arbeit nicht scheue und sich mit einer simplen Gesellschaftsordnung zufrieden gebe, sei beim „Uckertausch“ genau richtig. Hartwig gegenüber räumt auch May das eingeschränkte Angebot ein. So gebe es beispielshalber keinen Anwalt im Tauschring. Kein Nachteil, findet der Mitbegründer: Zwar habe sich einmal ein Anwalt um eine Mitgliedschaft bemüht, für sein Wissen habe man aber keine Verwendung und deshalb auch keine Uckertaler übrig gehabt, so May gegenüber Hartwig. Glaubt man jedoch dem Autor, könnte May den ein oder anderen Uckertaler vielleicht doch bald in diese Richtung investieren wollen. Denn der Selbstversorger mit langen Silberlocken und dichtem Schnauzbart lebt, so Hartwig weiter, „konsequenterweise seit Jahren in einem Steuer- und Auskunftsboykott gegenüber Staatsorganen“.