VON CLEMENS POKORNY
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16.10.2013 14:25
Die Tuareg in Mali
Die Tuareg leben als nordafrikanische Ureinwohner nomadisch und über vier Staaten verteilt. Doch trotz ihrer langen Geschichte in der Region sehen sich sich insbesondere in Mali und Niger gesellschaftlich, politisch und ökonomisch marginalisiert. Nachdem internationale Bemühungen zur Verbesserung ihrer Situation nicht fruchteten, versuchten sie 2012 erfolglos, im Norden Malis ihren eigenen Staat „Azawad“ auszurufen. UNI.DE erklärt die Hintergründe.
Mit den Aufständen in Mali im Jahr 2012, der Absetzung des malischen Präsidenten Touré und der Ausrufung eines eigenen Staates Azawad im Norden des Landes gerieten die Tuareg wieder ins Licht der Weltöffentlichkeit. Das auf Mali, Niger, Algerien und Libyen verteilte Nomadenvolk hatte die Souveränität des von ihm dominierten Gebietes als Schritt in seinem Kampf gegen fortdauernde staatliche Diskriminierung und Unterdrückung durchsetzen wollen. Mit der islamistischen Gruppe Ansar Dine gingen sie allerdings eine Kooperation ein, die ihnen mehr schadete als nützte. Als Kämpfer von Ansar Dine, die nach der Abspaltung Azawads das entstandene Machtvakuum nutzten, die Weltkulturerbestätte Timbuktu angriffen, putschte das malische Militär den Präsidenten mit dem Vorwurf, er habe die Lage im Land nicht mehr unter Kontrolle, weg. Dies nahm die EU und insbesondere die ehemalige malische Kolonialmacht Frankreich zum Anlass, einzuschreiten und auf diese Weise sowohl ihren geostrategischen Interessen in der Region Vorschub zu leisten als auch das Geschäft mit dem Tod in Form von Rüstungsexporten für das malische Militär zu betreiben. Welche Rolle spielen die Tuareg in dieser Gemengelage? Um das zu verstehen, lohnt ein Blick auf ihre Geschichte und Kultur.
Die Berber, unter denen die Tuareg die größte Gruppe stellen, verstehen sich als Nordafrikas nomadisch lebende Ureinwohner. Die Tuareg leben in Stammesgruppen mit einem streng hierarchischen Kastenwesen. Anders als bei anderen nordafrikanischen und arabischen Gruppen nehmen Frauen eine dominierende Stellung ein: Die Frau sucht sich ihren Ehemann aus, den sie auch wieder verstoßen kann; die Männer müssen sich vor den Frauen verschleiern. Im Zuge der Islamischen Expansion (ab dem 7. Jahrhundert) wurden die Tuareg von den einwandernden arabischen Beduinen nach Süden, also in den Sahel und die Sahara, abgedrängt, widersetzten sich jedoch mit Ausnahme ihrer Religion weitgehend den Einflüssen der ebenfalls nomadischen, zugereisten Muslime. Ihre Situation verschlechterte sich im 19. Jahrhundert wesentlich durch die französische Kolonialisierung Nordafrikas, paradoxerweise aber noch mehr durch die Unabhängigkeit Malis und Nigers im Jahr 1960, weil sie in beiden Ländern eine Minderheit gegenüber den Schwarzafrikanern darstellten, die fortan die Macht übernahmen. Seitdem müssen sie als marginalisierte Ethnie in den neuen Staaten gelten. Internationale Abkommen seit Beginn der 1990er-Jahre konnten aus Tuareg-Sicht nicht zu einem spürbaren Abbau ihrer Benachteiligungen oder zu einem Mehr an Autonomie insbesondere in Mali beitragen.
Deshalb begannen Rebellen der Tuareg, die sich zur „Nationalen Bewegung für die Befreiung des Azawad“ (MNLA) zusammengeschlossen hatten, Anfang Februar 2012 mit dem Kampf für einen eigenen Staat im Norden Malis. Die meisten Tuareg schlossen sich ihnen nicht an, sondern flohen aus den betroffenen Gebieten. Der weitere Verlauf des Aufstands ist bekannt (s.o.). Die rebellierenden Tuareg wechselten die Fronten und halfen den Franzosen (und u.a. auch Deutschen) bei der Rückeroberung „Azawads“. Mali hat seit September 2012 einen neuen Präsidenten – doch über ein Jahr später verüben islamistische Kämpfer noch immer Anschläge aus dem Untergrund heraus. Und bis heute leben viele Tuareg als Flüchtlinge im Exil, z.B. in Burkina Faso. Der Versuch, einen eigenen Staat zu gründen, ist vorerst gescheitert. Doch es bleibt fraglich, ob ein noch immer wenigstens teilweise nomadisch lebendes Volk, das derzeit über vier Staaten verstreut ist, sich überhaupt in einem geographisch klar umrissenen Gebiet ansiedeln kann – und mehrheitlich überhaupt will.
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